Ein Deutscher 007 packt aus

Was würde James Bond tun, sollte er sich aus den Diensten seiner Majestät zurückziehen? Vielleicht dasselbe wie der deutsche Ex-Geheimagent Leo Martin. Der 41-Jährige trainiert Führungskräfte mit Geheimdienstmethoden und schreibt Bestseller über seine Zeit als deutscher 007.

Zehn Jahre lang war „Leo Martin“ beim deutschen Inlandsgeheimdienst aktiv und hat dort gegen die organisierte Kriminalität ermittelt. Nach seinem Fortbildungsprogramm werden noch heute hunderte Agenten ausgebildet. Er selbst - „Leo Martin“ ist natürlich ein Pseudonym - hat sich schon vor einigen Jahren aus dem Agentengeschäft zurückgezogen und ist europaweit als Referent und Trainer von Führungskräften unterwegs.

Agenten sind echte „Teamplayer“

Wenig überraschend dürfte sein, dass das Leben als Geheimagent nicht in „James-Bond“-Manier abläuft. "Hollywood erzählt uns von diesem Einzelkämpfer, der in Rambo-Manier vorgeht und ganze Häuserzeilen in Schutt- und Asche legt, von Explosionen und Verfolgungsjagden. Die Realität sieht schon ein Stück weit anders aus. In Wirklichkeit ist Geheimdienstarbeit ein Zusammenspiel von Experten in Teams. Wir ziehen kleine Informationspuzzle-Teile aus einem Milieu raus, um am Ende ein großes Bild zu haben.“

Na gut: Schießkugelschreiber sind kein Thema mehr. Aber: „Wenn es um verdeckte Überwachung geht, egal ob das Ton- und Videoaufnahmen oder Fotografie ist, haben wir schon unsere ‚Qs‘ – und nicht nur einen.“ In Geheimdienstkreisen wird es Containerfotografie genannt, wenn z.B. aus einem Aktenordner oder einem Vogelhäuschen gefilmt wird oder Fotos gemacht werden.

„Wir suchen uns den Mitläufer am Rande“

Früher war Martin Kommunikationsexperte und in dieser Funktion zuständig für Verhörtechniken aber auch dafür, Vertrauenspersonen anzuwerben. „Führung und Kommunikation ist das Handwerkszeug, wenn es darum geht, einen Vertrauensmann aus dem Milieu anzuwerben. Die Frage der Rekrutierung ist ziemlich wichtig. Einen Macher, einen Entscheider der Russenmafia, der sehr große eigene egoistische Motive und Interessen hat, den wird man mit Kommunikation nicht anwerben können. Wir suchen uns den Mitläufer am Rande, denjenigen, der einen guten Blick hinter die Kulissen und einen guten Blick ‚nach oben‘ hat. Der aber selbst nicht zu tief mit drin steckt."

„Echte“ Kommunikation und Insiderwissen als A & O

Solche Personen könne man für sich gewinnen, indem man zwei wichtige Regeln beachte. "Es geht erstens immer um absolute Klarheit in der Kommunikation: Der andere muss zu 100 Prozent wissen, woran er ist.

Und wir arbeiten mit Insiderwissen: ‚Ich weiß, was ich in deiner Lagerhalle finde, aber ich setze es nicht ein, um dich zu erpressen, sondern sage: Hey, das interessiert mich gar nicht. Ich habe ein anderes Ziel und du wärst der perfekte Mann dafür. Es ist ein Druck der entsteht, und den anderen dann in meine Arme treibt. Diese Person muss Sicherheit zurückgewinnen, und in dieser ganzen Zeit begegne ich ihm respektvoll auf Augenhöhe, highlighte sein Ego, gewinne ihn für mich und irgendwann beginnt er das alles dann für mich zu tun – für mich persönlich.“

In seiner aktiven Zeit hatte es Martin ausschließlich mit der organisierten Kriminalität zu tun. Russland, den GUS-Staaten, den Ostblock im weitesten Sinne und damit mit den „klassischen Deliktsfeldern“; Drogen, Waffenhandel – früher auch Zigaretten, und Alkoholschmuggel, aber auch der Rotlichtszene und damit der Prostitution. „Nicht zu vergessen sind diese ganzen intelligenteren Betrugsformen, wie etwa das Umsatzsteuer-Betrugs-Karussellen, also wenn über Landesgrenzen hinweg Warenströme vorgetäuscht werden, die aber in der Realität so nicht existieren und man sich dann über die Rückerstattung der Mehrwertssteuer die Kohle aus den Taschen der Bürger zieht.“

Kommunikation folgt immer denselben Gesetzen

Er hat Kriminalwissenschaften studiert, jetzt trainiert Martin Führungskräfte und weiht sie in sein Agenten-Kommunikationswissen ein. „Bei mir geht es immer darum: Wie baue ich Vertrauen auf, wie gewinne ich andere für mich und meine Ziele, meine Produkte, Ideen und Projekte. Das Tolle ist: Überall wo Menschen miteinander kommunizieren, herrschen dieselben Gesetze. Die Methoden, die wir beim Geheimdienst ‚schlechtwetter-getestet‘ haben, funktionieren genauso in der Führung, wenn ich es als Chef mit meinen Mitarbeitern zu tun hab, zwischen Kollegen untereinander oder wenn ich im Verkauf arbeite und einen Kunden gewinnen möchte.“

Es gehe immer um zwei Grundbedürfnisse: Sicherheit - „der andere muss wissen, woran er ist – wofür stehst du? Wenn ich dich z.B. buche, was kriege ich? Den besten Preis, das beste Service? Die höchste Qualität im Produkt, oder Mainstream? Das zweite Grundbedürfnis lautet Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. In Schönwetter-Situationen ist das relativ einfach umzusetzen. Spannend wird es, wie gehe ich mit dem Respekt-Thema um, wenn Spannung und Druck aufkommt. Hier kann man mit sehr einfachen Tools sehr viel Land für sich und für seine Ziele gewinnen.“

Macher, Analyst, Kontakter oder Visionär?

