Letzter Prozesstag im BZÖ-Prozess

Im Untreueprozess um die BZÖ-Wahlkampfbroschüre 2009 am Landesgericht Klagenfurt gab es am Donnerstag die Plädoyers. Die Staatsanwaltschaft forderte Schuldsprüche, die Verteidigung plädierte teils für Freisprüche und teils für milde Urteile.

Oberstaatsanwalt Eberhard Pieber forderte Schuldsprüche für alle vier Angeklagten. Die Verteidiger von Stefan Petzner und Harald Dobernig - die beide Geständnisse abgelegt hatten - baten um milde Urteile, für Gerhard Dörfler und Uwe Scheuch verlangten die Anwälte Freisprüche vom Vorwurf der Untreue.

„Beispiel für wirtschaftliche Korruption“

Pieber meinte zur von Dörfler letztlich gestandenen versuchten Vorteilsnahme, die Angelegenheit sei „ein Beispiel das zeigt, wie wirtschaftsfeindlich Korruption ist“. Bezüglich der Wahlbroschüre erklärte der Ankläger, es sei eindeutig, dass alle sechs ursprünglich Angeklagten an der Herstellung der Broschüre mitgewirkt hätten, das sei auch notwendig gewesen, damit alles so klappt: „Wenn nur einer aufgestanden wäre und gesagt hätte, ‚Was soll das?‘, hätte es nicht funktioniert.“

Nach Erscheinen der Broschüre hätte niemand Petzner dafür gerügt, dass er das Falsche gemacht hätte. Statt dessen habe man die Vorgangsweise gedeckt, und als Probleme aufgetreten seien, vereinbart, zu behaupten, es sei von vorneherein geplant gewesen, dass das BZÖ die Rechnung bezahlt. Er verlangte eine „angemessene Bestrafung“.

Ersatzforderung der LIG

Für die Landesimmobiliengesellschaft LIG forderte Rechtsanwalt Bernhard Fink den Ersatz von fast 323.000 Euro, wovon das BZÖ knapp 120.000 Euro rückerstattet hatte. Daher habe die LIG einen Schaden von 203.000 Euro, den sie erstattet haben wolle. Das Land Kärnten verlangte rund 6.000 Euro von dem Geld zurück, das Scheuch und Dörfler aus ihren Referaten für die Broschüre überwiesen hatten.

Petzners Anwalt Ferdinand Lanker betonte, dass Fehlverhalten bestraft werden müsse. Wer seinen Job mit Begeisterung mache, dem unterliefen auch Fehler. Doch für seine Fehler auch geradezustehen, erfordere Mut und sein Mandant habe diesen Mut bewiesen und Verantwortung übernommen. Petzner habe die Broschüre mit Begeisterung gemacht, er sei Projektleiter gewesen, für die finanzielle Gebarung sei er aber nicht verantwortlich gewesen.

Wahlkampf- statt Landesbroschüre

Angeklagt sind die ehemaligen Regierungsmitglieder Dörfler, Scheuch, Harald Dobernig und Stefan Petzner. Die Broschüre ging vier Tage vor der Landtagswahl 2009 an 220.000 Kärntner Haushalte: Sie war im Stil des damaligen BZÖ-Wahlkampfs gehalten und wurde mit öffentlichen Mitteln bezahlt. Laut Anklage geht es für das Land um einen Schaden von 219.000 Euro - mehr dazu in Prozessauftakt: Ex-Politiker wegen Untreue vor Gericht.

„Mit zweiterlei Maß gemessen“

Dörflers Verteidiger Gunter Huainigg begann sein Plädoyer damit, dass er sich damals über die Wahlbroschüre geärgert habe. Allerdings gebe es viele andere ähnlich gelagerte Fälle, wo teilweise sehr viel mehr Geld ausgegeben worden sei und es keine Verfahren gegeben habe. Hier werde offenbar mit zweierlei Maß gemessen. Huainigg meinte, es sei ein wenig untergegangen, dass Dörfler das Amt des Landeshauptmannes übernehmen habe müssen. Dörfler sei „in das Haifischbecken der Politik gestoßen worden“, die Broschüre sei ein „Betriebsunfall“ gewesen, Tatplan habe es keinen gegeben. Er forderte einen Freispruch von beiden Vorwürfen, auch jenem der versuchten Vorteilsnahme.

