Hofburg-Stichwahl: Neun Schuldsprüche

Im Prozess zu Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidentenstichwahl hat es Donnerstagnachmittag neun Schuldsprüche zu mehreren tausend Euro Strafe, darunter Villachs Bürgermeister Günther Albel (SPÖ), gegeben. Es gab auch einen Freispruch. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Der Prozess rund um die Bundespräsidentenstichwahl im Mai 2016 brachte Donnerstagnachmittag und damit rascher als erwartet neun Schuldsprüche und einen Freispruch. Die höchste Geldstrafe fasste der Abteilungsleiter des Melde- und Standesamtes mit fünf Monaten bedingter Haft und 14.000 Euro Geldstrafe aus. Auch der Villacher Bürgermeister Albel wurde von Einzelrichter Christian Liebhauser-Karl zu einer Strafe von 14.000 Euro verurteilt.

Der Abteilungsleiter wurde wegen Amtsanmaßung, Fälschung eines Beweismittels und falscher Beweisaussage verurteilt. Acht weitere Mitglieder der Bezirkswahlbehörde wurden der falschen Beurkundung im Amt schuldig gesprochen. Sie erhielten Strafen in Höhe von 5.400 bis 9.000 Euro. Freigesprochen wurde die FPÖ-Mandatarin, die als einziges Mitglied der Wahlbehörde Fehler im Protokoll der Briefwahlauszählung kritisiert und einen Aktenvermerk eingefordert hatte. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Albel seiner Verantwortung nachgekommen

Meinhard Novak, der Verteidiger von Albel erklärte, dass der Villacher Bürgermeister das Urteil annehmen würde. Auch zwei andere Mitglieder der Kommission und der Abteilungsleiter akzeptierten das Urteil. Für vier weitere Angeklagte meldete Novak Rechtsmittel „wegen Nichtanwendung der Diversion“ an, auch der Verteidiger des zweiten FPÖ-Mitgliedes der Wahlbehörde meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter gab keine Erklärung ab.

Albel selbst wollte am Donnerstag nach dem Urteil keine Stellungnahme abgeben. Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser wird wohl keine politischen Konsequenzen wie einen Rücktritt fordern. Schriftlich ließ Kaiser auf APA-Anfrage wissen, dass Albel seinen Fehler „ohne Wenn und Aber“ eingeräumt und die Geldstrafe akzeptiert habe, „Damit ist er seiner Verantwortung nachgekommen“, so Kaiser.

Zunächst nur acht Schuldbekenntnisse

Vor zwei Jahren hob der Verfassungsgerichtshof die Bundespräsidentenstichwahl wegen Verstößen gegen das Wahlgesetz auf. Für den bundesweit ersten Prozess in Klagenfurt waren vorerst zwei Tage anberaumt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelte monatelang wegen Verstößen gegen das Wahlgesetz bei der Auszählung der Briefwahlstimmen in diversen Gemeinden. Dem Villacher Bürgermeister und neun Mitangeklagten der Bezirkswahlbehörde werden falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt vorgeworfen. Der Prozess in Klagenfurt ist bundesweit das erste Verfahren in der Causa Bundespräsidentenstichwahl - mehr dazu in BP-Stichwahl: Erster Prozess in Kärnten.

BP Wahl Albel vor Gericht

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Großes Medieninteresse zu Prozessbeginn - der Villacher Bürgermeister Günther Albel (2. v. l.) und weitere Angeklagte

Am Donnerstag bekannten sich zunächst acht der zehn Angeklagten schuldig. Der Verteidiger der beiden FPÖ-Mitglieder der Bezirkswahlbehörde erklärte, seine Mandanten würden sich nicht schuldig bekennen. Am Nachmittag bekannte sich dann auch einer der beiden FPÖ-Beisitzer für schuldig. Weil die Verantwortung der Angeklagten nicht einheitlich ausfiel, wurden sie am Donnerstag einzeln einvernommen. Als Erster wurde am Vormittag Bürgermeister Albel von Einzelrichter Liebhauser-Karl einvernommen, er hatte schon im Vorfeld der Verhandlung ein Geständnis angekündigt.

Leitfaden für Stimmenauszählung nie gelesen

„Ich habe nicht gewusst, dass die Auszählung anders stattfinden hätte müssen“, erklärte Albel dem Richter, warum er nicht selbst die Briefwahlstimmen geöffnet habe. Die Vorgangsweise sei gängige Praxis gewesen, er habe sie nicht hinterfragt. Eine Bevollmächtigung für den Wahlamtsleiter habe es von ihm nicht gegeben, er habe sich auf seine Rechtsabteilung verlassen, so Albel. Den Leitfaden für den Ablauf der Stimmenauszählung habe er nie gelesen, bekannte der Bürgermeister vor Richter Liebhauser-Karl.

