„Aufgezeigt“: Gerichtskrimi mit Happy End

Ein Anwalt, der in Konkurs geht, ein Bezirksgericht, das um Jahre verzögert Gebühren nachfordert und die Mindestrentnerin Frau Astrid aus Spittal, die auf 272 Euro Kosten sitzen bleiben soll. Darum geht es dieses Mal in „Aufgezeigt“.

Frau Astrid (Name von der Redaktion geändert) aus Spittal hat vor Jahren schon ein Krankenhaus geklagt, weil eine Fußoperation nicht gut gelaufen ist. Den Prozess hat Frau Astrid verloren, ihre Rechtsschutzversicherung kam für alle Kosten auf und die ganze Geschichte wäre längst vergessen, hätte Frau Astrid nicht vor ein paar Wochen Post vom Bezirksgericht bekommen. 272 Euro Gerichtsgebühren soll sie jetzt plötzlich nachzahlen, für sie ist das sehr viel Geld.

„Bleibe auf Kosten sitzen!“

„Das Problem ist, dass ich eine Nachzahlung vom Gericht von 272 Euro zu begleichen habe, obwohl der Rechtsanwalt das Geld bekommen hat, und ich jetzt auf den Kosten sitzen bleibe“, so Frau Astrid. Weil sie genau das verhindern will, zeigt Frau Astrid nun auf, was ihr passiert ist. Anonym, sie möchte eigentlich keinen Trubel. 2013 hat Frau Astrid das Krankenhaus geklagt, nach der unglücklichen Operation mit Unterstützung ihrer Rechtsschutzversicherung, der ARAG.

Anwalt schickt Vertretung

Die Versicherung teilt ihr einen Villacher Anwalt zu. Beim zweiten Gerichtstermin kommt plötzlich ein Unbekannter, zu Frau Astrids Überraschung taucht ihr Anwalt gar nicht mehr auf. „Er hat eine Vertretung geschickt, das war eine mehrstündige Verhandlung, leider ist das dann so ausgegangen. Ich habe dann keine weiteren Schritte unternommen, weil ich mir das nicht leisten konnte“, so Frau Astrid.

Zahlungsaufforderung nach vier Jahren

Frau Astrid verlor den Prozess. Zum Glück zahlte die Rechtsschutzversicherung ARAG alle Kosten, auch jene 272 Euro, um die es geht und die jetzt vier Jahre nach Prozessende Frau Astrid als Mindestrentnerin plötzlich selbst aufbringen soll. „Die Rechtsschutzversicherung hat die ganzen Kosten übernommen, jetzt sagt sie, ein zweites Mal zahlt sie es nicht, was verständlich ist“, so Frau Astrid. „Ich denke, dass der Rechtsanwalt irgendetwas verabsäumt hat, weil er ja praktisch von der Versicherung bezahlt wird, er hat ja das Geld über. Oder hat er was übersehen, ich will aber niemanden beschuldigen“, so Frau Astrid weiter.

Anwalt nicht erreichbar

Nachdem Frau Astrid die Zahlungsaufforderung bekommen hat, versuchte sie ihren ehemaligen Anwalt zu kontaktieren. „Der ist in Konkurs gegangen und jetzt ist er natürlich nicht erreichbar“, so Frau Astrid. Sie wendet sich deshalb an den Nachfolger und außerdem an den Masseverwalter ihres Anwaltes und schließlich an die Rechtsanwaltskammer. „Man wird nur abgeschoben überall hin, niemand ist zuständig. Das sehe ich nicht ein, ich möchte das aufgeklärt haben, ich kann da ja nichts dafür“, so Frau Astrid.

Gerichtsgebühr hängt vom Streitwert ab

Das „Aufgezeigt“-Team fragte zuerst beim Gericht nach, was da bei der Verrechnung der Gerichtsgebühren passiert ist. Soviel vorweg: Wie hoch die Gerichtsgebühr ist, hängt vom Streitwert in der Klage ab. Frau Astrid hat das Krankenhaus auf 6.000 Euro Schadenersatz geklagt, also sind 6.000 Euro Streitwert und dafür wären 264 Euro Gerichtsgebühr fällig gewesen. Plus Mahnspesen ergibt das die 272 Euro, um die es geht.