Gerhard Dörfler Gunter Huainigg

APA/Daniel Raunig

Anwalt Gunter Huainigg und Gerhard Dörfler

„Scheuch hatte mit Broschüre nichts zu tun“

Ulrike Pöchinger wies darauf hin, dass Uwe Scheuch mit der ganzen Erstellung der Broschüre nichts zu tun gehabt habe. Petzner selbst habe ausgesagt, dass Scheuch die Broschüre nicht gekannt hätte. „Mein Mandant hat nicht gewusst, was Petzner anrichtet.“ Pöchinger bestritt kategorisch, dass der LIG irgendein Schaden entstanden sei, sie habe lediglich Geld der anderen Landesgesellschaften verwaltet. Pöchinger wiederholte ihre Argumentation, dass dem Land statt eines Schadens ein Werbewert entstanden sei. Sie forderte einen Freispruch für Scheuch und im Eventualfall eine Diversion, immerhin sei ihr Mandant bezüglich der Zahlung der 5.000 Euro aus seinem Referat zu seiner Verantwortung gestanden.

„Politischer Prozess“

Leopold Wagner, Anwalt von Harald Dobernig, erklärte, es handle sich um einen politischen Prozess bezüglich Vorfällen, die es in dieser oder jener Form sehr oft gebe. Sein Mandant trage zwar Mitverantwortung, sei aber sicher nicht im Zentrum gestanden, es habe auch einen „allumfassenden Tatplan“ sicher nicht gegeben. Dobernig habe ein reumütiges, und sofern es seinen unmittelbaren Bereich betreffe, auch umfassendes Geständnis abgelegt. Dobernig habe auch eingesehen, dass die Broschüre in dieser Form nicht hätte produziert werden dürfen. Wagner verglich das Ausmaß der Berichterstattung über die Causa mit dem mittelalterlichen Pranger, was auch bereits eine Form von Strafe sei. Die Ansprüche der LIG wies Wagner - wie alle Anwälte - zurück. Er beantragte einen teilweisen Schuldspruch ohne Zusatzstrafe.

Entschuldigung von Petzner

Die Schlussworte der Angeklagten fielen teilweise recht umfangreich aus. Petzner entschuldigte sich für den finanziellen Schaden, den das Land Kärnten und die Steuerzahler erlitten hätten, wollte aber festgehalten wissen, dass er sich niemals bereichert habe, dankte seiner Familie, seinem Anwalt und auch dem Richter.

Dörfler unterstrich, keine bösen Absichten gehegt zu haben, die Sponsoring-Anfrage sei aber ein Fehler gewesen. Mit der Broschüre habe er nichts zu tun gehabt. Er bedauere die Angelegenheit zutiefst,, wisse aber nicht, was er gestehen solle.

Dobernig will mit Vergangenheit aufräumen

Scheuch meinte, ein Schlussplädoyer eines Angeklagten könne nur eine eigene Retrospektive sein. Sein Thema sei die Glaubwürdigkeit, die durch die gemeinsam gefundene Schutzbehauptung stark erschüttert sei. Dass das retrospektiv falsch war, sei klar.

Dobernig verwies darauf, dass er schon vergangenes Jahr einen Großprozess erleben habe müssen und seine Strafe bekommen habe. Doch er wolle mit seiner Vergangenheit aufräumen, es seien Fehler passiert, einen Tatplan bestreite er aber nach wie vor. Dobernig bat den Schöffensenat darum, von einer Zusatzstrafe abzusehen. Danach zog sich der Schöffensenat zur Beratung zurück.

