„Aufgezeigt“: Kein Wegerecht zu eigener Hütte

40 Bauern verwehren dem ehemalige Bergführer Engelbert Gassner die Zufahrt zu seiner Hütte hoch über Heiligenblut auf der Kühberger Alm. Der alte Weg ist dem Lawinenhundführer weggebrochen. Für den anderen Weg gilt er nicht als Berechtigter.

Engelbert Gassner lebt seit 32 Jahren in einer Almhütte ohne Zufahrt auf 1.700 Meter Seehöhe hoch über Heiligenblut. Inzwischen ist er 66 und hat erste gesundheitliche Probleme. Um sich die anstrengenden Fußmärsche zu ersparen, will er über den Weg der Agrar-Gemeinschaft zur Hütte fahren. Aber er darf nicht, nicht einmal dann, wenn er als Lawinenhundführer zum Rettungseinsatz muss.

Aufgezeigt Wegerecht Heiligenblut

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Das haus von Engelbert Gassner

Antrag bei Agrargemeinschaft nötig

Von der Heiligenbluter Ortschaft Schachnern weg geht es steil bergauf. Zwei Wege führen auf die Alm. Der untere, ein alter Viehsteig der ohnehin nur im Sommer befahrbar und 30 Jahre lang Gassners Almzufahrt war, ist vor Monaten an einer Stelle weggebrochen: „Der war über Nacht einfach fort. Davor habe ich immer alles sauber gehalten.“

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Der alte Weg wurde beschädigt

Damals fragte Gassner bei der Agrargemeinschaft an, ob er den oberen längeren Almweg gegen Arbeitsschichten oder Bezahlung mitbenützen dürfe. Aber das Gatter am Almweg blieb für ihn versperrt. „Ich weiß auch nicht. Gesagt haben sie damals, ich soll einen Antrag stellen und den werde ich auch noch stellen. Aber das letzte Mal, als ich auf der Gemeinde war und fragen wollte, da haben sie mich gleich nieder gebügelt. Der Bürgermeister und einige andere haben da einfach zugesehen.“

Beschwerlicher Weg auf die Alm

Jetzt muss der 66-Jährige zu Fuß marschieren, jeden Tag, bei jedem Wetter, steil bergauf: „Man wird natürlich nicht jünger. Und wenn ich da ein Gewicht herauf zu tragen hab und im Winter Schnee liegt, dann wäre es schon fein, wenn ich fahren könnte.“ Gassner war hauptberuflich 35 Jahre lang Bergführer. „Da ist es klar, dass die Knie nicht mehr so mit machen. Seit ich in Pension bin, habe ich beschlossen, mir nicht zu schaden, indem ich weiter so viel gehe.“

Der zweite Weg, der besteht, ist länger, aber flacher und ist sogar im Winter mit Quad und Raupen gut zu befahren. Der Weg gehört zwei Agrargemeinschaften, mit insgesamt 40 Bauern. Gassner darf ihn nicht benützen, auch, weil er kein Bauer ist: „Ich glaube, ich bin der einzige Heiligenbluter, der sechs Monate im Jahr zu Fuß nach Hause geht. Ich habe eigentlich nichts getan, was ein Grund dafür sein könnte, dass ich das nicht darf. Ich bin halt kein Berechtigter. Und wenn ich da schon dreißig Jahre lebe und niemandem geschadet habe, das zählt hier nicht.“

Aufgezeigt Wegerecht Heiligenblut

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Lawinenhunde müssen rasch zum Einsatz kommen

An Gassners Seite hat er Amarok, seinen Lawinenhund. Seine Tätigkeit als Lawinenhundführer ist der zweite Grund, warum er fahren will, statt zu gehen. „Wir haben drei Lawinenhunde da in Heiligenblut. Und das ist eine Sache, die ich absolut nicht verstehe: Wenn ich schnell wo hin muss - etwa nach einem Lawinenabgang zu einer Vermisstensuche mit dem Hund - und es gibt ein Wegenetz, aber ich kann es nicht nutzen, dann finde ich nicht, dass das in Ordnung ist.“

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Engelbert Gassner

Er wolle ja nicht, dass für ihn ein neuer Weg gebaut wird, sagte Gassner, er will nur ein bestehendes Wegenetz benutzen. „Wenn sie mich zu Arbeitsschichten einteilen, habe ich ja auch nie Nein gesagt.“ Hüttengäste dürfen den Weg benutzen, sagte Gassner und auch zwei Einheimische, die dafür einen Jahresbeitrag zahlen.

