Nur ein Vogel bekommt „Winterkinder“

Ein Vogel, der im Winter seinen Jungen ausbrütet, scheint auf den ersten Blick widersinnig. Der Fichtenkreuzschnabel ist tatsächlich der einzige Vogel Kärntens, der im Winter seine Jungen zur Welt bringt - und das nicht ohne Grund.

Die Hauptbrutzeit des Fichtenkreuzschnabels reicht von Dezember bis April, sagte Andreas Kleewein, Geschäftsführer von BirdLife. In dieser Zeit seien die Fichtensamen reif und somit sei das Nahrungsangebot für den Vogel sehr groß: „In den Wintermonaten sind die Samenzapfen reif und daher hat er genug Nahrung, um seine Jungen aufzuziehen, zu füttern und ins Erwachsenenalter hinüberzubringen.“

Kreuzschnabel Erlebnis Natur

Berhard Huber

Jungvögel verfallen in Starre um zu überleben

Der Fichtenkreuzschnabel ist an die Winterbedingungen auf verschiedene Art und Weise angepasst, sowohl die erwachsenen als auch die jungen Tiere. Wenn die Jungvögel im Nest sind, können sie in eine Torpidität fallen, das ist „ein physiologischer Ruhezustand, ganz einfach ausgedrückt eine Starre des Körpers. Die Jungen verweilen im Nest, während es hohe Minustemperaturen gibt und werden dann durch die Elternvögel wieder warmgehudert“, so Kleewein.

Dabei wärmt der Elternvogel die Jungen auf, in dem er sich auf auf sie legt. Die Jungvögel erwachen wieder aus ihrer Starre auf und können gefüttert werden. Nicht nur Fichtensamen stehen dabei auf dem Speiseplan, sondern „auch die Samen der Lärche, der Tanne und der Birke. Während der Fütterungszeit nimmt er auch Insekten zu sich und Spinnentiere. Somit bekommen die Jungtiere ein ausgewogenes Nahrungsangebot.“

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Hermann Pirker

Weibchen spendet die ersten 14 Tage Nestwärme

In den ersten 14 Lebenstagen brauchen die Jungen besonderen Schutz. In dieser Zeit sitzt das Muttertier auf den Kleinen und wärmt sie, „weil das die kritische Phase ist. In dieser Zeit fliegt das Männchen zum Weibchen, würgt Nahrung herauf und das Weibchen portioniert diese Nahrung wieder und füttert die Jungvögel. Erst nach dieser Zeit, wenn diese Phase überstanden ist, fliegt auch das Weibchen um Nahrung zu suchen und die Jungvögel gemeinsam mit dem Männchen zu füttern“, so Kleewein.

Auch starker Schneefall mache dem Fichtenkreuzschnabel nur wenig aus: „Die Nester befinden sich in sehr hohen Lagen in den Bäumen. Je strenger der Winter, je höher die Minusgrade desto höher und fester wird das Nest gebaut.“

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Berhard Huber

Vögel „checken“ die Lage schon im Sommer ab

Das Nest wird so positioniert, dass es von den oberen Ästen geschützt bleibt. Somit kann Schnee und Kälte nicht so extrem eindringen. Außerdem überprüft der Fichtenkreuzschnabel schon sehr früh sein Winterquartier. Sie suchen sich Regionen aus, fliegen eventuell schon im August ein, um die Situation abzuschätzen ob das Nahrungsangebot auch zur Brutzeit ausreichend ist, verweilen dann dort und legen dann ihr Nest an. „Mit seinem speziell gebogenen Schnabel ist es ihm möglich, die reifen Zapfen aufzuweiten, die Samen mit der Zunge herauszuholen und den Jungen zu füttern.“

Bei dieser waghalsigen Kletterei krallt er sich mit den Füßen und seinem gekreuzten Schnabel in die Fichtenzapfen oder Äste und hat damit ein zusätzliches Bein zur Verfügung, um sich von Ast zu Ast weiterzuhanteln.

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Berhard Huber

Der gekreuzte Schnabel ist zuerst ganz gerade

Der Fichtenkreuzschnabel hat, wenn er zur Welt kommt, noch einen ganz normalen Schnabel. Der entwickelt sich erst ab dem 40. Tag nach dem der Vogel geschlüpft ist, zu einem Kreuz: „Je nachdem, ob der Schnabel nach rechts oder links gebogen ist, entwickelt sich auch im Laufe des Öffnens von Zapfen die Muskulatur entweder rechts oder links im Gesichtsfeld stärker.“

Um optimale Nahrungsbedingungen vorzufinden, wandert der Fichtenkreuzschnabel herum. Aufgrund seiner Umtriebigkeit ist über sein Zugverhalten noch vieles im Unklaren. Es wurde jedoch beobachtet, dass es „bei Nahrungsknappheit in nordosteuropäischen Populationen zu einem massiven Einflug von Fichtenkreuzschnäbeln nach Mitteleuropa kommen kann oder tiefere Lagen ausgesucht werden, weil vielleicht dort das Nahrungsangebot höher ist.“

Kärntner Bestand schwankt stark

In Kärnten wird der Bestand es Fichtenkreuzschnabels auf 4.000 bis 15.000 Brutpaare geschätzt, sagte Kleewein: „Diese große Spanne erklärt sich, dass wir bei unseren Kartierungen vor der Herausforderung stehen: ist es ein Brutvogel, oder ein Zugvogel aus einer nordöstlichen Population? Da der Fichtenkreuzschnabel theoretisch ganzjährig brüten könnte, ist es dann doppelt so schwierig.“

Aus diesem Grund wird der Bestand in der Hauptbrutzeit zwischen Dezember und April erhoben. Verwunderlich ist, dass ein Vogel der im Winter brütet, so bunt und auffällig ist. „Männchen sind rötlich gefärbt und haben einen roten Bürzel. Weibchen sind gelblich gefärbt und haben einen gelben Bürzel. Jungvögel sind hingegen schlicht grau und entwickeln sich erst im Laufe der Zeit. Man hört ihn früher, als man ihn sieht.“ Deshalb wir er, obwohl er so auffällig gefärbt ist, nicht so schnell von seinen Fressfeinden oder von Menschen entdeckt.