Langer Weg zur Barrierefreiheit

Bereits seit zehn Jahren ist in Österreich das Behinderten-Gleichstellungsgesetz in Kraft, zu Jahresbeginn ist auch die Übergangfrist zu Ende gegangen. Bauliche Behinderungen dürfte es damit nicht mehr geben. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Es ist wie das Bohren in besonders dicken Brettern, die Barrierefreiheit für behinderte Menschen umzusetzen, dauert in Österreich offenbar besonders lange. Nach dem Behindertengleichstellungsgesetz sollte es seit Jahresbeginn keine Barrieren mehr geben. Die Realität ist aber eine andere, sagt Isabella Scheiflinger, die Behindertenanwältin des Landes. „Es ist einiges passiert, aber es ist noch lange nicht so, dass man von einer barrierefreien Umwelt sprechen kann. Gehen sie mit offenen Augen durch die Stadt, dann werden sie selbst sehr viele Barrieren erkennen. Nach wie vor werden Menschen mit Behinderung diskriminiert.“

Barrierefrei Stufe Rollstuhl

ORF

Noch immer sind viele öffentliche Einrichtungen nicht barrierefrei erreichbar

Handlungsbedarf in Gastronomie und Tourismus

In der Privatwirtschaft sieht Scheiflinger vor allem in der Gastronomie sowie im Tourismus großen Handlungsbedarf, aber auch Ämter und Behörden sind teilweise säumig: „Barrierefreiheit beinhaltet nicht nur die bauliche Barrierefreiheit, sondern etwa auch die barrierefreie Homepage, oder die barrierefreie Ebene für den Zugang zum Internet, etwa für blinde Menschen, die mit einem entsprechenden Programm auch die Informationen aus dem Internet abrufen können.“

Gelungen: Umbau des Klagenfurter Bahnhofs

Was die Barrierefreiheit betrifft, ist der Umbau des Klagenfurter Hauptbahnhofs besonders gelungen. Alle Bahnsteige sind mit dem Lift erreichbar, sehbehinderten Menschen helfen Bodenrillen und ein akkustisches Leitsystem bei der Ortienierung. Willibald Kavalirek, der Obmann des Kärntner Blindenverbandes, ist begeistert und hofft auf Nachahmer. „Es herrscht die Meinung, das alles so teuer ist. Deswegen scheuen sich viele Firmen Dinge umzusetzen, wie etwa die Glasflächen-Markierungen. Dabei kommt man da mit sehr geringen Mitteln aus, und das hilft nicht nur sehbehinderten Menschen, sondern auch alten Menschen oder Müttern mit Kinderwägen.“

Bahnhof Klagenfurt

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Ein positives Beispiel ist der Hauptbahnhof in Klagenfurt

Schlichtungsverfahren sollen sensibilisieren

Ob in einem Betrieb oder einer öffentlichen Einrichtung die Barrierefreiheit gegeben ist, wird nur dann geprüft, wenn Menschen mit Behinderung ein Schlichtungsverfahren beantragen. Rund 170 solcher Fälle hat Wilhelm Holzmann vom Sozialministerium in Kärnten erfolgreich abgewickelt.

Die Verfahren betreffen Glasflächenmarkierungen, Bankomaten mit Kopfhöreranschluss oder Rampen für Rollstuhlfahrer. Holzmann: „Ich glaube, dass es ein sehr gutes Gesetz ist, indem es die Menschen sensibilisiert. Es ist oft nicht ein Vorsatz da, Menschen zu diskriminieren, sondern einfach das Unwissen. Durch Schlichtungen werden die Menschen für Belange behinderter Menschen sensibilisiert.“ Behindertenanwältin Isabella Scheiflinger geht da einen Schritt weiter. Sie wünscht sich, dass die Behörden von sich aus die Umsetzung der Barrierefreiheit prüfen müssen.

Link:

Immer mehr Bahnhöfe barrierefrei (kaernten.ORF.at; 5.10.2016)