System Haider: „Zum Rücktritt gezwungen“

Wie hat das System Haider funktioniert? Antworten darauf gibt Ex-ÖVP-Obmann Georg Wurmitzer, der nicht nur damit aufhorchen lässt, von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zum Rücktritt gezwungen worden zu sein. Die Hypo-Bank sei „verschenkt“ worden.

Einer, der als Landesrat von 1999 bis 2004 in der Kärntner Landesregierung saß - also zur Zeit der Schüssel-Haider-Koalition - und deshalb genau wissen muss, wie das „System Haider“ funktioniert hat, ist Ex-ÖVP-Chef Wurmitzer. Er habe 2004 als Kärntner ÖVP-Chef den Hut nehmen müssen, weil er den damaligen Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) nicht weiter habe unterstützen wollen. Schüssel habe ihm „untersagt“, erneut zu kandidieren, so Wurmitzer.

„Politik ohne Rücksicht auf finanzielle Möglichkeiten“

Wurmitzer: „Es ist das eingetreten, was ich geahnt und befürchtet habe. Denn ich habe gespürt und miterlebt, dass die Basis der Politik, die das System Haider entwickelt hat, nicht stimmt. Es wurde Politik gemacht, ohne auf die finanziellen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Deswegen haben wir jetzt eine Landesverschuldung von 200 Prozent des Budgets – das ist absolut untragbar. Zum zweiten: Es wurde ein Klima erzeugt, das den einzelnen handelnden Politikern das Gefühl gab, sie dürften alles. Das haben sie genutzt, und das hat zu dem geführt, was wir heute haben."

Wurmitzer

APA/Eggenberger

Wurmitzer (l.) mit Schüssel im Wahlkampf 2004

„Schüssel hat mir untersagt zu kandidieren“

Abgelöst wurde Wurmitzer nach seinem Rücktritt von Josef Martinz, der - von Steuerberater Dietrich Birnbacher schwer belastet - nun ebenfalls zurücktreten musste. Das Amt als ÖVP-Obmann habe er nicht freiwillig abgegeben.

„Ich bin unfreiwillig zurückgetreten. Im Jahr 2003 hat man mir das Angebot unterbreitet, das Land Kärnten solle eine Wandelschuldanleihe von 500 Millionen von der Hypo aufnehmen. Ich habe das abgelehnt, aus zwei Gründen: Diese Wandelschuldanleihe würde später aus Geldmangel nicht zurückgezahlt werden können, was sich auch so herausgestellt hat", so Wurmitzer.

Und zweitens, so Wurmitzer weiter: „Es ist nicht gut, einem Finanzreferenten mit einem Schlag 500 Millionen in die Hand zu spielen, das verführt. Drei Wochen später hat mir Bundeskanzler Schüssel mitgeteilt, dass ich nicht kandidieren darf. Wenn ich also jetzt zurückblicke und mir den Reim darauf mache, denke ich, dass er offenbar die Mitteilung erhalten hat, dass ich bei gewissen Dingen nicht mitspiele. Er hat mir untersagt zu kandidieren.“

„Mehrheit der Hypo verschenkt ...“

Auf die Frage, ob Haider da seine Finger im Spiel gehabt haben könnte, sagte Wurmitzer: „Wer hatte ein Interesse daran, dass ich kein waches Auge mehr auf die Landespolitik werfen kann?" Also Haider? Dazu Wurmitzer ergänzend: „Mit seinem System".

Erschwerend sei hinzugekommen, dass er auch dagegen gewesen sei, dass Haider noch einmal Landeshauptmann werde, „weil ich die Zielrichtung seiner Politik erkannt habe. In dieser Periode wurde viel an Landesvermögen verkauft, und vor allem wurde die Hypo verschenkt – die Mehrheit der Hypo-Anteile wurde verschenkt. Das hat dazu geführt, dass, ohne dass die Hypo bezahlt wurde, jemand die Anteile erwerben konnte und ein tolles Geschäft gemacht hat - aber nicht das Land, obwohl die Hypo mehrheitlich mit 52 Prozent im Eigentum des Landes war“, so Wurmitzer.

"... mit Zustimmung der führenden Politiker"

Die Gruppe um Tilo Berlin und sein Konsortium hätten „massiv auf Kosten der Steuerzahler profitiert“, und das nicht nur mit dem Wissen, sondern „mit Zustimmung“ der damaligen Politiker, so Wurmitzer.

„Wenn ich Mehrheitseigentümer bin, kann ich in einem Unternehmen alles steuern. Die Politik hat zugelassen, dass die Mehrheit des Landes verloren geht, aber die Haftung bestehen bleibt - das ist doch ein Akt, der absolut, ja absolut schädlich ist für das Land: wenn ich die Mehrheitsanteile der Hypo verschenke und nur den normalem Kaufpreis dafür erlöse und nicht die Aktienmehrheit - denn diese macht ein Drittel des Kaufpreises aus. Diese wurde nicht verkauft, sondern es wurde ohne Abgeltung der Mehrheit weitergegeben.“

Für eine Stellungnahme zu den Aussagen Wurmitzers war Berlin Dienstagmittag nicht erreichbar.

Das Interview führte ORF-Kärnten-Redakteurin Romy Sigott-Klippstätter

Mit im Boot war damals Martinz. Auf die Frage, welche Rolle er spielte, fiel Wurmitzers Antwort knapp aus: „Mehrheitsbeschaffer“. Darauf, ob Martinz willfährig gewesen sei und warum, sagte Wurmitzer: „Das ergibt sich ja aus den Gerichtsakten.“

Heftige Reaktion aus Wien

Alt-ÖVP-Chef und Seniorenobmann Andreas Khol reagierte auf die Schilderungen Wurmitzers am Dienstagnachmittag empört: „Mit Erstaunen und etwas fassungslos habe ich heute im Ö1-Mittagsjournal meinen alten Freund und Weggefährten Georg Wurmitzer gehört - er war im ÖVP-Parlamentsklub viele Jahre ein ganz wichtiger und verlässlicher Mitstreiter, als ich Klubobmann war, und meinte heute: Wolfgang Schüssel habe ihn wegen seines Widerstandes gegen Jörg Heider untersagt, wieder zu kandidieren.“

Khol wandte sich auch noch persönlich an Wurmitzer: „Lieber Georg, erinnere Dich doch: Kein Bundesparteiobmann der ÖVP hatte und hat die Kompetenz, einem Landesparteiobmann die Kandidatur zu untersagen - im Gegenteil: So etwas hätte in unserer förderalistischen ÖVP das Gegenteil bewirkt. War es nicht allgemeiner ‚Parteiwille‘, Elisabeth Scheucher zur Spitzenkandidatin zu küren, nachdem sie als Listenführerin der ÖVP in der Nationalratswahl 2002 erfolgreich war? Die Schüssel-ÖVP erzielte in Kärnten 30 Prozent.“

Khol weiter: „Es war auch nicht der Stil Schüssels, der mit der feinen Feder und nicht mit dem Holzhammer arbeitete. Ich habe noch heute die Mitteilung der Austria Presse Agentur vom 7. März 2004, dem Tag der Landtagswahl, im Blick, wo Du nach der Halbierung der Kärntner ÖVP von 20,7 auf 11,6 Prozent noch am Wahlabend Deinen Rücktritt in den Raum stellst, den Du später auch vollzogen hast. Hand aufs Herz: War es nicht die Halbierung der Kärntner ÖVP und nicht Wolfgang Schüssel, der Deine politische Karriere beendete?“

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