„Lupanica“: Kunst im Wald von Muzzana

Südlich von Muzzana del Turgnano befinden sich die letzten zwei noch ursprünglich erhaltenen Urwälder aus der Jungsteinzeit. Dort findet ab 24. September ein „Land-Art-Festival“ statt. Auch der Kärntner Gerhard Leeb nimmt teil.

160 Hektar groß sind die inmitten der Sumpflandschaft gelegenen Wälder „Selva di Arvonchi“ und „Bosco Coda di Manin“. Beide seien noch nie bewirtschaftet worden, was sie für die Wissenschaft zu etwas Besonderem mache, erklärt Forstwirt Enrico Siardi: „Früher war das gesamte Friualinsche Flachland mit Wald bedeckt - das hier ist einer der letzten erhaltenen Wälder mit Ursprung in der Jungsteinzeit.“

Seltene Bäume und Tiere zu finden

Hier finde man noch die immer seltener werdende Hainbuche, Stieleiche, Esche oder Ulme. Auch der weithin bekannte Trüffel aus Muzzana gedeiht hier - mehr dazu in Weißer Trüffel aus Muzzana del Turgnano. Aber auch seltene Tierarten, wie Wasserschildkröten und besondere Froscharten seien hier noch zu finden. Per Gesetz habe ausschließlich die Bevölkerung von Muzzana bis heute das Recht, diesen Wald zu nutzen, ohne ihn zu zerstören, so Siardi.

SSC Kunst im Wald Lupanica

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Wald als Anziehungspunkt für Kunstliebhaber

Wo sonst vor allem Radfahrer und Naturliebhaber Ausgleich suchen, soll in den nächsten Wochen auch für Kunstliebhaber ein Anziehungspunkt entstehen. Maria Grazia Borgnolo, selbst seit Jahren begeisterte Land-Art-Künstlerin, kuratiert das Projekt „Lupanica“. Der Name leitet sich von der ungezähmten Natur im „Wald der Wölfe“ ab, die auch so erhalten bleiben soll. Auch wenn alles aus reinem Spaß begann, freue sie sich, dass 24 Teilnehmer aus ganz Italien, Österreich, Spanien, Rumänien und Peru ihre Teilnahme zugesagt hätten. Aus ihren Kunstwerken wird eine Fachjury die besten auswählen und auszeichnen. In erster Linie gehe es darum, im Unterschied zu üblichen Museums- oder Galeriebesuchen, bei ihrem Projekt Künstler und Besucher in Einklang mit der Natur zu bringen, sagt Borgnolo.

SSC Kunst im Wald Lupanica

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Für Kärnten nimmt Gerhard Leeb teil

Gerhard Leeb aus Villach ist einer der Teilnehmer. Er ist Journalist, Aktivist und Zeitkritiker. Sonst ist er mit Leidenschaft in den Alpen unterwegs, doch diesmal haben ihn die Schleusen entlang des „Fiume Muzzanella“ angezogen und ihm neue Blickwinkel eröffnet.

Er machte bei einem Land-Art-Festival in Dordolla mit und knüpfte Kontakte zum Organisationsteam des Land-Art-Festival in Muzzana del Turgano. Mit seinen gesellschaftskritischen Ansätzen weckte er ihr Interesse. Seit 2008 beschäftigt er sich in seinen Arbeiten mit dem Thema „Strandgut", wobei es um ’jegliche Art menschlichen Strandgutes“, also auch arme Menschen in unseren Breiten, gehe. Da lag es für ihn nahe, für Muzzana, angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation, eine Installation anzufertigen, die sich mit den Flüchtlingsschicksalen im Mittelmeerraum auseinanderzusetzen.

SSC Kunst im Wald Lupanica Gerhard Leeb

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Bevor er sich seine Meinung bildet nimmt Leeb in vielen Lebensbereichen bewusst ungewöhnliche Blickwinkel ein - er will den Dingen auf den Grund gehen, Oberflächlichkeit liegt ihm fern, sagt er: „Ich bin immer so eine Art ‚Anlasskünstler‘, das heißt, ich brauche den Anstoß von außen. Dann passiert das wirklich interdisziplinär. Dann fängt es bei einer Kolumne für die Zeitung an, geht über gemalte Bilder, Grafiken, Illustrationen, Karikaturen bis hin zu Landart- oder Konzept-Projekten und Performances. Es war ganz logisch für mich, dass ich auch hier in Muzzana etwas zu diesem Thema mache.“

SSC Kunst im Wald Lupanica Gerhard Leeb

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Gerhard Leeb

Durch Tragödien im Mittelmeerraum inspiriert

Es sei nicht unbedingt einfach, mit den Gegebenheiten eines Waldes genau das zum Ausdruck bringen zu können, was ihm am Herzen liege, sagt Leeb, aber „wenn ich das Pferd von hinten aufzäume, also wenn ich mich zuerst mit den ganz konkreten geografischen Gegebenheiten beschäftigen würde, dann würde ich wahrscheinlich nie eine Idee haben.“ Er gehe es lieber umgekehrt an, sagt der Künstler.

