„Lost places“ im Alpen-Adria-Raum

Der Kärntner Redakteur Georg Lux und Fotograf Helmuth Weichselbraun erkunden „Lost places“, verlassene Orte, im Alpen-Adria-Raum. Eine Mischung aus Abenteuerlust, Neugier und Interesse an Geschichte treibt die beiden an. Aus den verlassenen Orten entstand ein Buch.

Für Georg Lux ist das Besondere am Erkunden das Abenteuer, das Hinfahren und schauen, ob man überhaupt hinein dürfe. „Wenn niemand da ist, den man fragen kann, gilt es abzuwägen, ob man das überhaupt darf. Es ist ja oft auch nicht ganz ungefährlich.“ Das werde auch im Vorwort des Buches erläutert, man sollte nicht alles, was die beiden machten, nachmachen. „Man muss auch vorsichtig sein. Auch die Recherche - vorab und danach, tiefer zu graben und zu schauen, gibt es historische Quellen und was war da eigentlich wirklich los?“

alte Torpedo Fabrik - verfallenes Haus - Gemäuer in Italien - Triest - Rijeka

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Torpedofabrik in Rijeka

Im Industriegebiet von Rijeka entdeckten die beiden - versteckt hinter Fabrikshallen - einen besonderen Schatz: Die Ruine einer Torpedo-Fabrik samt Abschussrampe ins Meer: „Die Torpedofabrik ist deswegen so spannend, weil ja eigentlich niemand Torpedos mit Rijeka oder schon gar nicht mit der Adria verbindet, sondern hauptsächlich mit Kriegsfilmen. Andererseits haben wir auch bei der Recherche festgestellt, hier, in dieser Torpedofabrik sind 1910 die ersten und letzten österreichischen U-Boote zu Wasser gelassen worden.“

alte Torpedo Fabrik - verfallenes Haus - Gemäuer in Italien - Triest - Rijeka

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Sendungshinweis:

Servus Srecno Ciao, 29.4.2017

Zu Spitzenzeiten waren in der Firma Whiteheat mehrere tausend Mitarbeiter beschäftigt - je nachdem, wie viele Torpedos im Kriegsgeschehen gerade gebraucht wurden. Die tüchtigsten Fabriksarbeiter wurden von der Torpedofabrik abgeworben. Sie bekamen hier doppelt so viel Lohn wie zum Beispiel die Arbeiter in den Raffinerien, die an sich schon mehr verdienten als in anderen Fabriken.

Die Anfänge der Torpedos

Im „Otvoreni Depo“, einer öffentlichen Sammlung im Stadtteil Zabica, steht die Besonderheit dieser Erfindung aus technischer Sicht im Mittelpunkt, so Technikprofessor Dinko Zorovič: „Der Erfinder, Giovanni Luppis, stammt aus Rijeka. Er war Kommandant eines kleinen Schiffes, das immer vor dem Hafen von Rijeka hin und her patrouillierte. Wenn sich ein feindliches Schiff genähert hatte, hätten Luppis und seine Crew angreifen müssen, um die Stadt zu verteidigen.“

alte Torpedo Fabrik - verfallenes Haus - Gemäuer in Italien - Triest - Rijeka

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Er habe die Idee gehabt, ein kleines Boot von fünf bis sechs Metern Länge zu erschaffen, auf dem sich Sprengstoff befand und das von einem Motor angetrieben wurde. Mit Schnüren konnte es vom Festland aus in Richtung des feindlichen Schiffes hin gesteuert werden. „Diese Erfindung war noch recht einfach und auch für die Angreifer sichtbar. Whitehead hatte die Idee, dieses Boot unter Wasser fahren zu lassen. So entstand der Torpedo“, so Zorovič.

Lost places

Styria Verlag

Verfallen und Vergessen, 208 Seiten, ISBN 978-3-222-13551-4, 22,90 Euro

Der Großteil der hier gezeigten Exponate stammt von der kroatischen Kriegsmarine, sichergestellt im Golf von Split und von Rijeka. Kurator Goran Pernjek sagte: „Wenn sie hierher gebracht werden sind die Torpedos voller Gesteinsablagerungen und Muscheln. Nach der Grundreinigung können wir sie mit originalen Werkzeugen aus der Torpedofabrik öffnen und zerlegen. Das Metall ist meist noch in sehr gutem Zustand. Wir versuchen dann, diesen so gut wie möglich zu erhalten und die Teile in die Ausstellung zu integrieren.“

Triest: Junge Leute wider das Vergessen

Wir reisen jetzt weiter in die Hafenstadt Triest, wo es ebenfalls zahlreiche architektonische Juwele gibt. Man denke nur an den alten Hafen. Eine Gruppe junger Triestiner fand sich zusammen, um den langsamen Verfall solcher Gebäude zu dokumentieren und sie so vor dem Vergessen zu bewahren. Auch Georg Lux und Helmuth Weichselbraun wurden darauf aufmerksam. Die Bilder faszinierten sie so, dass sie für ihr Buch einige der verlassenen Orte in der Hafenstadt selbst besuchten.

alte Torpedo Fabrik - verfallenes Haus - Gemäuer in Italien - Triest - Rijeka

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Eines ist das das Hotel Obelisco. Einst war es luxuriöses Parkhotel, heute mehr ein „Dschungelcamp“. Urlaub würden hier wohl nur besonders Mutige machen, so Lux: „Es war das Luxus-Hotel schlechthin vor Ort, 150 Jahre lang, bis es 1985 geschlossen wurde. Es gibt eine tolle Terrasse mit einem Blick über den ganzen Golf von Triest. Man kann sich schon gut vorstellen, welche Partys hier gefeiert wurden.“

Der Glanz längst vergangener Zeiten

Als Lux und Weichselbraun zum ersten Mal vor Ort waren, seien sie zuerst nicht hinein gegangen, sondern entdecken zuerst Park und Poollandschaft. Erst danach habe man versucht, hinein zu gehen. Da seien aber zwei Personen gewesen, die offensichtlich keine große Freude mit der Anwesenheit gehabt hätten. Sie hätten dann lieber umgedreht.

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Laut Lux gebe es zwei Möglichkeiten bei diesen „Los places": Die erste Möglichkeit ist - schnell rein und schnell wieder raus, weil es einem eh schon ein bisschen mulmig ist oder man weiß nicht, was einen erwartet oder ob einem gleich die Dächer auf den Kopf kommen. Das andere ist - wenn man Zeit hat - dass man sich dann wirklich die Zeit nimmt und das mit den langen Belichtungen und der Lichtmalerei versucht.“

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Niemand kümmert sich um den lost place

Viel ist hier nicht mehr übrig vom Glanz längst vergangener Zeiten, denn die Besitzverhältnisse seien unklar. Es befinde sich in irgendeiner Konkursmasse, es kümmere keinen. „Leider gibt es sehr sehr viele solcher Gebäude im Alpen-Adria-Raum. Wenn man dafür ein Auge entwickelt, wie wir es gemacht haben, wird man fast nicht fertig mit dem Schauen und dem Recherchieren und deswegen haben wir es auch versucht, es festzuhalten und laden alle ein, ein bisschen genauer hinzuschauen.“

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