Findelkind auf Weg der Besserung

Das am Mittwoch in einer Klagenfurter Mülltonne gefundene Neugeborene ist mittlerweile stabil; das grenze an ein Wunder, so die Ärzte. Spätfolgen können noch nicht ausgeschlossen werden. Es gibt mehrere Hinweise auf die Mutter.

Am Dienstagabend wurde der neugeborene Bub von einer Anrainerin in der Mülltonne eines Hauses in Klagenfurt gefunden – mehr dazu in Neugeborenes in Mülltonne gefunden. Die Rettung des kleinen Buben geschah „auf jeden Fall in letzter Sekunde“, ist Primar Wilhelm Kaulfersch vom Eltern-Kind-Zentrum (ELKI) des Klinikum Klagenfurt überzeugt. Als das Kind gefunden wurde, hatte es eine Körpertemperatur von 21 Grad: „Da gehen wir Ärzte eigentlich davon aus, dass eine Rettung nicht mehr möglich ist.“

Baby Mülltonne

ORF/Peter Matha

Anrainerin Marina Pajnik fand das Neugeborene in dieser Mülltonne

Spätfolgen könnten noch auftreten

Mittlerweile sei das Neugeborene stabil, die Hirnfunktion werde permanent überwacht, so Kaulfersch. Der Bub liegt immer noch im künstlichen Tiefschlaf. Derzeit sind die Ärzte also zuversichtlich, dass er ohne Spätfolgen überleben wird. Eine seriöse Langzeitprognose sei aber derzeit noch nicht möglich, das werde Wochen oder sogar Monate brauchen, sagt Kaulfersch: „Wir gehen vom Besten aus.“ Wie alt das Baby war, als es in der Mülltonne gefunden wurde, das sei exakt schwer festzustellen. Maximal habe die Geburt einen Tag vor der Weglegung stattgefunden. Eine Frühgeburt sei das Kind jedenfalls nicht gewesen.

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Psychologin im Studio

Augustine Gasser, Psychologin am Klinikum Klagenfurt, spricht über mögliche Hintergründe der Kindesweglegung.

Mehrere Hinweise auf Mutter

Beim Landeskriminalamt Kärnten gingen unterdessen „mehrere Hinweise“ auf die Mutter ein, die erst überprüft werden müssen. Mögliche Gesundheitsfolgen sind auch für die Frau nicht auszuschließen, weshalb die Polizei dringend nach ihr sucht. Ob sie strafrechtlich belangt wird, steht noch nicht fest. Laut Landeskriminalamt muss abgeklärt werden, ob die Mutter zur Tatzeit zurechnungsfähig war. Es wird bereits nach möglichen Adoptiveltern gesucht. Rechtlich sieht es so aus, dass die Eltern sich auch sechs Monaten nach der Geburt für das Kind entscheiden können.

„Ein extremer Ausnahmezustand“

In diversen Internetforen löste der Fall aus Kärnten heftigen Protest aus. Dass Eltern ihre Kinder weglegen, dafür fehlt vielen Menschen das Verständnis. Zu erklären sei das auch nur durch einen „extremen Ausnahmezustand, eine schwere Traumareaktion“, sagt die Primarärztin der Psychiatrie im LKH Villach, Christa Rados. Die Geburt ohne medizinische Hilfe selbst, dazu ein schwieriges soziales Umfeld, „manche Frauen können dann nicht mehr klar denken, moralische Bedenken sind momentan außer Kraft gesetzt, es kommt zur Panikhandlung“, so Rados.

Einige Eltern, Frauen und Mädchen seien auch schlicht nicht über die Hilfsangebote, wie anonyme Geburt und Babyklappe, informiert. Von einer moralischen Verurteilung, ohne dass man die Begleitumstände der Tat kennt, hält Rados wenig: „In den allerwenigsten Fällen hat eine Kindesweglegung mit emotionaler Kälte und Unmenschlichkeit zu tun.“

Anonyme Geburt bietet Sicherheit und Diskretion

Anlässlich des aktuellen Falles weisen die Kärntner Krankenhäusern erneut auf die Möglichkeit der anonymen Geburt und die Babyklappen hin. Die Krankenhäuser in Klagenfurt, Villach, St. Veit und Wolfsberg haben seit 2001 Babyklappen außerhalb des Krankenhausgebäudes. Am Klinikum Klagenfurt wurden seither zwei Babys in der Babyklappe abgegeben.

Baby abgelegt Mülltonne Klagenfurt

ORF/Matha

Babyklappe des Klinikum Klagenfurt in der Krassnigstraße

Öfter werde die Möglichkeit der anonymen Geburt in Anspruch genommen, sagte Beate Lamprecht, leitende Hebamme am Klinikum Klagenfurt. Die anonyme Geburt biete vom ersten Gespräch an absolute Diskretion, psychologische Betreuung und medizinische Sicherheit. „Wir arbeiten ohne Druck und geben den Frauen Entscheidungsmöglichkeiten“, so die Hebamme. Am Klinikum Klagenfurt kommen jährlich ein bis zwei Babys durch die anonyme Geburt zur Welt. In etwa einem Drittel der Fälle entscheiden sich die Mütter letztendlich für das Kind.