Vom HCB-Skandal zum „Tal der Könige“

5.000 Jahre alte Keramiken aus der „Ötzi-Zeit“ haben Hobbyarchäologen gefunden - und zwar im vom HCB-Skandal gebeutelten Görtschitztal. Dort wird auch Noreia, die legendäre Hauptstadt der Kelten, vermutet. Mit der neu gegründeten Plattform „Tal der Könige“ hat man nun große Pläne.

Rund 500 bis 100 Jahre vor Christi soll Noreia erblüht sein. Die Suche nach der Metropole des Keltenreiches Noricum beschäftigt die Wissenschaft seit Jahrhunderten - und auch die vor zehn Jahren gegründete Arge Noreia. Auf der Suche nach der legendären Stadt fanden die Hobbyarchäologen aber kürzlich noch wesentlich ältere Spuren der Vergangenheit. Das Kärntner Arge-Mitglied Gottfried Wernig entdeckte beim Kirchberg im Görtschitztal rund zwei Kilo Keramikteile mit einfachen Verzierungen. Diese stammen nach Überprüfung durch Experten bestätigt aus der Kupferzeit, datiert rund um 3.000 bis 3.500 v. Chr. "Die Funde stammen also aus der Ötzi-Zeit“, so Wernig. Auch das englische Stonehenge wird in diese Zeit datiert.

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Gottfried Wernig

Funde aus der Kupferzeit

Rund um den Kirchberg könnte also eine 5.000 Jahre Siedlung entdeckt werden. Im Frühjahr soll es dahingehend erste Untersuchungen geben. Von deren Ergebnis wird auch abhängen, ob sich das Land finanziell an weiteren Untersuchungen beteiligt. Arge-Obmann Josef Stockinger vermutet in dieser Gegend aber viel mehr, nämlich ein Höhenheiligtum, eine Stufenpyramide aus Stein.

Jagd nach Noreia

Unabhängig von der Untersuchung der kupferzeitlichen Funde geht auch die Jagd nach Noreia weiter. Erste Funde der Arge deuten auf zwei große Städte hin – eine im Kärntner Görtschitztal rund um den Kirchberg, die andere bei Neumarkt in der Steiermark, gemeinsam soll der rund hundert Quadratkilometer große Siedlungsraum das Herz des Keltenreiches Noricum gewesen sein.

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Arge Noreia

Auch auf der römischen Straßenkarte Tabula Peutingeriana ist Noreia zwei Mal vermerkt

„Das war ein Riesending“, meint Josef Stockinger, Obmann der Arge Noreia, zum Kärntner Standort. Im Görtschitztal wurde Erz abgebaut und mit Karawanen reger Handel mit dem römischen Reich betrieben, ist er überzeugt. Auf fünf Quadratkilometer groß schätzt er das Ausmaß des befestigten Handelszentrums. Im Löllinggraben nahe Hüttenberg seien außerdem viele so genannte Rennöfen gefunden worden, die zum Schmelzen von Eisenerz verwendet wurden.

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Arge Noreia

1929 wurde dieser keltische Frauenkopf bei Hüttenberg gefunden, in Besitz von Uta Pirker

Was Stockinger überzeugte: Er sichtete in den letzten zehn Jahren unzählige historische Dokumente. Noreia wird darin erwähnt und soll 1.200 römische Stadien, umgerechnet 223 Kilometer, von Aquilea entfernt gewesen sein. Stockinger: „Das wäre punktgenau der Kirchberg.“ Dazu kamen Funde von Bauern, darunter Münzen, Speerspitzen und Skulpturen, und auffällige Geländemerkmale, wie große, von Menschenhand geschaffene Schutzwälle. Zwischen den beiden Städten in Kärnten und der Steiermark soll sich eine riesige Nekropole, eine Totenstadt, befunden haben. Tausende Hügelgräber werden dort vermutet.

Das neu erweckte „Tal der Könige“

Mit dem Verein „Initiative Zukunft Görtschitztal“, gegründet nach dem HCB-Skandal, wurden nun neue Partner gefunden. Gemeinsam gründeten sie die Plattform „Tal der Könige“. „Tal der Könige“, weil das Görtschitztal in der Bevölkerung noch immer unter diesem Namen bekannt ist. „Eine mündliche Überlieferung aus der Vergangenheit“, sagt Ferdinand Velik von der „Initiative Zukunft Görtschitztal“.

Die Plattform hat jedenfalls große Pläne für das Görtschitztal: „Wir wollen unsere Vergangenheit freilegen und touristisch vermarkten, den Bauern eine zusätzliche Wertschöpfung ermöglichen“, sagt Velik. Visionen für die Zukunft sind etwa begehbare Fundstätten, die Erklärung zum Weltkulturerbe und ein Museum. Geeigneter Standort für ein Museum sei etwa das in der Heft bei Hüttenberg für die Landesausstellung 1995 renovierte Eisenhüttenwerk, das nun langsam verfällt. Wichtigster Punkt dabei, so Velik: „Die Wertschöpfung und die Funde müssen im Tal bleiben.“

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Arge Noreia

Reste von Schutzwällen

Das liebe Geld…

Noch aber steht die wissenschaftliche Untersuchung der Funde ganz am Anfang. Zunächst gilt es Behörden-Formalitäten zu erledigen, für Grabungen müssen Grundbesitzer und das Bundesdenkmalamt Genehmigungen erteilen. Beides sollte kein Problem sein. „Am Kirchberg genauer nachzuschauen, ist es allemal wert“, sagt Jörg Fürnholzer vom Bundesdenkmalamt.

Viel schwieriger ist da schon die Frage der Finanzierung. Rund 50.000 Euro, so schätzt Gottfried Wernig, würden erste professionelle Probegrabungen durch Archäologen kosten. Zumindest ein Teil könnte über die Plattform „Tal der Könige“ finanziert werden. Diese wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes gegründet, an der Sponsoren Anteile kaufen können. Auch Kleinfirmen aus dem Tal könnten sich so beteiligen, meint Velik. Die Mehrheit der Anteile soll allerdings in der Hand der Gründer bleiben.

Ein jahrhundertelanger Streit

Der Streit um die Lage Noreias ist hunderte Jahre alt – und er dauert noch immer an. Viele Thesen gab es, genauso viele wurden wieder verworfen. Auch das es mehrere Metropolen gab scheint möglich. Am Magdalensberg und Zollfeld, bei Liebenfels und Hüttenberg könnte Noreia gelegen sein, so einige der Theorien. 2001 kam eine der jüngsten Thesen hinzu und zwar von Paul Gleirscher, im Kärntner Landesmuseum Experte für Früh- und Urgeschichte. Er ortet Noreia am Berg Gracarca beim Klopeinersee - und dabei bleibt er auch.

Zehn Jahre später konterte der Historiker Reinhard Stradner mit seiner Theorie, wonach Noreia im Raum Knappenberg lag. Die Ansichten von Josef Stockinger und seiner Arge Noreia nähren den Wissenschaftsstreit weiter. Wer Recht hat, wird wohl die Zukunft weisen. Die Suche nach dem legendären Noreia bleibt jedenfalls spannend.

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