Zu Beginn Rüge für Gericht

Mit einer Rüge wegen der Bestellung des beisitzenden Richters Gernot Kugi durch den Verteidiger von Kärntens Altlandeshauptmann Gerhard Dörfler, Gunter Huainigg, begann der Prozesstag am Vormittag. Huainigg hatte bemängelt, dass eine ganze Reihe von Richtern des Landesgerichts vor Kugi als Beisitzer gereiht gewesen wären. Richter Christian Liebhauser-Karl wies die Rüge zurück, er habe im Vorfeld von allen vor Kugi gereihten Richtern schriftliche Erklärungen erhalten, warum sie am Prozess als Beisitzer nicht teilnehmen könnten. Huainigg behielt sich daraufhin vor, Nichtigkeitsbeschwerde einzulegen.

Platz machen für den Hypo-Prozess

Der Schöffensenat musste außerdem in einen kleineren Saal umziehen, da der Schwurgerichtssaal für den Hypo-Prozess gebraucht wurde. Das Publikums- und Medieninteresse war groß, der Saal entsprechend überfüllt. Der erste Zeuge, ein ehemaliger Mitarbeiter von Uwe Scheuch, hatte es verabsäumt, sich von der Verschwiegenheitspflicht entbinden zu lassen, auf seine Aussage wurde einvernehmlich verzichtet.

BZÖ Fortsetzung Prozess Urteilstag

APA/Daniel Raunig

V. l.: Stefan Petzner, Gerhard Dörfler, Uwe Scheuch und Harald Dobernig

Wenig Neues bei letzter Befragung

Die Vernehmung der letzten geladenen Zeugen brachte keine zusätzlichen Erkenntnisse. Befragt wurden etwa Ex-Mitarbeiter des angeklagten Altlandeshauptmannes Dörfler. So sprach dessen damalige Büroleiterin von der damals herrschenden „Ausnahmesituation“, nachdem Dörfler Landeshauptmann geworden war. Sie hatte jenen Regierungsakt bearbeitet, in dem vom Büro Dörfler 5.000 Euro als Kostenbeitrag für die Broschüre an die Landesimmobiliengesellschaft (LIG) bewilligt worden waren. Sie sagte, sie habe gewusst, dass es um die Umgestaltung einer Werbebroschüre gegangen sei. Warum die LIG als Liegenschaftsverwaltung das Projekt umsetzte, habe sie nicht hinterfragt.

Ein ehemaliger Pressesprecher Dörflers sagte zum Thema Sponsorbeiträge von Firmen bei Eröffnungsfeiern ebenso aus wie zur Anschaffung von Spaten, Warnwesten, Arbeitshandschuhen und Ähnlichem. Zum Bauprojekt Loibltunnel, das Dörfler die Anklage wegen Vorteilsnahme einbrachte, konnte er nichts sagen. Wie schon die Büroleiterin Dörflers bestritt auch er, dass ein „Klima der Angst“ geherrscht hätte.

Zeuge: Großaufträge wurden gesplittet

Ein Mitarbeiter aus dem Bereich Straßenbau berichtete bei der Befragung durch Richter Liebhauser-Karl, er habe von einem Kollegen erfahren, dass ihm der Bauleiter des Loibltunnel-Projekts von dem Sponsoringanruf Dörflers erzählt hatte. Es ging um ein Prozent der Auftragssumme von 1,2 Millionen Euro. Der Richter fragte: „Hat Sie das überrascht?“ Der Zeuge meinte, es habe Gerüchte gegeben, dass von den Firmen gezahlt werden musste, entweder mit Sachleistungen oder Geld.

Der Vorgang, den der Kollege ihm geschildert hatte, sei aber „außergewöhnlich“ gewesen. Er habe seinem Kollegen jedenfalls gesagt, das Land könne die geforderten ein Prozent auf keinen Fall „auf Umwegen“ finanziell kompensieren. Er berichtete zudem von Weisungen Dörflers, dass etwa ein Großprojekt in kleinere Aufträge gesplittet werden müsse, die Fachabteilung hatte sich strikt dagegen ausgesprochen. Auch er war gegen seinen Wunsch versetzt worden.

