AMS-Chef: „Es gibt zu wenig Arbeit für alle“

70.000 Kärntner sind jährlich von Arbeitslosigkeit betroffen. „Es gibt zu wenig Arbeit für alle“, sagt der Kärntner AMS-Chef Franz Zewell. Dennoch rechnet er dank Konjunkturbelebung heuer mit einem besseren Jahresergebnis als 2015.

„Eines ist klar: Es ist zu wenig bezahlte Arbeit für alle da“, meinte Zewell im APA-Interview. Der Arbeitsmarkt befindet sich nach wie vor unter dem Niveau vor der Wirtschaftskrise. Gegenüber Juli 2008 fehlen heute noch immer 1.400 Beschäftigungsverhältnisse - bei insgesamt knapp 220.000 Beschäftigten im Land, erklärte Zewell. Einen substanziellen Rückgang bei der Arbeitslosigkeit sei zu erwarten, wenn die Babyboomer - Anfang der 1960er-Jahre Geborene - in Pension gehen. „Es wird einen deutlichen Pensionsknick geben.“ Dann werde man gut ausgebildete Junge brauchen.

Die Arbeitsvolumina, also die geleisteten Stunden, seien seit 2011 in etwa gleich geblieben. Teilzeitarbeit nehme zu, die Beschäftigung steige, aber: „Ein Gutteil darf an der Gesellschaft mit bezahlter Arbeit nicht teilhaben.“ Und dabei werde der Status eines Menschen „in unserer Kultur“ über die Arbeit definiert. In den Debatten um Kürzungen und Verschärfungen, etwa bei der Mindestsicherung, werde nicht beachtet, welche Beschäftigungschancen es wirklich gebe und wer diese bekomme.

Entwicklung 2016 ist besser als die Prognose

Das Kärntner Institut für höhere Studien (IHS) prognostiziert Kärnten auch für 2016 und 2017 knapp 26.000 Arbeitslose und eine gleichbleibende Arbeitslosenquote von 11,4 Prozent. Die Entwicklung sei besser als die Prognose, meint dazu Zewell, sowohl bei der Arbeitslosigkeit als auch bei der Beschäftigung. „Für das heurige Jahr ist uns eine Zunahme von 1.100 Arbeitslosen prognostiziert worden, um 4,3 Prozent. Bis jetzt haben wir netto eine Abnahme um 14 oder 0,1 Prozent.“ Zewell rechnet deswegen mit einem besseren Jahresergebnis als 2015.

Aufwind am Bau und im Tourismus

Zu verdanken habe man die Entwicklung einer Konjunkturbelebung in Kärnten, sagt der AMS-Chef, vor allem in den Branchen Bau und Tourismus. „Nach einer Strukturbereinigung im Bau in den vergangenen Jahren funktionieren jetzt die öffentlichen Aufträge wieder.“ Zum Tourismus meinte Zewell, „dem geht es gut, hier wurde an Beschäftigung zugelegt.“ Im Kärntner Tourismus komme es beim Fachpersonal im Sommer immer zu Engpässen, bei Köchen und auch beim Servierpersonal von insgesamt um die 200 Personen.

Verdrängungswettbewerb bei Hilfskräften

Im Hilfsbereich sieht Zewell einen Verdrängungswettbewerb durch Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Von dort seien rund 5.000 Beschäftigte in Kärnten, vorwiegend im Tourismus, im Dienstleistungsbereich und auch zum Teil im Bau. Das Problem des Kärntner Tourismus sei die extrem kurze Saison - „drei Monate, zum Teil nur sechs bis acht Wochen mit Spitzenauslastung“. In den westlichen Bundesländern werde zudem um ein Viertel bis ein Drittel besser gezahlt. Viele gut Ausgebildete nützten dort ihre Chancen.

Die Produktion, „der wirkliche Konjunkturmotor in Kärnten“, habe nur leicht zugelegt, sei aber sehr stabil. Vor allem Anlagenbau und Zulieferindustrie seien in Kärnten gut aufgestellt. Um die Mitarbeiter des kürzlich pleitegegangenen Kärntner Anlagenbauers Kresta macht sich Zewell keine großen Sorgen. „Das sind alles gut ausgebildete Fachkräfte. Sollte es dazu kommen, dass Arbeitskräfte freigestellt werden, dann sage ich, die haben wir in sechs Monaten vermittelt.“

Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge rückläufig

Aktuell sind beim AMS Kärnten 555 Flüchtlinge gemeldet, vor einem Jahr waren es 160 weniger. „Ich habe eine Handvoll Akademiker, eine Handvoll Maturanten, vielleicht 20 Prozent haben so etwas wie eine Berufsausbildung und es sind viele Personen dabei, die auch in ihrer Muttersprache Analphabeten sind.“ Am ehesten werde man das Gros der Flüchtlinge in „niederschwelligen Bereichen“ unterbringen können, etwa mit Lehren in der Produktion in den Bereichen Metall und Elektro, aber auch im Bau und Tourismus.

Die diskutierten „Ein-Euro-Jobs“ seien keine bezahlte Arbeit, betonte Zewell. Die Gefahr bestehe, „dass so etwas eine verdeckte Subvention für Unternehmen ist, die sich dadurch bezahlte Arbeit sparen“. Das in einem echten, gemeinnützigen Kontext zu realisieren, sei äußerst schwierig. „Die Erfahrung mit Langzeitarbeitslosen in Deutschland hat gezeigt, dass zwei Drittel danach keine bessere Integrationschance hatten.“ Außerdem habe es im Pflegebereich eine echte Verdrängung von regulären Arbeitsverhältnissen gegeben.

Integration „die größte Herausforderung“

Bei der Integration der Flüchtlinge werde der Kulturunterschied die größte Herausforderung sein, meinte Zewell. „Es geht darum, die Arbeits- und Wertehaltung unserer Kultur anzunehmen und zu leben - das betrifft besonders junge Männer im Umgang mit Frauen.“ Aber auch in Unternehmen übliche Umgangsformen und strukturierte Arbeitsweise seien Themen. „Ich schätze, so eine Integration wird zwei Jahre dauern.“ Aktuell laufe ein Kurs mit 27 Asylberechtigten, in dem die Grundfertigkeiten der Pflichtschule überprüft werden. Für elf von ihnen wurde bereits eine Lehrstelle gefunden. Zewell: "Meine Aufgabe ist es, Chancengleichheit herzustellen.“

Marion Mitsche, Landessprecherin der Grünen in Kärnten, fordert in einer Reaktion zu einer ernsthaften Diskussion über die gerechte Aufteilung von Arbeit. Eine Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich sei überfällig und würde den Arbeitsmarkt beleben. Auffällig viele Menschen, die eine bezahlte Arbeit haben, seien überlastet. Lohndumping und Verschärfungen bei der Mindestsicherung lehnt Mitsche ab.

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