Anwalt vergaß, Streitwert einzutragen

Der Vorsteher des Bezirksgerichtes Klagenfurt, Wilhelm Waldner, half dem „Aufgezeigt“- Team bei der Aufklärung: „Tatsache ist, dass der Anwalt eine Klage über den elektronischen Rechtsverkehr eingebracht hat und da gibt es eine Maske auszufüllen, und in dieser Maske hat er den Streitwert nicht angegeben, sodass ein Streitwert von null Euro aufscheint“, so Waldner. „Wir haben hier hunderte Klagen, die eingebracht werden und da kann es dann durchaus passieren, dass eben nicht auffällt, dass die Gerichtsgebühr zu gering vom Rechtsanwalt angegeben wurde.“

Diskrepanz fällt erst nach mehreren Jahren auf

Aufgefallen ist das erst vier Jahre später bei der Revision. Die Akten werden nämlich regelmäßig überprüft. „Tatsächlich schauen sich die Revisoren die ältesten Akten an, weil der Anspruch des Bundes auf Gerichtsgebühren innerhalb von fünf Jahren verjährt. Und dann kann es sein, genauso wie bei Frau Astrid, dass der Revisor draufkommt, dass es eine Diskrepanz zwischen angegebenen Streitwert und tatsächlichen Streitwert gibt“, so Waldner. Es handle sich jedoch um Einzelfälle, bei eintausend Klagen gebe es vielleicht zwei oder drei solcher Fälle.

Ehemaliger Anwalt in Konkurs

Frau Astrid ist also ein echter Pechvogel. Aber muss wirklich sie bezahlen, wenn doch die ARAG ihrem Anwalt alles bezahlt hat? Oder haftet der Anwalt, dem bei der Computerklage vielleicht ein Schlampigkeitsfehler passiert ist? Das „Aufgezeigt“-Team fragt Alexander Jelly von der Rechtsanwaltskammer.

Sendungshinweis:

Aufgezeigt, 22. Mai 2018

„Es ist natürlich bedauerlich, wenn einem Anwalt ein Fehler unterläuft, aber gerade dafür ist auch gesetzlich vorgesorgt. Jeder Anwalt ist verpflichtet, eine gesetzliche Haftpflichtversicherung zu haben. Das heißt, wenn ein Anwalt einen Fehler macht und dadurch ein Schaden entstanden ist, dann wird seine Haftpflichtversicherung dafür einstehen und den Schaden begleichen“, so Jelly. Das Problem daran ist aber, dass der ehemalige Anwalt von Frau Astrid pleite ist und das Insolvenzverfahren noch läuft. Der Anwalt war auch für das „Aufgezeigt“-Team nicht erreichbar.

Rentnerin bezahlt die Gebühr

Nach wochenlangen Recherchen, die Frau Astrid im Kreis geführt aber nicht weitergebracht haben, hat sie dann die Konsequenzen gezogen. „Die 272 Euro habe ich bezahlt, in zwei Raten, Das ist mir vom Gericht genehmigt worden. Ich habe es beglichen, weil sonst hätte ich eine Exekution gehabt, das wollte ich vermeiden“, so Frau Astrid. Sie fühlt sich ungerecht behandelt: „Ich verstehe es nicht, dass ich jetzt nach vier Jahren eine Rechnung vom Gericht bekomme. Wo das praktisch alles bezahlt war. Wo ist das übrige Geld? Warum, weshalb...“, fragt sich Frau Astrid.

Berufshaftpflicht deckt Schäden ab

Weil das „Aufgezeigt“-Team keine Vollmacht vom ehemaligen Anwalt hat, können diese Fragen nicht beantwortet werden. Der Masseverwalter hat die Kontoübersicht, das Insolvenzverfahren läuft ja noch. Das „Aufgezeigt“-Team fragte nach, wie das üblicherweise abläuft mit Gerichtsgebühren, wenn die Klägerin rechtsschutzversichert ist. „Wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat, ist es üblicherweise so, dass der Anwalt vorweg die Gerichtsgebühren bei der Rechtsschutzversicherung anfordert, diese zahlt das Geld auf das Anwaltskonto und das Gericht schöpft das Geld dann von diesem Konto ab“, so Jelly.

Vom Konto des Anwaltes hat das Gericht aber in diesem Fall nur die Mindestgebühr abgeschöpft, der Rest, 272 Euro, müssten eigentlich noch am Anwaltskonto liegen. Genau weiß das aber nur der Anwalt und dessen Masseverwalter. Grundsätzlich sind Anwälte aber gut versichert, sagt Alexander Jelly. Jeder Anwalt muss eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, die Schäden aus Anwaltsfehlern bis zu 600.000 Euro abdeckt. Und diese Haftpflicht muss auch noch zahlen, wenn der Anwalt, wie in Frau Astrids Fall, gar nicht mehr aktiv arbeitet.

Gerichtskrimi mit Happy End

Jelly ist überzeugt davon, dass Frau Astrid nicht auf den 272 Euro sitzen bleiben wird. „Sollte es der Fall sein, dass dem Kollegen ein Missgeschick bei der Bemessung des Streitwertes nachgewiesen werden kann, dann müsste auch heute noch die Haftpflichtversicherung des damaligen Anwalts die Leistung übernehmen“, sagt Jelly. Damit die Mindestrentnerin aber nicht länger warten muss, übernimmt der Freundeskreis des insolventen Anwaltes die Gerichtsgebühren, sagte die Rechtsanwaltskammer zu. Frau Astrid bekommt die leidigen Gebühren also zurück, und zwar direkt auf ihr Konto. Ein schönes Ende also für diesen spannenden Gerichtskrimi.

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