Ameisen: Perfekt organisierte Wenigschläfer
Volker Borovsky vom Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten studiert Ameisen seit vielen Jahren: „Man rechnet damit, dass weltweit etwa 17.000 Ameisenarten existieren. Der Schwerpunkt sind die Tropen, in Mitteleuropa ist die Vielfalt deutlich geringer.“ Unterschätzen sollte man sie aufgrund der geringen Größe aber nicht, denn Ameisen seien Raptoren, also Räuber und Jäger.
Brut braucht tierisches Eiweiß
Ameisen brauchen für die Aufzucht der Brut tierisches Eiweiß, deshalb gehen sie auf Jagd und töten andere Insekten, so Borovsky. Auf dem Speiseplan steht aber auch Aas: „Man kann tote Nagetiere finden, aber auch größere Tiere. Da kann es schon sein, dass ein toter Fuchs innerhalb von ein paar Wochen komplett von Ameisen aufgefressen wird.“
Für ihre eigene Ernährung brauchen sie aber kaum Eiweiß: „Da nehmen sie vor allem zuckerhaltige Säfte, zum Beispiel von Fallobst oder von den Läusen auf den Bäumen.“ Die Läuse scheiden Honigtau aus, und dieser sei Hauptnahrungsmittel für die älteren Exemplare unter den Ameisen.
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Kampf der Nester
Ameisen können auch untereinander zu Kämpfern werden: „Ameisen erkennen am Geruch, dass es sich um Nester der gleichen Art handelt. Manche bleiben friedlich, andere bekämpfen fremde Nester der gleichen Art aber massiv und vernichten sie.“ Unterschiede gibt es auch bei den Lebenskonzepten: „Ein Drittel der Ameisen in Mitteleuropa sind Sozialparasiten. Sie dringen in ein fremdes Sozialsystem ein und nutzen es für sich.“ So unterschiedlich wie die Arten sind auch die Nester. In den Tropen findet man frei schwebende Nester, in heimischen Wäldern findet man die typischen Ameisenhügel.
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Tägliche Präzisionsarbeit
Waldameisen sind in Kärnten weit verbreitet. Sie bauen Nester, die oft über einen Meter hoch werden, in denen einige hunderttausend Tiere leben. Manche brauchen Sonne und siedeln sich am Waldrand an, andere können im finsteren Wald bauen, so der Experte. Sie erzeugen selbst Wärme. „Diese Nester sind nicht nur hoch, sondern auch tief. Ameisen graben ihre Gänge nämlich auch bis zu einen halben Meter in den Boden hinein.“ Im Inneren eines Nests finden sich unzählige Gänge und Höhlen. Für den Bau werden Fichten- oder Tannennadeln verwendet. Diese werden von den Ameisen täglich so präzise geschichtet, dass das Nest stabil ist. Bringt etwa ein heftiger Regen Gänge zum Einsturz, wird es sofort wieder repariert.
Harz als Schutz vor Schädlingen?
Schimmel und Milben können den Waldameisen und ihrem Heim neben Naturkatastrophen auch gefährlich werden. Laut Borovsky gibt es eine Theorie, wonach sich Waldameisen davor schützen, indem sie Harzklümpchen in das Nest tragen. „Auch auf der Oberfläche legen sie kleine Brocken von Fichten- oder Föhrenharz hin. Wenn sie drüberlaufen, soll das angeblich Schädlingen unangenehm sein, auch Pilze sollen dadurch fern bleiben.“
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Ameisen putzen sich auch andauernd: „Vor allem die Königin und die Brut müssen ständig geputzt und beleckt werden“, sagt der Ameisenexperte. Wird das nicht gemacht, bilde sich laut Borovsky sicherlich Schimmel.
Eine halbe Minute Schlaf reicht
Jede Ameise im Bau hat ihre Aufgabe: „Es gibt Ameisen, die gehen an bestimmen Tagen auf die Jagd. Andere sind dafür da, auf Bäume zu klettern und Läuse zu melken. Jung geschlüpfte Ameisen gehen nie ins Freie, weil die Außenhaut noch nicht ausgehärtet ist. Die widmen sich der Aufzucht der Brut.“ Eine Königin kann Zigtausende Eier legen, doch die wirklich großen Nester haben oft mehrere Königinnen, sage Borovsky. Es scheint so, als ob die Ameisen nie schlafen würden. „Tun sie aber“, so der Experte. „Ameisen bleiben zum Schlafen kurz stehen, vielleicht eine halbe Minute, da schlafen sie, und danach laufen sie munter weiter.“