Landwirtschaftskammer verteidigt Glyphosat

Grenzwertüberschreitungen bei Glyphosat in einem Kärntner Wald regen auf. Der betroffene Großgrundbesitzer beschwichtigt: Greenpeace habe die Proben nicht richtig gezogen. Die Landwirtschaftskammer verteidigt das Unkrautvernichtungsmittel als wenig aggressiv.

Zur Vorgeschichte: Anrainer eines frei zugänglichen Waldstücks in Linsenberg (Gemeinde Poggersdorf) beobachteten die Ausbringung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat und informierten neben den Umweltschützern auch den Bürgermeister der Gemeinde.

Glyphosateinsatz Kärntner Wald

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Im Oktober wurden von Greenpeace sechs Proben genommen, das Ergebnis: 500-fache Grenzwertüberschreitungen. Ein kleines Kind würde mit fünf Beeren die erlaubte Tagesdosis erreichen - mehr dazu in Hohe Glyphosatwerte in Waldfrüchten (kaernten.ORF.at; 21.11.2016).

Trostloses Bild bei Lokalaugenschein

Bei einem Lokalaugenschein in besagtem Wald in Linsenberg bot sich ORF-Kärnten-Redakteur Konrad Weixelbraun ein eher trostloses Bild: In den Sommermonaten sollen in dem Wald in Linsenberg große Mengen des Pflanzengiftes aus einem Tankanhänger mittels Schlauch aufgebracht worden sein.

Von den Anrainern wollte niemand namentlich genannt werden, weil sie Konsequenzen des Waldbesitzers fürchten, der hier in der Marktgemeinde Poggersdorf mehrere hundert Hektar Wald gekauft haben soll - für den Fichtenbestand, der für die Industrie benötigt werde. Dergestalt lauten zumindest die Informationen, die aus dem Gemeindeamt zu erhalten waren.

Großgrundbesitzer: Proben nicht richtig gezogen

Der Großgrundbesitzer ließ dem ORF Kärnten Montagabend über seine Rechtsanwaltskanzlei ausrichten, dass die Proben von Greenpeace nicht richtig gezogen worden seien, daher seien auch die Untersuchungsergebnisse unrichtig.

Glyphosateinsatz Kärntner Wald

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Vertreter der Landwirtschaftskammer traten am Montag zur Verteidigung des Unkrautvernichtungsmittels an, schränkten aber gleichzeitig ein, dass Glyphosat in vielen Lebensbereichen zum Einsatz komme - nicht nur in der Landwirtschaft. Pflanzenschutzexperte Markus Tschischej von der Kärntner Landwirtschaftskammer: „Glyphosat ist kein aggressives Pflanzenschutzmittel. Es ist das Mittel, das weltweit nahezu am häufigsten eingesetzt wird.“

Einsatz in Parks, Gärten, Straßen- und Eisenbahnbau

Mehr als 50 Prozent werde in Österreich nicht in der Landwirtschaft, sondern anderswo verwendet. Also in Parkanlagen, beim Eisenbahn- und Straßenbau und auch in privaten Haushalten. „Wenn z. B. zwischen den Pflasterscheinen das Gras durchzuwachsen beginnt, greift auch der private Hausgartenbesitzer dazu.“ Glyphosat habe eine gute Halbwertszeit, „das heißt das Mittel baut sich relativ schnell ab“. Außer Zweifel stehe zwar, dass das, was in Poggersdorf passiert sei, „nicht passieren dürfe“, so Tschischej.

Glyphosateinsatz Kärntner Wald

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Aber: „Glyphosat in den Wäldern ist nicht die Regel - nicht jeder Waldbesitzer setzt Glyphosat ein.“ Zum Einsatz komme das Mittel z. B. bei Wiederaufforstungen, um die Jungkulturen freizuspritzen.

Verbot in landwirtschaftlichen Kulturen

„Unbestritten“ ist laut Tschischej, dass das Mittel nicht in die Nahrungskette gelangen darf. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten sei der Einsatz von Glyphosat in den landwirtschaftlichen Kulturen deshalb in Österreich verboten. In anderen Staaten etwa werde das Getreide vor der Ernte „totgespritzt“, um sich die Arbeit zu erleichtern.

Glyphosateinsatz Kärntner Wald

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Auch Rindfleisch „möglicherweise krebserregend“

Dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Mittel Glyphosat als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft hat, lasse „sehr viel Interpretationsspielraum offen“, so Tschischej. „Glyphosat ist möglicherweise als krebserregend eingestuft, Rindfleisch ist das aber auch.“ Wenn man sich ansehe, welche Mittel und Nahrungsmittel oder auch kosmetischen Produkte in Studien der WHO „auf einer Stufe mit Glyphosat“ stünden, müsse man sagen: „Die Welt steht wirklich nicht mehr lange“, so Tschischej.

Parteien fordern Verbot

Seit die Poggersdorfer Untersuchungsergebnisse von Greenpeace veröffentlicht wurden, hat es auch die Politik in Kärnten eilig, einmal mehr ein Verbot des Mittels zu fordern: Einen sofortigen bundesweiten Zulassungsstopp von Glyphosat fordern neben den Grünen auch BZÖ, FPÖ und die SPÖ in Kärnten.