Das von Muzzana del Turgnano nur wenige Kilometer entfernte Mittelmeer, in dem sich täglich menschliche Katastrophen abspielen, sei für ihn ein erster Anhaltspunkt gewesen: „Es war naheliegend, dass es eine Geschichte wird, die zu meinem ‚Strandgut‘-Projekt passt. Ich habe Luftaufnahmen verwendet. Ein Freund brachte mir auch Fotos aus der Gegend und so standen für mich die Kanäle hier in der Gegend symbolisch für das Mittelmeer. So war dann rasch die endgültige Idee da.“

SSC Kunst im Wald Lupanica Gerhard Leeb

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Die Installation von Gerhard Leeb trägt den Titel „Afrika beobachtet Europa“

Arbeit unter dem Motto: „Afrika beobachtet Europa“

Unter dem Titel „Afrika beobachtet Europa“ versucht Leeb, beide Sichtweisen zu vereinen und dabei im Auge zu behalten, wie von „außerhalb“ - dank Smartphones - beobachtet werden könne, wie Europa angesichts der aktuellen Flüchtlingsproblematik handle. Er vermisse seitens der Politik in Europa die nötige Handlungsbereitschaft, um eine zufriedenstellende und vor allem langfristige Lösung präsentieren zu können.

Sendungshinweis:

„Servus, Srečno, Ciao“, 17. Setpember 2016

In seinem Kunstwerk umwickelt er Bäume aus dem Wald von Muzzana del Turgnano mit golden glänzenden Rettungsfolien - „damit man auch sieht, das in Europa nicht alles Gold ist, was glänzt“ und erschafft mit Farnkraut und Schilf verzierte Segel, die im Vordergrund platziert werden. „Sie sollen andeuten, mit welch einfachen Mitteln die Leute aus Afrika versuchen, nach Europa zu kommen“, so der Villacher.

Alpen-Adria-Raum „gratis Schule der Menschlichkeit“

Das friedliche Zusammenleben im Alpen-Adria-Raum, am Schnittpunkt dreier Kulturen, könne Anreize dafür bieten, die europaweite Problematik in den Griff zu bekommen, ist Leeb überzeugt. Nicht nur im Zwischenmenschlichen, auch mit seiner Kunst will er Grenzen überwinden.

„Für mich ist einer zuerst ein Mensch. Wenn er sich zuerst als Mensch - egal welcher Hautfarbe, Kultur oder Religion er angehört - bewährt, bin ich zufrieden. Es geht einfach um diese Angstlosigkeit, auf den anderen zuzugehen. Solange ich das nicht mache, kann ich nicht erfahren, ob er ein böser oder guter Mensch ist. Im Alpen-Adria-Raum haben wir eine gratis Schule an Menschlichkeit vor der Haustüre.“

SSC Kunst im Wald Pino D'Agostino

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Pino D’Agostino ist regelmäßig auf Land-Art-Festivals in ganz Europa zu Gast, zuletzt in Slowenien.

Natur beeinflusst Kunst

Nicht nur gesellschaftskritische, auch äußerst kreative Ansätze sind bei dem „Land-Art-Festival“ im Friulanischen Flachland vertreten. Pasquale „Pino“ D’Agostino aus Concordia Sagittaria veredekt als einer der Vertreter Italiens die Bäume mit hölzernen „Ballettröcken“. Er findet es immer wieder aufs Neue faszinierend, seine Kunstwerke den natürlichen Einflüssen auszusetzen.

„Das wahre Kunstwerk entsteht erst im Laufe der Zeit, durch seine Veränderung durch die Einflüsse der Natur. Je nachdem, ob man es der Meeresluft aussetzt oder es im Schnee oder Eis erschafft. In dieser Kunstrichtung kann man überall arbeiten“, sagt der Künstler.

SSC Kunst im Wald Lupanica

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Die Vernissage von „Lupanica“ findet am 24. September statt - die Kunstwerke werden danach der Natur überlassen. Wie sie das verändert, kann in nächster Zeit in den Wäldern von Muzzana del Turgnano beobachtet werden.