Keine Wissenschaftler-Visa für Ephesos

Die Verstimmungen zwischen Österreich und der Türkei haben die Wissenschaft voll erfasst. Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts, darf ihre Arbeit in der antiken Stadt Ephesos in der Türkei nicht fortsetzen.

Seit 120 Jahren graben und forschen österreichische Archäologinnen und Archäologen in der antiken Stadt Ephesos. In einem normalen Jahr wäre derzeit rund um die Ruinen wissenschaftlicher Hochbetrieb, heuer aber herrscht Ruhe. Denn Ephesos liegt in der Türkei, und die Verstimmungen zwischen Österreich und der Türkei haben die Wissenschaft voll erfasst - mit Konsequenzen für die Archäologie.

Ephesos-Statue vor Transport

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Ephesos-Statue

Keine Forschungsvisa mehr für Österreicher

Österreichische Archäologen bekommen laut Ladstätter keine Forschungsvisa mehr. Dem Projekt drohen dadurch Mittel verloren zu gehen, weil auch europäische Geldgeber abgeschreckt werden. Ladstätter befasst sich seit mehr als 20 Jahren mit Ausgrabungen in Ephesos. Seit sieben Jahren leitet die 48 Jahre alte Archäologin die Grabungen mit rund 100 Mitarbeitern. „Der Status quo ist der, dass wir weiterhin Lizenzgeber dieser Grabungen sind, eben aber aufgrund der fehlenden Arbeitsgenehmigungen noch nicht beginnen konnten.“

Eigentlich wollte das hunderköpfige Team um Ladstätter bereits im Mai beginnen, nun ist es bald Ende Juni und es könnte sein, dass heuer zum ersten Mal seit vielen Jahren Schaufeln, Spitzhacken und Analysegeräte ruhen. Die Zeit laufe ihnen davon, so Ladstätter, die es bedauert, dass die Wissenschaft zu einem außenpolitischen Fauspfand geworden sei. Die Blockade heiße für die Wissenschaftler ganz konkret, dass weder Ephesos noch Limyra durchgeführt werden könnten aber auch keine Kooperationsprojekte mit türkischen Partnern. Ladstätter: „Auch mich hat es getroffen. Ich bin auf einer amerikanischen Liste in der Nähe von Ephesos und habe leider kein Forschungsvisa erhalten.“

Langfristige Auswirkungen zu befürchten

Für die heimische Archäologie ist das nicht nur momentan eine bedauerliche Situation, sie könnte langfristige Auswirkungen haben. Momentan werden Forschungsanträge zum Thema Ephesos insbesondere von europäischen Geldgebern abgelehnt, berichtet Ladstätter. Begründung: Es sei zu unsicher, ob die Vorhaben umgesetzt werden können. „Das ist zu befürchten, dass internationale Einrichtungen und Universitäten natürlich mit den türkischen Kollegen gemeinsam große Projekte entwickeln und österreichische Wissenschaftler nicht in die Teams aufnehmen, weil das Risiko zu groß ist, dass man uns eben immer ablehnt.“

Ephesos-Statue vor Transport

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Wissenschaft aus Tagespolitik heraushalten

Trotzdem hat Ladstätter noch Hoffnung, schließlich sei Österreich die Lizenz nicht gänzlich entzogen, was die Ärchäologin als Signal für Gesprächsbereitschaft deutet. Es müsse gelingen, Wissenschaft aus der Tagespolitik herauszuhalten - wie hoch die Chancen dafür sind, möchte die Forscherin nicht kommentieren.

(Text: Ö1/Elke Ziegler)

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