In den Persönlichkeitsentwicklungs-Trainings und Seminaren, wie sie Leo Martin heute anbietet, werden grundsätzlich vier Persönlichkeitstypen unterschieden: Macher, Analyst, Kontakter oder Visionär. Leo Martin: „Das ist ein sehr wirksames Tool, das sogenannte Personality-Profiling unterscheidet eine Handvoll Typen. Das spannende ist, zu erfahren, woran erkenne ich die einzelnen Typen? Und dann auch zu wissen, welche Kommunikationsstrategie ist genau bei diesen Typen die cleverste, mit der ich meine Ziele am besten erreichen kann?"

Großes Ego versus Beziehungssucht

Auf ganz wenige Worte heruntergebrochen funktioniert es so: den Macher-Typ erkenne ich daran, dass er sehr schnell und pragmatisch entscheidet. Er ist Sach-, Leistungs- und Erfolgsorientiert und hat ein sehr großes Ego. Das merkt man auch im Umgang. „So einen überzeuge ich am schnellsten, wenn ich ihm beschreibe, zeige, wie er mit mir schneller erfolgreich wird. Habe ich im Gegenzug einen Kontakter-Typen: der will schon auch erfolgreich sein, aber sagt: Hey, wir haben es auch mit Menschen zu tun.“

Ihm sei der schnelle Erfolg nicht so bedingungslos wichtig wie dem Macher. „Der braucht mehr Zeit, um gesehen zu werden, wie er ist, möchte auch dich als Gegenüber mehr begreifen – hier ist das Investment auf der Beziehungsebene. Es ist ein Modell, das sehr pragmatisch und deshalb auch alltagstauglich ist.“

Wer ist „Leo Martin“?

Er selbst sei ein absoluter Macher-Typ mit ein paar Kontakter-Anteilen. "Was in meinem Leben nicht stattfindet, ist alles, was mit Analytik zu tun hat: Zahlen, Daten, Fakten oder Details interessieren mich nicht. Leo Martin ist der Mann fürs Grobe.“

Analytiker brauchen Details...

Für einen Analytiker sei der Weg des Kontakters auf der Beziehungsebene der Weg ins Aus, das fühlt sich für ihn an wie überflüssige Gefühlsduselei, das braucht der nicht. Der folgt einer sehr strengen eigenen inneren Logik, ist ein Risikovermeider, denkt sehr stark in Abhängigkeiten und stellt sehr viele Fragen, hinterfragt sehr viel. Den überzeuge ich am besten, indem ich gut vorbereitet bin, viele Details liefern und in die Tiefe gehen kann. Den überzeuge ich am besten, wenn ich Zahlen, Daten und Fakten liefern kann."

... Visionäre den Weitblick

Der Visionär interessiere sich nicht für zu viele Details, "der sieht das große Ganze, mit einem großen Abstand – das ist ein Typ, der sehr offen, sehr begeisterungsfähig ist aber auch sehr leicht abzulenken. Wenn ich diese Typen erkenne, die überall in meinem Alltag um mich herum sind, dann weiß ich auch, wie ich mich auf sie einstellen kann, um meine Ziele leichter zu erreichen.“

Der ehemalige Geheimagent arbeitet - ganz Macher – gerade an einem neuen Buch. Sein bisher erfolgreichstes blieb ein Jahr lang auf der Spiegel-Bestseller-Liste: „Ich krieg dich – die Kunst, Menschen zu gewinnen“ wird Martin noch einmal neu überarbeiten, das einzige, was gleich bleiben wird, ist der Titel. „Ganz einfach, weil ich den geil finde.“

Die Inhalte werden sehr viel tiefer – das wird das Buch „von dem der Geheimdienst nicht will dass sie es lesen.“

Echte Geheimnisse bleiben gewahrt

Nicht erst, als er ausgestiegen ist, sondern schon als er beim Geheimdienst begonnen hat, musste Martin unterschreiben, die Geheimnisse der Organisation zu wahren. „Das sind auch gesetzliche Regelungen, was ein Agent verraten darf, worüber er sprechen darf und worüber nicht, das ist glasklar geregelt. Das betrifft immer Zahlen, Daten und Fakten sowie konkrete Fälle. Sobald ich diese abstrahiere und in allgemeiner Form davon spreche, ist das gut möglich, solange kein Rückschluss auf die handelnden Personen möglich ist. Davon leben meine Bücher – es sind echte Geschichten, die ich genauso erlebt habe. Dadurch gibt es Spannung und Thrill, trotzdem bewegen wir uns auf der legalen Seite der Macht.“

Buchautoren sind die wahren Einzelkämpfer

Rückblickend betrachtet sei seine Agentenzeit „toll“ gewesen. Aber das einzige was er vermisse sei „sein tolles Team. „Ich bin allein unterwegs, verbringe 200 Nächte im Hotel, viele Kilometer auf der Straße oder auf der Schiene oder irgendwelchen Flugzeugen und fühle mich wie ein Einzelkämpfer – also fast wie das Klischee in Hollywood. Damals, das Zusammenarbeiten im Team, Leute zu haben, auf die du dich verlassen kannst, wo man kommentarlos miteinander funktioniert, das ist ein Aspekt, den ich sehr vermisse.“