Richter durfte Fragen nicht stellen

Vernommen wurde auch jener Abteilungsleiter, der bezüglich der Straßenbauvergaben von einem Kollegen belastet worden war. Er soll Aktenvermerke verfasst haben, die dem politischen Willen Dörflers entsprochen hätten. Dazu konnte der Richter ihn aber nicht befragen, da dieses Verfahren ausgeschieden wurde. „Ich hätte viele Fragen an Sie, aber die darf ich Ihnen nicht stellen“, so Liebhauser-Karl. Auch eine anschließend vorgenommene Gegenüberstellung zweier Zeugen verlief unspektakulär. Diese war von der Verteidigung beantragt worden.

Juristisches Scharmützel folgte

Danach entwickelte sich ein juristisches Scharmützel zwischen Oberstaatsanwalt Eberhard Pieber und Dobernigs Verteidiger Leopold Wagner um einen Eventualantrag Piebers, bevor der Richter zu den Verlesungen schritt. Danach schloss sich die Landesimmobiliengesellschaft als Privatbeteiligter dem Verfahren an, und zwar über eine Summe von gut 200.000 Euro plus Zinsen gegen alle vier Angeklagten. Bei dieser Summe sei der von den Freiheitlichen bezahlte Anteil an der Broschüre bereits abgezogen. Die Angeklagten erkannten diese Beträge nicht an. Die Plädoyers wurden für die Mittagszeit angekündigt.

Zwei Geständnisse zu Wahlbroschüre

Gestalter Petzner und Dobernig, damals Finanzlandesrat, gestanden bald nach Prozessbeginn, dass die Broschüre bewusst für Parteiwerbung genutzt werden sollte - mehr dazu in Wahlkampfbroschüre: Nach Petzner gesteht auch Dobernig. Dörfler und Scheuch steuerten jeweils 5.000 Euro aus ihren Regierungsreferaten bei, sagten aber, die BZÖ-nahe Gestaltung hätten sie vor dem Versand nie gesehen - mehr dazu in Untreue: Nach Dörfler bekennt sich auch Scheuch nicht schuldig.

Ein Urteil soll es auch beim Vorwurf der Vorteilsnahme geben, der allein Dörfler betrifft. Er gab am Montag zu, eine Baufirma 2004 im Zuge der Sanierung des Loibltunnels um ein bis drei Prozent der Auftragssumme als „Sponsoring“ für Verkehrssicherheit ersucht zu haben - mehr dazu in BZÖ-Prozess: Geständnis von Dörfler. Das Geständnis gilt wie auch die lange Verfahrensdauer als wesentlicher Milderungsgrund.

Anklage gegen Dörfler ausgeweitet

Dörfler droht darüber hinaus aber weiteres Ungemach: Ein hochrangiger Beamter sagte vergangene Woche aus, bei Auftragsvergaben von Straßenbauprojekten habe Dörfler in mehreren Fällen Beamte zu Umreihungen der Bieter angewiesen, und zwar zugunsten politisch genehmer Baufirmen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft listete vorerst acht möglicherweise betroffene Bauprojekte auf und geht von mindestens 300.000 Euro Schaden aus. Die Anklage gegen Dörfler wurde auf Untreue und Missbrauch der Amtsgewalt ausgeweitet.

Diese Vorwürfe waren am Donnerstag kein Thema: Die Staatsanwaltschaft will sämtliche Vergabeverfahren in Dörflers zwölfjährigen Amtszeit als Straßenbaureferent prüfen, das sind mehrere tausend Verfahren. Dörfler selbst hat mittlerweile politisch Konsequenzen gezogen, er legte sein Mandat als FPÖ-Bundesrat zurück - mehr dazu in Anklage ausgeweitet: Dörfler tritt zurück.