Zeitreise durch das Leben der Italiener

Mit dem „Museo del Novecento“ in Mestre gibt es Italiens erstes Museum für die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Mit Videoinstallationen, 3D-Brillen und interaktiven Aufgaben werden dem Besucher Entwicklungen in Musik, Lebensstil, aber auch Mode, Wirtschaft und Politik näher gebracht.

Was waren besonders wichtige Momente im Leben unserer südlichen Nachbarn? Wie haben sich Mode und Lebensstil zwischen 1900 und der Jahrtausendwende verändert? Wie wurde bzw. wird gewohnt, gekocht, gearbeitet? Was macht das Familienleben in Italien aus? Antworten auf Fragen wie diese, statistische Daten und kuriose Fakten über das 20. Jahrhundert aus italienischer Sicht stehen im Mittelpunkt der Dauerausstellung im „museo del novecento“, kurz M9 genannt.

SSC Museum der Italiener

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Arbeitskleidung

Acht Schwerpunkte interaktiv zu erkunden

Auf mehr als 10.000 Quadratmeter und zwei Stockwerken gibt es acht Themenschwerpunkte auf Italienisch und Englisch zu erkunden, erzählt Giuseppe Saccà. Der Historiker stellte gemeinsam mit Kollegen die Schau zusammen. Ihnen war wichtig, den Museumsbesuchern bei ihrem Rundgang möglichst viel Freiraum zu lassen: „Er ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern nach Themen. Es gibt einen Schwerpunkt, der der gesellschaftlichen Entwicklung gewidmet ist, einer dem Lebensstil, einer der Wissenschaft und der Wirtschaft und einer der Arbeit.“ Weiter geht es mit einem Abschnitt über die Landschaft und die Stadtbaugeschichte des vorigen Jahrhunderts, bei der auch der italienische Futurismus eine Rolle spielt.

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Mode und Frisuren, die man früher trug

Weitere Schwerpunkte bilden Politik, Wirtschaft und kulturelle Begebenheiten. „Insgesamt acht Sektionen ermöglichen den Besuchern eine faszinierende Zeitreise quer durch die Sozial-, Natur- und die Kulturgeschichte. In allen Bereichen geht es um die Geschichte und die Identität der Italiener.“

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Wie man früher wohnt

Politik und Wirtschaft verständlich erklärt

Für ihn als Historiker sei die Politik-Sektion die wertvollste. Nicht nur, weil sie ihn persönlich interessiere, sondern auch wegen des Umgangs mit den historischen Dokumenten, sagt Giuseppe Saccà. Für Interessierte gibt es Einblicke in das Kriegsgeschehen und in einer Art Arena wird simuliert, wie es gewesen sein muss, wenn man auf einer Piazza einer Rede des „Duce“ beiwohnte.

Sendungshinweis:

„Servus, Srečno, Ciao“: 19.1.19

Im „Aquarium der Politik“ werden auf einem Bildschirm die Veränderungen der politischen Landschaft gezeigt - von der Ausrufung der Republik 1946 bis zu den Politskandalen und der Wahlrechtsreform Mitte der 1990er Jahre. Traditionelle Parteien verschwanden zusehends - gezeigt wird das in Form der Nahrungskette der Fische im Meer.

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„Im ganzen Museum ist die Technologie ein Dienstleister für die Inhalte“, sagt der Experte. Gut drei Jahre lang wurde daran getüftelt, wie altes Foto- und Filmmaterial für die Museumsbesucher besonders ansprechend aufbereitet werden könnte. Dazu waren umfassende Recherchen nötig, so Giuseppe Saccà: „150 Archive in ganz Italien und halb Europa wurden eingebunden und die historischen Dokumente im Anschluss multimedial aufbereitet.“

Museum soll neues Viertel beleben

Das M9 ist ein interaktives Museum, das sowohl die Einwohner von Mestre, als auch Touristen ansprechen soll. Teils Bildungs-, teils Veranstaltungsort, soll es auf Venedigs Festland, der „terra ferma“, einen Kontrast zu der vom Tourismus dominierten Inselstadt darstellen.

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Mit dem M9 entstand nicht nur nur ein neues Museum, sondern gleichzeitig auch ein neues Viertel, erklärt Museumsdirektor Marco Biscione: „Im 16. Jahrhundert befand sich hier ein Kloster, später eine Kaserne. Es umfasst einen Hektar mitten im Herzen der Stadt, der praktisch seit Jahrzehnten brach lag. Jetzt haben wir ihn sozusagen den Bürgern von Mestre wieder zurückgegeben."​

110 Mio. Euro investiert

Das Berliner Designerstudio Sauerbruch Hutton entwarf den Komplex des M9. Realisiert wurde er zwischen 2014 und 2017. 110 Millionen Euro investierte die Stiftung "Fondazione di Venezia“, die Projekte im Bereich Kultur und Forschung fördert.

Ausgangspunkt für das Museum war ein Projekt zur Innenstadtbelebung. Das sei einzigartig weit und breit, sagt der Museumsdirektor. Den Mittelpunkt des neuen Viertels bildet ein kleiner Museumsplatz. Rundherum befinden sich Restaurants und Geschäfte, um die Innenstadt zu beleben. Die Mieteinnahmen kommen gleichzeitig dem Museum zu Gute. Das Museumsgebäude selbst beherbergt im Erdgeschoss öffentliche Funktionen wie Mediathek, Auditorium, Museumsshop und Café. Die Ausstellungs- und Veranstaltungsbereiche in den Obergeschossen erreicht man über eine dramatisch inszenierte Treppe.

Fotoschau bis Mitte Juni zu sehen

Der dritte Stock des M9 ist Wechselausstellungen gewidmet. Bei der derzeitigen Sonderschau stehen bedeutende Fotografen Italiens im Mittelpunkt, erklärt Giuseppe Saccà: „Auch in diesem Fall ist es eine Zeitreise in das vergangene Jahrhundert aus dem Blickwinkel namhafter Fotografen. Die Bilder zeigen Landschaft und Brauchtum.“

Die Künstler erzählen auf ihre Art und künstlerische Herangehensweise, wie sich ihr Heimatland im Laufe des vergangenen Jahrhunderts verändert hat. Große Namen wie Olivo Barbieri, Gabriele Basilico, Letizia Battaglia, Gianni Berengo Gardin, Carla Cerati, Luca Campigotto, Lisetta Carmi, Giovanni Chiaramonte, Mario Cresci, Mario De Biasi, Franco Fontana, Maurizio Galimberti, Arturo Ghergo, Luigi Ghirri, Mario Giacomelli, Francesco Jodice, Mimmo Jodice, Nino Migliori, Riccardo Moncalvo, Ugo Mulas, Fulvio Roiter, Ferdinando Scianna, Tazio Secchiaroli, e Massimo Vitali sind vertreten.

230 Bilddokumente in unterschiedlichen Formaten, Farben und in schwarz-weiß gilt es bei der Ausstellung “L’Italia dei fotografi. 24 storie d’autore“ zu entdecken. Zu sehen ist sie bis 16. Juni. Abgerundet wird die erste Sonderausstellung mit M9 durch zahlreiche Veranstaltungen, die bis Mitte Juni - in regelmäßigen Abständen - in Meste stattfinden. In Zukunft wollen die Betreiber mit weiteren Ausstellungen eine Brücke in die Jetztzeit, in das neue Jahrtausend, bauen.

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