Kultur der Landler stirbt langsam aus

Seit 2005 ist die Kärntner Soziologin Marlene Petritsch in Rumänien unterwegs, um die Geschichte der protestantischen Landler in Siebenbürgen zu erforschen. Daraus entstand ein Buch, das eine langsam sterbende Kultur zeigt.

Als Landler werden die Protestanten bezeichnet, die unter Karl VI. und Maria Theresia in der Zeit von 1734 bis 1756 nach Siebenbürgern auswandern mussten. Es war damals das einzige Gebiet der Habsburgermonarchie, in dem der Protestantismus geduldet wurde.

Mehrfach nach Rumänien gefahren

Marlene Petritsch führte Gespräche mit den wenigen Bewohnern des einst wohlhabenden Ortes Großpold mitten in Rumänien, viele Landler stammen auch aus Kärnten. Zwei Männer hätten ihr bei der Arbeit sehr geholfen, der unorthodoxe Soziologe und ihr Doktorvater Roland Girtler, sowie der Kärntner Franz Wiedermann, der seit den 1990er-Jahren mit der Landlerhilfe die letzten ihrer Kultur unterstützt. „Roland Girtler hat damals gesagt, wenn man sich das anschauen möchte, muss man unbedingt mitfahren. Das habe ich gemacht, bin 2005 hinuntergefahren und es hat angefangen, mir zu gefallen.“

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LIT Verlag

Großpold - Alltagsleben in einem siebenbürgisch-deutschen Dorf. Feldforschung Band 9, LIT Verlag, Wien

„Ohne Offenheit geht gar nichts“

Später habe sie Girtler dann herumziehen lassen, denn ein Feldforscher müsse allein durch Stadt und Land fahren. „Ich habe mir die Kultur, das Leben der Landler und Sachsen angeschaut und daraus ist dann eine Arbeit entstanden.“ Aus unserer Sicht scheint die Zeit in dem Dorf vor 50 oder 60 Jahren stehen geblieben zu sein. Von einem Gespräch zum anderen bekam Petritsch immer neue Kontakte genannt. Wichtig sei die Offenheit, ohne die gehe gar nichts. Das mache die Feldforschung aus.

Marlene Petritsch lernte dort diejenigen der einst weit über tausend Deutschstämmigen kennen, die hier gelebt haben, mit ihrer Kultur, ihrem Alltag und ihrer Sprache. Eine Landlerin erzählt, es habe sich nicht viel verändert, es sei nur schlechter geworden. Nach der Revolution seien die Leute weggegangen, die Alten seien hier geblieben. oder auch jene, die niemanden mehr haben.

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Marlene Petritsch

Wie in eine andere Zeit versetzt

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Marlene Petritsch

Ein typischer Landlerhof

„Mit Fragebogen hätte ich nichts erfahren“

Mehrere Jahre lang fuhr Marlene Petritsch immer wieder nach Siebenbürgen und lernte den Alltag im Dorf kennen. Trachten, Bräuche, die sich bis aus dem 18. Jahrhundert bis heute hielten, als die Landler wegen ihres protestantischen Glaubens aus der Heimat in Österreich vertrieben wurden. „Man geht mit, hilft hier und dort, auch bei der Kartoffelernte. Wenn ich als Wissenschaftlerin mit einem Fragebogen hingegangen wäre, hätte ich gar nichts erfahren.“

Acht Jahre befasste sich Marlene Petritsch mit dem Leben der Landler in Großpold. Beinahe wäre die Dissertation gescheitert - im Zug zurück nach Österreich. Offenbar wurde sie beobachtet und jemand wollte ihre Forschungsgeräte haben: „Ich kann mich erinnern, ich bin dem Dieb übers Gleis nachgelaufen, auch Professor Girtler.“ Computer, Aufnahmegerät, Handy wurden gestohlen. Einen Teil des Diebsgutes bekam sie zurück, Unterlagen zur eigentlichen Arbeit musste sie aber neu zusammentragen.

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Marlene Petritsch

Einfaches Leben für die vielen vorwiegend alten Menschen

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Marlene Petritsch

Früher wurden Dorfangelegenheiten besprochen

Pitter, Glatz, Stieger, Sonnleitner: Die Namen der Landler von Großpold könnten auch die Namen in einem Kärntner Dorfes sein. Sie sprechen auch noch Deutsch, doch die Jungen sind weggezogen aus Großpold. Eine Landlerin erzählt, im Winter habe man immer Fasching gefeiert, bei den Nachbarn habe man sich zusammengesetzt und Dorfangelegenheiten besprochen. Gab es Streit, musste es eine Versöhnung geben.

So klingt die Sprache in Großpold:

Manche kamen auch wieder zurück

Die Geschichte hat viele Seiten. Zum Beispiel schicken rumänische Eltern ihre Kinder in die Deutsche Schule, damit sie mit einer zusätzlichen Sprache bessere Chancen haben. besser weiterkommen. Marlene Petritsch beschreibt die Geschichte der Menschen, die sich nicht in den Westen aufmachten, aber auch der wenigen, die nach einem Auswanderungsversuch wieder zurückkamen. „Das ist der Seppi, der von Deutschland zurückgegangen ist, weil er die Freiheit in Siebenbürger mehr gehabt hat, als in Deutschland“, so Petritsch.

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Marlene Petritsch

Bilder aus Großpold

„Kultur ist im Untergehen“

Die Soziologin erzählt von Pfingstbräuchen, Erntedank, Trauerfeiern, dem kirchlichen Leben in der evangelischen Gemeinde, dem Miteinander mit Rumänen und Roma. Von der harten Arbeit der Bauern aber auch von den Volksliedern und von Schnaps und Wein: „Das ist natürlich auch mit den langen Nächten verbunden. Wenn man eine Herzlichkeit und Offenheit hat, ist der Kontakt leichter, man wird eingeladen.“

Wie lange wird es die Kultur noch geben? Der lokale Pfarrer habe ihr erzählt, dass er nach der Öffnung der Grenzen gedacht habe, die Kultur werde bald nicht mehr bestehen, so Petritsch. Sie sei sicher im Untergehen.