Tilo Berlin verurteilt: 26 Monate Haft

Am Landesgericht Klagenfurt ist am Dienstag bis spät in die Nacht der Untreueprozess gegen Ex-Hypo-Vorstand Tilo Berlin fortgesetzt worden. Das Urteil: 26 Monate unbedingte Haft. Die Verteidigung meldete Nichtigkeit und Berufung an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Das Urteil gegen Berlin wegen eines Vorzugsaktiendeals fiel erst gegen Mitternacht. Der Schöffensenat sah die Schuld Berlins als zweifelsfrei erwiesen an. Das Gericht sah „objektive Beweismittel“, es gebe einen von Berlin unterschriebenen Vertrag. Davor habe es ein Gespräch mit dem Vertreter der Flick-Stiftung, Jörg-Andreas Lohr, gegeben. Richter Christian Liebhauser-Karl erklärte in seiner Urteilsbegründung, er habe keine Zweifel an den Aussagen Lohrs, die dieser als Zeuge im Verfahren gemacht hatte. Die Frage der Eigenmittelausstattung sei der Lebensnerv der Bank gewesen, ein neuer Vorstand habe sich des dringendsten Problems annehmen müssen.

„Schaden für Bank steht fest“

Es sei auch völlig klar gewesen, dass die Vorzugsaktien ohne Nebenvereinbarungen nicht platzierbar gewesen seien. Dass daraus ein Schaden für die Bank entstanden sei, stehe aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen völlig klar fest. Hinzugekommen seien die belastenden Angaben von Ex-Vorstand Josef Kircher, diese umfassten aber nur einen kleinen Teil der Beweiswürdigung. Auch die Sonderdividende sei satzungswidrig ausgeschüttet worden. Das Gericht sprach der Hypo die inkriminierten 2,573 Mio. Euro Schaden zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Plädoyer des Staatsanwalts

An Dienstagabend hielt zunächst Staatsanwalt Robert Riffel sein Plädoyer und forderte einen Schuldspruch. Er erklärte, Berlin habe mitgewirkt, der Hypo einen Schaden von 2,573 Mio. Euro zuzufügen. Der Schaden sei einerseits durch eine in Zusammenhang mit einem Aktienpaket gewährte Put-Option und andererseits durch die Ausschüttung einer Sonderdividende entstanden. So habe Berlin Ingrid Flick Vorzugsaktien in der Höhe von vier Mio. Euro mit einer Put-Option als Rückgabegarantie verkauft. Das Geld hätte die Bank auf dem Geldmarkt billiger haben können, als sie den Vorzugsaktionären an Dividende gezahlt habe. Den dadurch für die Hypo entstandenen Vermögensnachteil bezifferte er mit 73.000 Euro.

Staatsanwalt: Berlin gewährte Put-Option

Riffel zitierte dazu einen Anruf von Lohr von der Flick Vermögensverwaltung, der bei Berlin angefragt habe, ob es nicht doch eine Put-Option („Geld-zurück-Garantie“, Anm.) gebe und Berlin diese zugesichert habe. Für die Anklage ist damit beweisen, dass Berlin von der Nebenabsprache wusste, das Aktienpaket mit dieser verkaufte und damit schuldig ist.

Darüber hinaus habe der Antrag für den Gewinnverwendungsbeschluss für die Auszahlung einer Sonderdividende im Jahr 2008 von Berlin gestammt, so Riffel. Für diese Sonderdividende habe es keine Gegenleistung der Aktionäre gegeben. Der Staatsanwalt konnte darin auch kein „Kundenbindungsprogramm“ erkennen, mit diesem Argument hatte sich Berlin verantwortet. Die Ausschüttung der Sonderdividende habe den Gewinn der Hypo geschmälert, dadurch sei der Bank ein Schaden von 2,5 Mio. Euro entstanden.

Verfahren ausgeschieden

Das Verfahren gegen Tilo Berlin musste im Februar wegen seiner Erkrankung unterbrochen werden. Berlins Mitangeklagte in dem Verfahren, die Ex-Hypo-Manager Wolfgang Kulterer, Josef Kircher und Siegfried Grigg, wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, Kulterer und Kircher bereits rechtskräftig.

Es habe zwar Überlegungen gegeben, dass diese Ausschüttung die Attraktivität der Aktien erhöhen würde und dass die Aktionäre Potenzial hätten. „Das ist aber noch kein Strategiekonzept“, sagte Riffel und zitierte dazu einige der Vorzugsaktionäre, die als Zeugen ausgesagt hatten, dass die Sonderdividende keinen Einfluss auf ihre Investitionsentscheidung gehabt habe.

Verteidigung: Untreue nicht erfüllt

Berlins Anwalt Patrick Thun-Hohenstein sah in seinem Plädoyer am späten Dienstagabend den Untreuevorwurf seines Mandanten „weder objektiv noch subjektiv erfüllt“. Daher forderte er einen Freispruch. Thun-Hohenstein sagte, sogar der Staatsanwalt räume ein, dass sein Mandant als „Sonderfall“ zu behandeln sei, weil Berlin nicht in die Emission der Aktien 2006 und Platzierung eingebunden gewesen sei und daher auch nicht an der Konzeption, Bewertung und Prüfung der Emission der Papiere mitgewirkt habe.

Das Aktienpaket inklusive Rückkaufgarantie an Ingrid Flick, das die Anklage ihm vorwirft, sei kein Neuverkauf, sondern eine Umplatzierung gewesen, sagte Thun-Hohenstein. Berlin habe zu keinem Zeitpunkt gewusst, dass Put-Optionen nicht in der Bank aufbewahrt, sondern außerhalb bei einem Notar hinterlegt wurden.

