Bilanz: Hundert Tage Regierung

Seit hundert Tagen ist die rot-schwarz-türkise Regierungskoalition in Kärnten im Amt. Die Parteichefs der ersten Koaltionsregierung nach Abschaffung des Proporzes präsentierten aktuelle Wirtschaftsdaten und Projekte.

Früher waren alle Landtagsparteien ab einer gewissen Stärke automatisch in der Landesregierung verteten, jetzt stellen nur noch SPÖ und ÖVP die Regierungsmitglieder. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und Landesrat Martin Gruber (ÖVP) haben am Freitag Bilanz über die ersten 100 Tage ihrer Regierungsarbeit gezogen. Man arbeite auf Augenhöhe, spreche Probleme offen an und suche gemeinsam nach einer raschen Lösung.

Kaiser zählte eine ganze Reihe von Errungenschaften auf, von den guten Wirtschaftszahlen bis zu einer Milliarden-Investition beim Chip-Hersteller Infineon, für die die Landespolitik einen Beitrag geleistet habe. Gruber tat es ihm gleich und nannte etwa eine neu eingerichtete Wirtschaftsombudsstelle, Straßen-Sanierungen und eine neue Fischotterverordnung. Die aktuelle Regierung ist die erste echte Koalitionsregierung in Kärnten. Die Verfassungsänderung und die Verlagerung der politischen Auseinandersetzung in den Landtag bewerteten beide als positiv.

Opposition soll in Landesholding vertreten sein

Der Opposition attestierten die Koalitionäre, ihre Rolle noch nicht ganz gefunden zu haben. Kaiser kündigte an, dass FPÖ und Team Kärnten demnächst mit einer Gesetzesänderung auch in den Gremien der Landesholding vertreten sein werden.

Die ersten Schritte der Koalition waren schwierig. Die ÖVP düpierte die SPÖ durch einen Obmannwechsel, der entgegen aller Vereinbarungen durchgezogen wurde. Die SPÖ stimmte der Zusammenarbeit dann nur zu, weil die ÖVP auf das Einstimmigkeitsprinzip in der rot-dominierten Regierung verzichtete. Eine Rechtsänderung, deren theoretische Existenz wohl reicht. „Noch nie“, sagte Gruber, sei es zu einem Mehrheitsbeschluss gekommen. Kaiser: „Und das wird es auch nicht.“

Bundespolitik als koalitionsfreier Raum

Irritationen wegen der unterschiedlichen Rollen der Parteien auf Landes- und Bundesebene begegnen die Kärntner Regierungspartner damit, dass bei Bundesthemen der koalitionsfreie Raum gelte. Wenn etwa über den Landespressedienst die Bundesregierung kritisiert werde, „gibt es immer wieder Diskussionen“, sagte Gruber. Trotzdem: „Es ist ein Spagat, der zu schaffen ist.“

Kaiser hatte bereits nach 60 Tagen und der Bekanntgabe der 1,6 Milliarden-Investition von Infineon in Villach ein erstes Resümé gezogen - damals allerdings ohne den Koalitionspartner, was in der ÖVP for Stirnrunzeln sorgte.

Am Freitag demonstierte man auf eine neue, moderne Art Einigkeit. Bevor Kaiser und Gruber ihre Pressekonferenz vor Journalisten gaben, verbreiteten sie die Hundert-Tage-Bilanz via Facebook in Form eines Doppelinterviews, bei dem allerdings der Ton nicht immer mitspielte. Erste Bilanz: Mehr als 900 Aufrufe, an die 70 Likes und 50 Kommentare.

Kritik von FPÖ und Team Kärnten

Die Koalition habe keine konkreten Ideen, Projekte und Maßnahmen für Kärnten, sagte FPÖ-Chef Gernot Darmann. „Es müsste dringend Schwerpunkte im Bereich der Ausbildung unserer Arbeitskräfte geben, damit die Nachfrage an Fachkräften endlich gedeckt werden kann. Im Bereich der 24-Stunden-Betreuung zuhause ist eine Ausweitung der finanziellen Unterstützung überfällig. Und es muss dringend eine Absicherung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum geben“, so Darmann. Das sei seit vielen Jahren verabsäumt worden und sei laut ihm schnellstmöglich umzusetzen.

„Kein positives Zeugnis“ stellte die Oppositionspartei „Team Kärnten“ der Landesregierung für ihre ersten 100 Tage aus. „Postenschacher und Reformverweigerung prägen leider weiter das Bild der Koalition“, meinte Obmann Gerhard Köfer in einer Aussendung. In Wahrheit herrsche eine SPÖ-Alleinregierung. Aus einer von der ÖVP versprochenen Infrastrukturmilliarde sei nichts geworden.