BP Wahl Albel vor Gericht

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Bürgermeister Albel vor Gericht

Er habe seine Aufgabe nur darin gesehen, am Montag nach der Wahl bei einer Sitzung der Bezirkswahlbehörde die Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses zu bestätigen. Überhaupt zeigte sich Albel weitestgehend ahnungslos. Obwohl er schon vor seiner Zeit als Bürgermeister bereits als Standesbeamter und auch als Vizebürgermeister in Wahlkommissionen tätig war, wie er vor Gericht zugab. Der Wahlamtsleiter habe eigenständig gehandelt. Zweifel, dass die Vorgangsweise nicht rechtmäßig sein könnte, kamen dem Leiter der Wahlbehörde dabei offenbar nicht. Der Prozess wurde am Nachmittag fortgesetzt.

Wahlsitzung fand nie statt

Alle Angeklagten waren bei der Bundespräsidentenstichwahl am 22. Mai 2016 Mitglieder der Wahlkommission. Doch anders als im Gesetz vorgesehen, waren sie bei der Auszählung der Wahlkarten nicht dabei, sondern unterschrieben nur das Protokoll. Damit wurde per Unterschrift die Anwesenheit bei einer Sitzung der Bezirkswahlbehörde bestätigt, die nie stattfand. Tatsächlich wurden die Wahlkarten vom zehnten Angeklagten - dem Leiter der Abteilung Meldewesen im Magistrat Villach - und seinen Mitarbeitern ausgezählt. Die Wahlkartenkuverts sollen zudem nicht wie vorgesehen erst am Montag, sondern bereits vor Wahlschluss geöffnet worden sein.

Villacher Bürgermeister gestand Fehler ein

Der Leiter der Wahlbehörde musste sich vor Richter Liebhauser-Karl wegen Beweismittelfälschung, Amtsanmaßung und Falschaussage verantworten, die er vor der Polizei und vor dem Verfassungsgerichtshof tätigte. Der Villacher Bürgermeister gestand bereits bei seiner Befragung vor dem Verfassungsgerichtshof Fehler bei der Auszählung der Wahlkarten ein.

BP Wahl Albel vor Gericht

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Albel (l.) mit Anwalt Meinhard Novak

Albel und Mitangeklagte streben Diversion an

Anwalt Meinhard Novak strebte für seine Mandanten eine Diversion an. Formalfehler, wie sie bei der Auszählung der Wahlkarten passiert waren, wären ein typischer Fall dafür. Novak verwies auf ähnliche Fälle: Ex-Verkehrsminister Hubert Gorbach (FPÖ) sei in der Telekom-Affäre mit einer Diversion davongekommen, ebenso die Chefs mehrere österreichischer Banken in der Lombard-Affäre in den 1990er Jahren, die Zinsen- und Konditionsabsprachen zum Nachteil der Kunden getätigt hatten.

FPÖ schloss sich Verfahren an

Dem Verfahren am Landesgericht Klagenfurt schlossen sich die FPÖ und Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) an, der in der Bundespräsidentenstichwahl Gegenkandidat von Alexander Van der Bellen war. Sie wurden von Dieter Böhmdorfer vertreten.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelte ursprünglich gegen 20 Wahlbehörden und 250 Beschuldigte. Fünf Verfahren, darunter auch jenes gegen die Wahlbehörde in Klagenfurt, wurden eingestellt. Derzeit liegen die Vorhabensberichte zur Beurteilung bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien.

Rücktritt wäre Sache von Moral und Anstand

Die Villacher Gemeinderäte von ÖVP, Verantwortung Erde, Bürgerliste Villach und der fraktionsfreie Richard Pfeiler verfassten eine gemeinsame Presseerklärung . Darin heißt es, dass Albel mit seinem gesetzwidrigen Handeln dem Ansehen der Stadt und dem seines Amtes massiven Schaden zugefügt habe. Das Klima zwischen dem Bürgermeister und den Mitarbeitern des Magistrates sei belastet, eine gedeihliche Zusammenarbeit fraglich.

Die Anzahl Albel’scher Fehlleistungen in den letzten zweieinhalb Jahren sind nicht mehr tragbar, so die Gemeinderäte. Sie sind auch der festen Überzeugung, dass ein Rücktritt eine Sache der Moral und des Anstandes wäre. Albel könnte damit der Stadt Villach und vielleicht auch sich selbst einen guten Dienst erweisen.

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