Josef Winkler: Ein Unbequemer wird 65
„Lass dich heimgeigen, Vater oder Den Tod ins Herz mir schreiben“, so lautet der Titel des neuen Buches von Josef Winkler. Für Winkler bedeutet das Buch einen Abschluss seiner Auseinandersetzung mit seiner Jugend, seinem Vater und seinem Heimatdorf Kamering. Seit Jahrzehnten ist der Ort sein großer literarischer Reibebaum, den Winkler diesmal um eine schreckliche Dimension erweitert hat.
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Hitlers Manager des Todes
Vor drei Jahren stieß Josef Winkler auf ein Buch über SS-Massenmörder Odilo Globocnik. Globocnik war als SS- und Polizeiführer sowohl im Distrikt Lublin in Polen als auch in der Operationszone Adriatisches Küstenland für die Organisatin der Deportation von jüdischen Bürgern verantwortlich. Sein Leichnam wurde nach seinem Zyankali-Freitod im Mai 1945 auf einem Gemeinschaftsfeld von Winklers Heimatort verscharrt. Am Feld, das von Einheimischen „Sautratten“ genannt wird, bauten Winklers Vater und Großvater Getreide an.
Die historische Person Odilo Globocnik zieht sich wie ein Schreckensgespenst durch Winklers Buch."Da hab ich mir gedacht, so jetzt muss ich eigentlich noch einmal von vorne anfangen. Die Geschichte meines Heimatortes Kamering über dieses Skelett, symbolisch ausgedrückt, noch einmal von vorne erzählen", so Winkler. Das Werk basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück, das am 10. November 2017 im Burgtheater-Kasino aufgeführt wurde. Das im Suhrkamp verlegte Werk erscheint am 12. März, präsentiert wird es am 15. März im Rahmen der Leipziger Buchmesse.
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Kamering als Exempel für die Welt
An seinem Heimatort Kamering arbeitete sich Winkler regelrecht ab. In der Literaturwelt wurde er dafür zwar mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet. Seine literarische Auseinandersetzung mit Kamering führte jedoch oftmals zu heftigen Reaktionen der Einwohner gegenüber dem ungeliebten Sohn des Ortes. „Ich muss schon sagen, ich habe es ihnen nicht leicht gemacht. Deswegen verstehe ich in einer gewissen Weise, dass man mir ablehnend gegenüber steht“, so Winkler.
In seinem neuen Buch wird der Ort Kamering zum Exempel für die Welt. Verdrängung, Tod, Schweigen und das Nichtbewältigen der Vergangenheit ist ein gesamtösterreichisches, wenn nicht gar ein weltweites Phänomen. „Wegen des furchtbaren Kadavers ist das Fenster in die Welt hinaus offen. Es wird nicht mehr nur ein kleines Dorf eingefangen, jetzt ist es in diesem Sinne mehr“, sagt Josef Winkler.
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„Vom Misthaufen zu Suhrkamp“
Seine literarische Karriere begann der am 3. März 1953 Geborene, der zunächst verschiedene Berufe bekleidete, mit dem 1979 erschienenen Roman „Menschenkind“. Dass ihm bereits mit seinem Debüt der Sprung „vom Misthaufen zu Suhrkamp“ gelang, verdankt Winkler Martin Walser, der damals das Manuskript an den renommierten deutschen Verlag empfahl. Dem Suhrkamp Verlag ist Winkler bis heute treu geblieben.
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Gemeinsam mit den folgenden Büchern „Der Ackermann aus Kärnten“ und „Muttersprache“ gelang Winkler mit dieser „Das wilde Kärnten“ genannten Trilogie nicht nur eine bemerkenswerte literarische Auseinandersetzung mit den Gespenstern und Schrecken seiner Kindheit, die bis zum bisher letzten Buch „Roppongi. Requiem für einen Vater“ fortdauerte, sondern auch die Möglichkeit, ab 1982 als freier Schriftsteller seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Mit 65 Jahren noch lange nicht Schluss
Aus Josef Winkler hätte eigentlich ein Pfarrer werden sollen. Durch die religiöse Erziehung habe man ihm den Glauben aber kaputt gemacht, sagte der Autor einmal gegenüber dem ORF. Geworden sei aus ihm stattdessen eben ein literarischer Gotteslästerer. Zudem verriet er: „Ein Ziel von mir ist ja, exkommuniziert zu werden. Deswegen schreibe ich weiter.“
Mit 65 Jahren denkt Josef Winkler also an alles andere als an den Ruhestand. Derzeit schreibt er die Festrede für die 500-Jahr-Feier von Klagenfurt. In weiterer Folge will er für die literarische Stoffsuche wieder die ganze Welt bereisen. Sein Ziel ist es literarische Spuren zu hinterlassen, was ihm schon seit mehr als vier Jahrzehnten gelingt.