Er führte auch an, dass Berlin seit 2002 Vermögen für Kunden und Investoren verwaltete, darüber hinaus komme er aus dem deutschen Bankwesen, ihm sei die Eigenmittelanrechnung nach österreichischem Gesetz nicht bekannt gewesen. „Auch wenn man ihm unterstellen sollte, dass er die Bestimmungen hätte kennen müssen, reicht das nicht für den Tatbestand der Untreue. Dieser fordert, dass er diese zum fraglichen Zeitpunkt auch wirklich gewusst hat“, sagte Thun-Hohenstein.

Malte Berlin: Widersprüche in Kirchers Aussage

Der zweite Anwalt Berlins, sein Bruder Malte Berlin, nahm zu der Aussage des Ex-Vorstands Josef Kircher Stellung, der behauptet hatte, Berlin über die eigenmittelschädlichen Rückkaufgarantien informiert zu haben. Damit stehe Kircher im Gegensatz zu Aussagen der anderen Vorstandsmitglieder, die gesagt hätten, keine Wahrnehmung darüber gehabt zu haben, so Malte Berlin, der auch Widersprüche in den Aussagen von Kircher im Detail aufzeigte. „Hier scheint sich eine gewisse Beliebigkeit zu ergeben, die man auch als Verleumdung qualifizieren könnte“, so der Anwalt.

Berlin Prozess Hypo IV Vorzugsaktien

APA/Gert Eggenberger

Für ihn sei evident, dass Kircher vor dem Schöffensenat keineswegs die reine Wahrheit gesagt hat. Kircher erwarte sich eine Belohnung dafür, dass er den Angeklagten ans Messer liefere, und habe keineswegs Interesse, die Causa Hypo wirklich aufzuarbeiten, sondern flüchte sich in Gedächtnislücken, sagte Malte Berlin. Kirchers Aussage stelle daher bei objektiver Betrachtung keine Grundlage für die Beurteilung der Rolle Tilo Berlins dar.

Letzte Zeugen gehört

Am Dienstagvormittag wurde ein ehemaliger Mitarbeiter der Hypo International als Zeuge gehört. Gefragt wurde er vor allem nach den Refinanzierungsmaßnahmen der Bank, er gab allerdings immer wieder an, sich nicht zu erinnern. Die Liquidität der Bank sei damals aber gering gewesen, die Lage auf dem Finanzmarkt angespannt.

Zum Abschluss gab ihm Richter Christian Liebhauser-Karl noch mit auf den Weg, er sollte nicht joggen gehen, wenn er krank sei. Zuletzt am Wort war der Sachverständige Karl Hengstberger. Laut seinem Gutachten hätte die Hypo damals auf dem Kapitalmarkt billiger zu Geld kommen können als über die Sonderdividende. Die Verteidiger versuchten seine Aussagen zu widerlegen, immer wieder wurden Tabellen aus dem 85.000 Seiten starken Hypo-Akt zitiert.

Berlin belastete Kircher schwer

Am Nachmittag wurde auf Antrag der Verteidigung Berlin erneut befragt. Seine Anwälte gewannen damit Zeit. Richter Liebhauser-Karl ermahnte den Angeklagten offiziell, auf Wiederholungen zu verzichten. Davon zeigte sich Berlin unbeeindruckt. Er erhob gegen seinen Mitangeklagten Kircher schwere Vorwürfe. Kircher, der bereits verurteilt ist, hatte ihn in der Vorwoche in einer Zeugenaussage schwer belastet.

Kircher hatte erklärt, mit Berlin über eigenmittelschädliche Rückkaufgarantien in Zusammenhang mit den Vorzugsaktien aus dem Jahr 2006 gesprochen zu haben, hatte sich aber weder an Ort noch Datum der Gespräche erinnern können. „Ich habe mit Herrn Kircher kein einziges Mal über eigenmittelschädliche Nebenabreden gesprochen“, sagte Berlin, dessen Verfahren wegen einer Erkrankung ausgeschieden worden war. Darüber hinaus sei das Thema Put-Optionen weder in Vorstandssitzungen der Hypo behandelt worden noch habe er mit Kircher darüber „informelle Gespräche am Rande“ geführt, erklärte er.

Berlin erzählte auch, er habe Kircher gefragt, warum dieser ihn belastet habe. Darauf habe Kircher geantwortet, das sei der Dank für die Strafanzeige wegen schweren Betrugs aus dem Jänner 2013 gewesen, die Berlins Gesellschaft gegen ihn erstattet habe. Dazu führte Berlin aus, Grund für diese Anzeige sei gewesen, dass seine Gesellschaft beim Erwerb der Anteile der Hypo über die Nebenvereinbarungen der Vorzugsaktien betrogen worden sei.

„Nie in Vorgespräche eingebunden“

Berlin sagte weiters, dass die ganze Agenda der Vorzugsaktien nicht in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen sei. Er sei nie in Vorgespräche oder Verhandlungen mit Vorzugsaktionären eingebunden gewesen, einzige Ausnahme sei das Telefonat mit Jörg Andreas Lohr (Flick Vermögensverwaltung, Anm.) gewesen, der einfach zum Hörer gegriffen habe, „weil er mich kannte“. Er habe, wenn überhaupt, nur „Zweitunterschriften“ geleistet. Nach dem Vieraugenprinzip sei es erforderlich, dass zwei Vorstände unterschreiben.

Dabei werde unterschieden zwischen dem fachlich zuständigen Vorstandsmitglied und einem zweiten Kollegen, der mit unterschreibe, die Analyseaufgabe parallel aber kein zweites Mal durchführe - das wäre unökonomisch, sagte Berlin. Aus verschiedenen Abläufen bei den einzelnen Vertragsunterzeichnungen schloss Berlin rückwirkend auch, dass man ihn bewusst nicht über den gesamten Vorgang informiert habe.

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