Härtefonds für Inkontinzenz-Betroffene

In ihrem ersten Fall beschäftigt sich Gudrun Maria Leb mit der neuen Inkontinenzverordnung der Kärntner Gebietskrankenkasse. Betroffen sind 6.500 Kärntner, die beträchtliche Mehrkosten haben. Sie können Geld aus einem Härtefonds beantragen.

Mit knapp zwei Jahren fiel Rebecca in den Pool eines Nachbarn und wäre fast ertrunken. Seitdem ist sie schwer behindert und auch inkontinent. Die heute 25-Jährige ist eine von rund 6.600 Betroffenen, die in Kärnten zuhause gepflegt werden. Für Windeln muss Familie Schorn ab sofort 61,50 selbst dazu zahlen. 150 Stück braucht Rebecca pro Monat, bisher bekam sie diese gratis. Nur noch 23,10 Euro zahlt die Krankenkasse an Zuschuss, das reicht für knapp ein Drittel der Windeln.

Neue Regelung Inkontinenz Rebecca

ORF

Gudrun Maria Leb zu Gast bei Rebecca und ihrer Familie

Leben von der Mindestrente

Christine Schorn: „Das heißt, zum Anbieter gehen, Windeln aussuchen, selbst abholen und zahlen.“ Die 61,50 Euro jeden Monat seien eine enorme Belastung. Sie habe einen schwer lungenkranken Mann, sie leben von der Mindestrente. Sie müsse auch Betreuerin, Pflege, Handschuhe etc. vom Pflegegeld zahlen. Irgendwo müsse sie nun noch mehr einsparen. Was sie besonders aufregt, sei die Ungleichbehandlung von inkontinenten Menschen in den einzelnen Bundesländern.

Würde Familie Schorn in Oberösterreich, Salzburg oder im Burgenland leben, dann hätte sie nur einen Bruchteil der Kosten zu tragen. 6,15 Euro, den zehnprozentigen Selbstbehalt. Nur Kärnten und Tirol gehen andere Wege. Christine Schorn habe eine Freundin in Wien, die müsse nach wie vor nichts dazuzahlen, das verstehe sie nicht.

GKK: Zahlreiche Beschwerden bei altem System

Der Direktor der Gebietskrankenkasse, Johann Lintner, sagte, auf den ersten Blick erscheine dies als Ungerechtigkeit. Diese entspreche aber der gesetzlichen Lage in Österreich: „Die Gebietskrankenkassen haben je nach ihrer wirtschaftlichen Fähigkeit bei Hilfsmitteln Kostenzuschüsse festzulegen. Die sind unterschiedlich, weil auch die Beitragseinnahmen unterschiedlich sind.“

Auf die Frage, warum die GKK überhaupt das System umstellte, meinte Lintner: „In der herkömmlichen Versorgung gab es zahlreiche Beschwerden über die Qualität der Produkte und es gab eine Überversorgung. Außerdem war die GKK Kärnten interessiert daran, wieder in Gespräche mit dem heimischen Sanitätsfachhandel einzutreten.“

Bedeutete das nicht sparen auf dem Rücken der Betroffenen? Lintner sieht das nicht so, denn es gehe um eine Qualitätsverbesserung und bessere Beratung. Außerdem könnten die Patienten sich das Produkt nun frei wählen. Für Lintner sind Windeln ein Pflegeprodukt.

Geld aus Härtefonds möglich

Natürlich gilt in ganz Österreich das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das bestätigt auch Lintner. Aber das Ausmaß der Zuschüsse sei unterschiedlich geregelt. Die GKK bekomme viele Zuschüsse von anderen Krankenkassen, man müsse mit dem Geld sorgsam umgehen. Bei Mindestrentner und Ausgleichszulagenbeziehern werde man aber den Einzelfall prüfen, so Lintner. Vielleicht gebe es für Familie Schorn Geld aus dem Härtefonds. Man rechne durchaus mit Beschwerden und sei auf Einzelfallprüfungen vorbereitet.

Ist Inkontinenz Krankheit oder Gebrechen?

Das ASVG Windeln sagt nicht eindeutig, ob Windeln ein Heilbehelf oder ein Hilfsmittel sind, so Rechtsexperte Norbert Moser. Laut Gesetz dürfen die Krankenkassen auch selbst festlegen, wie viel sie bezahlen: „Natürlich wird den Gebietskrankenkassen durch die Satzung ein relativ großer Spielraum eingeräumt.“ Die Frage sei, ob Inkontinenz ein Gebrechen sei. Dann sei die Windel ein Hilfsmittel und die GKK im Recht. Ist Inkontinenz aber eine Krankheit und die Windel ein Heilbehelf, sehe es anders aus, so Moser. Dann müsste die Kasse die Kosten tragen.

Gericht prüft bei Klage Anspruch

„Man wird einmal die Rechnung einreichen und wenn die Kasse diese Rechnung nicht übernimmt, wird man eine Bescheidausfertigung anfordern. Gegen diesen ablehnenden Bescheid könnte man dann eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht einbringen. Das Gericht hätte dann zu prüfen, ob der Anspruch grundsätzlich zu Recht besteht oder nicht“, so Moser. In erster Instanz seien diese Verfahren gebührenfrei. Der Ausgang sei aber ungewiss.

Rechtlich dürfte die Inkontinenz-Neuversorgung also halten. Profitieren werden jedenfalls die Gebietskrankenkasse, die sich Kosten spart und der heimische Sanitätsfachhandel mit tausenden Neukunden. Winfried Sepin sieht einen großen Vorteil der neuen Inkontinez-Versorgung, nämlich die höhere Qualität und intensivere Beratung. Da könne man die Stückzahl senken, ist Sepin überzeugt.

FPÖ: Antrag im Landtag eingebracht

Mehr als 11.500 Menschen in Kärnten gelten als inkontinent, so die FPÖ. 6.600 leben zu Hause, 3.500 in Heimen. Sie alle können ab 1. Jänner 2017 Produkte wie Windeln, Einlagen oder Katheter nicht mehr wie bisher via Bestellung und Direktlieferung gratis beziehen. Gegen diese Maßnahme wurde im Dezember im Landtag ein Antrag der FPÖ eingebracht. FPÖ-Klubobmannstellvertreter, Harald Trettenbrein will Beschwerden von Patienten unterstützen.

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