Immer mehr Bedarf an Time-out-Gruppen

An Kärntner Volksschulen und Neuen Mittelschulen gibt es mittlerweile 34 Time-out-Gruppen. Hier werden bis zu sechs Kinder unterrichtet, die vor allem Probleme im sozial-emotionalen Bereich haben und in großen Gruppen nicht zurechtkommen.

Marcel ist acht und hat unkontrollierbare Wutanfälle, er wirft mit Gegenständen und schreit die Lehrerin an. Wenn er in Wut gerät, ist ein normaler Unterricht unmöglich, er muss Zeit und Ruhe haben, um sich wieder zu beruhigen. Der zwölfjährige Paul ist Asperger-Autist, sehr geräuschempfindlich und scheu. Er kommt in einer großen Gruppe von Kindern nicht zurecht und braucht besondere Zuwendung. Ein anderer Bub hat eine Konzentrationsschwäche, ein Mädchen ist hyperaktiv.

Solche und ähnliche Geschichten haben alle Kinder, die in Time-out-Gruppen unterrichtet werden. Zwei Pädagogen, oft mit sonderpädagogischer Ausbildung, sind für bis zu sechs Kinder verschiedener Altersstufen zuständig.

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Die Mehrzahl der Kinder in Time-out-Gruppen sind Buben

Kleingruppen mit allen Altersstufen

Auch in den Neuen Mittelschulen werden die Kinder in allen Gegenständen von zwei Pädagoginnen unterrichtet, fast wie in einer Dorfschule. Dabei gibt es engen Austausch zwischen den Stammklassen und den Time-out-Gruppen. Der Lehrstoff ist derselbe, die Benotung der Schularbeiten erfolgt in Absprache zwischen Time-out und Stammlehrern. Ziel ist es in jedem Fall, das Kind wieder in die Stammklasse zu integrieren, doch nicht bei allen ist das möglich.

Intensive Fortbildung für Lehrer

Daniela Gasser vom Überregionalen Pädagogischen Beratungszentrum für Verhalten in Kärnten (ÜR PBZ Verhalten) ist zusammen mit Leiterin Elisabeth Zobernig für alle 34 Gruppen an den Kärntner Schulen verantwortlich. Die ersten Time-out-Gruppen gab es 2006, mit der Schließung der Sonderschule Harbach und Sondererziehungsschule Görtschach 2014 wurden es sprunghaft mehr, derzeit sind es 34.

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Jedes Kind soll nach seinen Möglichkeiten gefördert werden

Man suche laufend nach geeigneten Pädagogen, sagte Gasser: „In den nächsten Jahren gehen einige in Pension, wir suchen aktiv nach Lehrern, die empathisch sind und Herz haben. Eine sonderpädagogische Ausbildung ist von Vorteil, muss aber nicht unbedingt sein.“ Früher dauerte die reine sonderpädagogische Ausbildung drei Jahre, zwischenzeitlich wurde sie in die „Lehrerausbildung neu“ inkludiert.

Weiterbildung in der Freizeit

Die Lehrer werden daher von einem Beratungsteam unterstützt und müssen Fortbildungen machen, die über die Fortbildungspflicht hinausgehen. Allerdings müssen die Seminare in der Freizeit absolviert werden, an Wochenenden oder in Ferien. Die Vorträge werden von Ärzten, Polizisten, der Jugendwohlfahrt und auch Juristen gehalten und decken viele Themenbereiche ab. „Am wichtigsten ist in diesem Bereich eine gute Vernetzung“, so Gasser.

Bedarf steigt weiter

Gasser sagte, die Lehrer in diesem Bereich brauchen viel Einsatzwillen und Flexibilität. Einige Lehrer kommen aus dem Bereich der Sonderschulen bzw. Sondererziehungsschulen. Sie bringen viel Erfahrung mit, die dringend benötigt werde. „Die Kinder, die intensivere Betreuung brauchen, werden mehr. Einerseits schaut man heute genauer hin, andererseits ist auch die Diagnostik um einige Störungsbilder erweitert worden.“

Die weitaus meisten Kinder haben Probleme mit dem Sozialverhalten, manchmal gemeinsam mit Lernstörungen, z. B. Teilleistungsschwächen im Lesen oder Rechnen. Integration funktioniert in einer großen Klasse daher nur bedingt.

„Schulen müssen adaptiert werden“

Laut UNO-Behindertenrechtskonvention müssen bis 2020 Sonderschule durch Inklusion ersetzt werden. Wo aber Inklusion oder Integration nicht optimal funktioniert, ermöglichen die Time-out-Gruppen Kindern mit Störungen und in Krisensituationen, etwa in der Familie, einen geschützten Lernbereich. Die Kinder werden ganztägig betreut. So braucht jede Time-out-Gruppe idealerweise auch einen extra Raum, in dem sich Kinder zurückziehen und beruhigen können. „Es werden einige Schulen adaptiert und umgebaut werden müssen, denn der Bedarf wird größer“, so Gasser.

Soziale Förderung im Mittelpunkt

Die Aufnahme in eine Time-out-Gruppe unterliegt klaren Vorgaben und muss beantragt werden, da die Zahl der Schüler auf sechs begrenzt ist. Sie werden speziell gefördert, sollen sozialen Umgang, Kommunikation und Umgang mit schwierigen Situationen, wie etwa Mobbing, lernen. Ein Team von Lehrern, Fachleuten und Ärzten bespricht in regelmäßigen Abständen die Fortschritte und was man noch tun könne, um den Kindern eine Eingliederung in eine Regelklasse zu erleichtern. Das alles - wenn möglich - in engem Kontakt mit den Eltern.

Die Time-out-Standorte müssen jedes Jahr erneut mit dem Land verhandelt werden, Gasser hofft, dass es künftig möglich sein werde, über einen längeren Zeitraum Planungssicherheit zu bekommen. Sie würde sich außerdem über jeden engagierten Lehrer freuen, der sich für den Bereich Time-out interessiert und Interesse hat, mit herausfordernden Kindern zu arbeiten und ihnen damit mehr Zukunftschancen zu bieten.

Petra Haas, kaernten.ORF.at

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