Dissertation zu Partisanen: Viel mehr Tote

Am Montag ist die Dissertation des Historikers Florian Thomas Rulitz zur Partisanengewalt in Kärnten präsentiert worden. Die Gesamtzahl der Getöteten sei mit rund 1.000 weit höher als bisher angenommen.

Florian Thomas Rulitz untersuchte für seine Dissertation an der Universität Klagenfurt jene zwei Wochen zwischen dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Abzug der Tito-Partisanen am 21. Mai. Dafür befragte er Zeitzeugen und forschte in verschiedensten Archiven.

Früh mit Geschichte konfrontiert

Vier Jahre lang arbeitete er an der Dissertation über die Partisanen in Kärnten. Aufgewachsen in Ferlach, wurde er schon früh mit der Geschichte der Partisanen konfrontiert, sagte Rulitz. Partisanendenkmäler und die Erzählungen seiner Großeltern weckten in ihm das Interesse für das Thema.

Durch die Befragung von Zeitzeugen und das Forschen in den Chroniken von Gemeinden, Pfarren und Gendarmerie förderte er neue, erschütternde Details zu Tage.

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ORF

Dissertation „Die Tragödie von Bleiburg und Viktring. Partisanengewalt in Kärnten"

Mehr als 1.000 Getötete

Rulitz: „Bisher ist man in Österreich von 130 getöteten Verschleppten während der Partisanenbesatzungszeit in Kärnten ausgegangen. Ich konnte in den Pfarr- und Gendarmeriechroniken im Zeitraum zwischen 8. und 23. Mai alleine 350 Tote ausfindig machen, die hier auch begraben sind.“

Die Gesamtzahl der Getöteten im Zusammenhang mit den Partisanen sei um Einiges höher, man komme auf weit über 1.000 Personen, so Rulitz.

Noch mehr Massengräber vermutet

Neben den verschleppten Kärntnern befanden sich unter den Opfern vor allem Kroaten und Slowenen, aber auch Serben, Russen und deutsche Soldaten. Viele dieser Toten wurden über die Grenze ins damalige Jugoslawien gebracht und dort in Massengräbern verscharrt.

Einige dieser Massengräber diesseits und jenseits der Grenze sind bereits bekannt bzw. geöffnet. Laut Zeitzeugen gebe es aber noch viel mehr, so Rulitz - vor allem im Raum Eisenkappel, Ferlach, Bleiburg und Lavamünd. Neben den neuen Fakten gewann Rulitz bei seinen Nachforschungen noch eine Erkenntnis.

Der Krieg in Kärnten endete nicht am 8. Mai, sondern am 21. Mai mit dem Abzug der Partisanen.

„Geschichte ist nicht schwarz-weiß“

Rulitz: „Es gibt in Kärnten zwei bestehende Mythen: Slawe gleich Partisan und Deutschkärntner gleich Deutschnational oder Nazi. Man kann in meiner Arbeit sehen, dass Geschichte nicht so schwarz weiß ist, wie manche Leute es gerne haben möchten.“

Bei der Präsentation des Buches mit dabei war auch der ORF-Journalist Christian Wehrschütz, der dieses Thema immer wieder in seinen Berichten behandelt. Für ihn ist die Aufarbeitung diese Teils der Geschichte noch lange nicht abgeschlossen.

Kärnten aber auch die Steiermark müssten das Thema in grenzüberschreitenden Projekten aufarbeiten, fordert er. Um die Geschichte auch für die Nachwelt nachvollziehbar zu machen, müssten rasch die noch lebenden Zeitzeugen befragt und ausführlich dokumentiert werden, so Wehrschütz.

Zeitzeuge erinnert sich

Einer der Betroffenen, den Florian Thomas Rulitz im Zuge seiner Forschung interviewte, ist Johann Neubersch. Er schilderte eine Begebenheit, die sich im Mai 1945 in einer unscheinbaren Kurve an der Straße von Bleiburg nach Slowenien, etwa drei Kilometer von der Grenze entfernt, zugetragen haben soll.

Bub beobachtete Erschießungen

Vom Wald aus hatte der damals 15 Jahre alte Bauernbub beobachtet, wie kommunistische Partisanen dort einige Kroaten und Pferde erschossen und unterhalb der Straße verscharrten.

Auch mehr als 65 Jahre später erinnert sich der Zeitzeuge noch genau an das Szenario: „Es waren drei oder vier Pferde und fünf oder sechs Ustascha; die waren unterhalb und die Pferde haben sie über sie geworfen. Da drinnen, bei den großen Bäumen, da war so ein Loch.“

15-Jähriger musste Opfer begraben

Das sumpfige Gelände unter der Kurve ist nicht das einzige, wo noch Tote liegen dürften. Oberhalb der Straße im Wald half der damals 15 Jahre alte Johann Neubersch im Frühsommer 1945 selbst mit, ein Opfer zu begraben. Ein Kleinbauer hatte seinen Vater über den Toten informiert.

Neubersch: „Er war voller Würmer. Da hat man keine Haut mehr gesehen, gar nichts. Wir haben auf der Seite 30 Zentimeter hinein gegraben und ihn mit zwei Schaufeln hineingeworfen – auf dem Bauch, anders konnten wir das nicht machen.“

250.000 Flüchtlinge

„75.000 Flüchtlinge sind über den Loiblpass gekommen - davon waren etwa 20.000 Slowenen. Die restlichen Zahlen beziehen sich auf andere slawische Flüchtlinge, die aus Furcht vor den Kommunisten flüchteten und der Rest waren Wehrmachtseinheiten bzw. Verbände der Waffen-SS“, erläutert Florian Thomas Rulitz.

200.000 Flüchtlinge wurden repatriiert oder von Engländern abgewiesen.

Die Gesamtzahl der Flüchtlinge war noch viel größer, betont Rulitz: „Man muss in Kärnten von etwa 250.000 Flüchtlingen ausgehen, die es geschafft haben, die jugoslawisch-österreichische Grenze zu überqueren. Davon wurden in etwa 200.000 repatriiert [Repartiierung: Rückführung von Flüchtlingen, verschleppten Personen und Kriegsgefangenen nach ihrer nationalen Zugehörigkeit in ihre Heimatländer], bzw. von den Briten abgewiesen.“