Beim Boccia dreht sich alles um die Kugel

„Das Leben ist Spiel und Spiel ist Leben“ - diesem Motto folgen in Friaul Julisch Venetien viele Bocciaspieler. In Fiumicello, im Süden von Udine, in der Nähe von Aquileia gelegen, finden regelmäßig Turniere statt. Es werden Boccia-Freunde aus Kärnten gesucht.

Sobald im Frühling die ersten, warmen Sonnenstrahlen die Menschen ins Freie locken, gilt auch die Boccia-Saison als eröffnet. Überwiegend Männer sind es, die dieser Sportart nachgehen. Alles dreht sich dabei um die “Bocce”, Kugeln aus Hartholz, Kunststein oder Metall. Gespielt wird entweder im Freien, oder in Hallen, so wie im „Bocciodromo Comunale“ in Fiumicello. Dort treffen sich mehrmals pro Woche Kugelfanatiker zum Training und an den Wochenenden zu Wettkämpfen.

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Beim Boccia-Spielen geht es darum, die eigenen Kugeln möglichst nah an eine etwas kleinere Zielkugel, den sogenannten “pallino”, zu platzieren bzw. die gegnerischen Kugeln möglichst weit wegzuschießen. Was für Zuseher einfach aussehen mag ist in Wahrheit Millimeterarbeit - nicht umsonst zählt “Boccia” im Fachjargon zu den “Präzisionssportarten”. Seit 1984 ist Boccia auch eine paralympische Sportart.

Sendungshinweis:

Servus Srecno Ciao, 28.4.2018

Spiel mit jahrhundertelanger Tradition

Erste Anfänge des Boccia-Spieles können bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich unterschiedliche Spielformen und Varianten entwickelt. In ganz Europa wurde auf öffentlichen Straßen und Plätzen gespielt. Am bekanntesten ist das französische Boule - genannt Pétanque.

Bei unseren italienischen Nachbarn gibt es seit 120 Jahren einen eigenen Boccia-Verband, die „Federazione Bocce in Italia“. In Friaul Julisch Venetien wurde die Regionalstelle nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, auch wenn auch hier praktisch schon immer Boccia gespielt wurde.

Schon immer gehört auch das “Spielen, Reden und Weintrinken” zum Training. Bei aller Geselligkeit darf aber auch der Wettkampfgedanke nicht außer Acht gelassen werden.

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Die Atmosphäre in der Halle ist voller Spannung - für Viele besser als Fernsehen

Moderne Varianten unter Spieler-Nachwuchs beliebt

Das Boccia-Spiel kennt keine Altersbeschränkungen. Kinder können schon mit acht Jahren beginnen - mit leichteren Kugeln. Auch unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Sport äußerst beliebt, erklärt Nicola Ziraldo aus Fagagna: “Erfahrenere Spieler schätzen eher die traditionellen Wettkämpfe. Weil sie aber länger dauern, können sie Anfängern vielleicht langweiliger vorkommen. Sie widmen sich lieber den alternativen und moderneren Spielarten - wie dem Präzisionswurf.”

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Die Spieler sind voll konzentriert bei der Sache

„Frauen zeigen Männern wo es langgeht“

Maria-Grazia Coslovich ist seit 13 Jahren begeisterte Boccia-Spierlerin. Sie fing in einer reinen Frauenmannschaft an, aber mittlerweile es gefällt ihr auch, sich bei den Wettkämpfen mit den Männern zu messen: „Für mich macht das die Faszination dieses Sports aus. Wenn ich die Männer besiegen kann, ist das eine schöne Genugtuung für eine Frau. Es heißt ja immer, das starke Geschlecht muss gewinnen; aber die Männer haben durchaus Respekt vor mir. Sie spielen ja sonst lieber unter sich. Wenn wir Frauen untereinander spielen, geht es aber auch nicht unbedingt ruhig zu. Meine Teamkolleginnen sind alle sehr taff und spielen mit viel Aggressivität. Es ist dann oft fast leichter gegen die Männer zu spielen als gegen Frauen.“

Ein Spiel kann zwischen 15 Minuten und drei Stunden dauern. Gespielt wird im Solo oder in Mannschaften zu zweit oder zu viert. Hier bei diesem Wettkampf im „Bocciodromo Comunale“ in Fiumicello treten jeweils zwei Spieler pro Mannschaft gegeneinander an.

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Dino Stocco hat mit Boccia seinen absoluten Lieblingssport gefunden

Dino Stocco ist mit 88 Jahren noch vorne dabei

Dino Stocco wurde 1933 geboren und ist als “giocatore storico” in der ganzen Region bekannt. Seit 50 Jahren spielt er Boccia und lässt fast kein Turnier aus. Lange Jahre war er unter den besten der Gegend - unzählige Preise konnte er in seiner Laufbahn schon mit nach Hause nehmen. Die Erfahrung kommt ihm zu Gute.

“Ernsthaft - man braucht Köpfchen. Ich schaue immer, dass ich meine Gegner durchschauen kann, um dann an ihren Schwachpunkten anzusetzen. Ich treffe zum Glück noch sehr gut. Das ist nicht leicht. Ich trainiere ja nicht mehr viel und spiele maximal zwei Wettkämpfe pro Woche. Aber ich habe einen Garten…es gefällt mir dort zu arbeiten, so halte ich mich fit", sagt der Boccia-Veteran.

Doch nicht alle Vereinsmitglieder sind bis ins hohe Alter aktiv, Viele begnügen sich irgendwann damit, einfach nur zuzusehen. So wie Roberto Pascolat. Er zieht es aber vor, in die Spielhalle zu kommen, anstatt sich zum Beispiel ein Fußballspiel im Fernsehen anzusehen: „Es ist irgendwie beruhigend und Außenstehende könnten vielleicht meinen, der Enthusiasmus der Spieler sei nicht ansteckend und es sei ein Spiel für alte Männer - das stimmt nicht. So oder so - es braucht Leidenschaft.“

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Boccia-Freunde aus Kärnten gesucht

Die Sportart ist nicht nur im Triveneto, also im Gebiet der drei Venetien, äußerst beliebt - auch in den Nachbarländern Slowenien und Kroatien ist sie weit verbreitet. Die Boccia-Freunde aus Friaul Julisch Venetien würden sich wünschen, wenn sich auch im Nachbarland Kärnten Interessierte finden würden, um in Zukunft gemeinsam Turniere zu organisieren, sagt Raffaele Venturini aus Buttrio. Er ist Präsident der regionalen Boccia-Vereinigung: “Wir würden uns freuen, wenn wir uns mit österreichischen Boccia-Spielern austauschen könnten. In Slowenien ist dieser Sport ja auch weit verbreitet. Ein Freundschaftsspiel der drei Länderregionen wäre toll, um die Nachbarn einander näher zu bringen. Der Sport vereint und es wäre schön, wenn dieser Gedanke auch über die Grenzen gehen würde.”