Flüchtlinge erzählen ihre Geschichten

Im Asylwerberheim „Haus Bethanien“ der Diakonie de la Tour in Treffen sind ständig 36 Flüchtlinge untergebracht, in wechselnder Zusammensetzung. Einige waren bereit, kaernten.ORF.at ihre Geschichte zu erzählen. Den Anfang macht Masoud, der mit 21 Jahren aus Syrien flüchtete.

Masoud (Name von der Redaktion geändert) ist Mitte 20 und stammt aus einer kurdischen Familie aus dem Norden Syriens. Ein schlanker junger Mann, der auf der Straße kaum als Ausländer auffallen würde. Er ist verheiratet und Vater einer wenige Monate alten Tochter. Frau und Tochter sind mit ihm in Kärnten.

Eheschließung ohne Papiere ungültig

Er spricht weder Englisch noch Deutsch, ein anderer Asylwerber übersetzt auf Englisch. Seine noch mangelnden Sprachkenntnisse macht Masoud mit viel Lächeln wett, er ist höflich und wirkt sehr sanft und sehr jung. Er bietet Kaffee an und ist stolz, dass der starke, auf türkische Art gebraute, Kaffee schmeckt. Er kam mit Schleppern nach Österreich, seine schwangere junge Frau mit ihm. Seit zehn Monaten sind die beiden im Asylheim der Diakonie de la Tour in Treffen. Das Verfahren dauert, weil Masoud keine Papiere hat. Beim Militärdienst wurden seine Ausweispapiere einbehalten und durch einen Militärausweis ersetzt. Sein größter Kummer ist allerdings, dass seine Eheschließung nicht anerkannt wird, weil eben die Papiere fehlen.

Treffen Asyl Haus Bethanien Diakonie

ORF/Petra Haas

Haus Bethanien in Treffen.

Militärpolizei holte Masoud ab

Masoud erzählt, dass er gerade seinen Schulabschluss hinter sich gebracht hatte, als er zum Militärdienst sollte (vergleichbar mit unserer Matura). Weil ein Bruder gestorben war, suchte er um Aufschub an, dies wurde abgelehnt. Die Militärpolizei holte ihn im Haus seiner Familie ab. Dies war im Juli 2010, Masoud war gerade 21. Seinen Militärdienst musste er im Süden Syriens ableisten, in der Stadt, in der die ersten Demonstrationen gegen das Regime von Baschar al-Assad stattfanden - Daraa.

Offizier bestochen

Zunächst wurden die Demonstrationen von der Polizei und eigenen Sicherheitskräften überwacht, so Masoud, doch bald wurde das Militär eingeschaltet. Der Befehl lautete: Verhaftungen durchführen, schießen. Masoud erzählt, er sei immer der Meinung gewesen, das Militär habe die Aufgabe, die eigene Bevölkerung gegen Aggressoren von außen zu schützen. Er wollte nicht gegen seine Mitbürger vorgehen und bestach einen Vorgesetzten, damit er nicht zu diesen Einsätzen abkommandiert wurde. Jeden Monat bezahlte er den Offizier dafür und wurde in einer Kommunikationszentrale eingesetzt.

Masoud will verstanden werden

Dort hörte er den Funk- und Telefonverkehr mit und auch die Gespräche der Offiziere, wie viele Menschen verhaftet wurden, er hörte von Folterungen und Tötungen. Masoud spricht beim Interview eindringlich, er will, dass man seine Beweggründe versteht, will erklären, wie furchtbar es ist, als junger Mensch solche Gräueltaten mitzubekommen. Die Planungen, wo Checkpoints eingerichtet werden sollten, wo das Militär das nächste Mal zuschlagen würde.

Vom Militärdienst desertiert

Irgendwann begannen auch die Demonstranten, sich zu bewaffnen und zurückzuschießen. Masoud sagte, er beschloss, zu gehen, er habe das alles nicht mehr mitmachen wollen. Seine Familie war ebenfalls gegen das Assad-Regime, als kurdische Minderheit hatten sie es im Land nie leicht. Masoud nahm sich Heimaturlaub, um seine Familie zu besuchen und desertierte. Da er vom Militär gesucht wurde, versteckte er sich immer an anderen Orten und ging dann in den Norden des Irak, wo er sich als Kurde sicher fühlte.

Masouds Vater schickte zwei jüngere Brüder weg, als das Militär nach Masoud suchte, denn er befürchtete, dass die Kinder als Geiseln genommen würden, damit Masoud zurückkäme. Das sei durchaus üblich gewesen, so Masoud. Masouds älterer Bruder, ein Militärarzt, desertierte nach ihm ebenfalls und half den Regimegegnern medizinisch. Als immer mehr Menschen nach Kurdistan flüchteten, verschärfte der Irak die Einreise, verlangte Visa und Arbeitserlaubnis. Masoud sagte, die Menschen hatten Angst vor ihm, weil er ein ehemaliger Soldat war.

In der Türkei geheiratet

Er flüchtete weiter in die Türkei, wo er seine Cousine, mit der er bereits verlobt war, heiratete. Da er keine Papiere mehr hatte, verweigerten die Türken die Anerkennung der Eheschließung. Kurden hätten es auch in der Türkei nicht leicht, sagte Masoud. Die Behörden hätten helfen können, aber sie wollten nicht. Als seine Frau schwanger wurde, wollten sie beide nur noch in Sicherheit sein. Mit Hilfe von Schleppern kamen sie dann nach Wien. Dort meldete er sich bei der Polizei und bat um Asyl. Die beiden waren drei Tage in Traiskirchen und kamen vor zehn Monaten nach Treffen.

„Hier fühlen wir uns sicher“, lächelt Masoud, als seine junge Frau mit dem Kleinkind auf dem Arm in den Garten des Asylheims kommt. Sie lächelt höflich, spricht aber nicht. Seine Familie ist zersplittert: Die Eltern und zwei Schwestern blieben in Syrien, drei Brüder sind noch im Irak. Auf die Frage, ob es Repressalien gebe, weil er und sein Bruder desertiert seien, sagte Masoud, der Norden Syriens werde nun von Kurden kontrolliert, seiner Familie gehe es daher besser, als vorher.

Möchte Wirtschaft studieren

Er wünscht sich, dass das Asylverfahren trotz fehlender Papiere positiv ausgeht und dass er in Österreich Wirtschaft studieren könne. Das wäre auch sein Plan in Syrien gewesen. Derzeit lernt Masoud Deutsch. Es war ihm noch wichtig, den Menschen in Kärnten und Österreich zu danken für den Frieden, für die finanzielle Unterstützung und die Verpflegung. „Bitte sagen Sie das den Menschen“, bittet er. Er möchte in Österreich bleiben und für seine kleine Familie eine Zukunft aufbauen. (Petra Haas/kaernten.ORF.at)

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