„Bis heute kein Antrag gekommen“

Hannes Haritzer, der Obmann von beiden Agrargemeinschaften, die den Almweg bewirtschaften, sagte auf die Frage, warum Gassner den Weg nicht befahren darf: „Alle anderen sind Mitglieder der Agrargemeinschaften und haben einen Antrag gestellt, der den meisten gewährt worden ist. Vom Herrn Engelbert Gassner ist bis heute kein Antrag gekommen. Und eine Agrargemeinschaft kann nicht etwas behandeln, wo es keine Frage gibt.“

Bei einer Krisensitzung der Agrargemeinschaften sei Gassner auch mitgeteilt worden, dass er einen Antrag stellen solle, sagte Haritzer. Über einen solchen Antrag könne die Vollversammlung bei ihrer Sitzung am dritten Samstag im Jänner entscheiden, sagte Haritzer. Für die Almgäste zahlen die Vermieter ihren Anteil.

„Schwarzbau“ sorgt für schlechtes Gewissen

Es geht bei Gassner aber nicht nur um einen Formalfehler wie den fehlenden Antrag. Haritzer: „Ich vermute, er hat ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil er vorher eine Zubau gemacht hat, der auch über den Agrargemeinschaftsgrund reicht. Ich glaube, das ist der Grund, warum er sich nicht getraut, einen Antrag zu stellen.“ Dieser Zubau - eine Holzhütte als Stellplatz für Gassners Quart mit Lagerraum - wird von den Bauern als Schwarzbau gewertet.

Eine Bauverhandlung werde es im Mai noch geben, sagte der Bürgermeister von Heiligenblut, Josef Schachner (LHB), ein Mann der ÖVP, von der Liste Heiligenblut. Diese Bauverhandlung habe aber nichts mit Gassners Wegproblem zu tun, sagte Schachner: „Beim Kauf dieser Almhütte hat er gewusst, dass keine Aufschließung stattfindet, weil es eben Almgebiet ist. Es ist außerhalb des Tauernsiedlungsraumes und daher können nicht alle Kriterien für ein normales Wohnhaus erfüllt werden.“

Das heiße, dass sich Schachner gelegentlich überlegen müsse, wie lange er diese Mühen im hohen Alter noch auf sich nehmen könne, sagte der Bürgermeister: „Man kann sich ja verändern und weiter hinunter ziehen und sich ein Haus oder eine Wohnung nehmen.“

Bürgermeister: Erst Antrag stellen

Haritzer hat einen Kompromissvorschlag parat: „Der Engelbert Gassner soll seinen Antrag bei der Agrargemeinschaft einbringen und damit er sein reines Gewissen bekommt, soll er bei seinem Zubau halt auch schauen, wie das ist. Ich glaube, der Herr Gassner hat sich gedacht, er versucht es über den ORF, dass er die Agrargemeinschaft ein bisschen durch den Dreck zieht, damit es für ihn leichter wird. Aber es wird nicht leichter. Weil, wenn du ‚s nicht erfragst, muss d‘ es erleiden.“

Das „Aufgezeigt“ Team will aber niemanden schlecht machen, sondern vermitteln und wird Gassner bei der Antragsstellung unterstützen. Zu hoffen ist auch, dass sich die Gemeinde positiv einbringen kann. Bürgermeister Schachner: „Selbstverständlich werden wir weiterhin vermitteln. Aber, wie gesagt, Engelbert Gassner sollte bei der Almgemeinschaft einen Antrag stellen, damit das behandelt werden kann.“

Sanierung des Viehsteigs kostet 10.000 Euro

Ein andere Möglichkeit, Engelbert Gassner zu helfen, wäre auch, das unpassierbare Stück des alten Viehsteigs zu sanieren. Damit könnte Gassner wenigstens im Sommer wieder zu seiner Hütte fahren. Der Steig liegt auf öffentlichem Gut und müsste laut Landesexperten von der Gemeinde gerichtet werden. Gassner hatte die Schäden am Weg schon vor dem Erdrutsch, der den Weg unbrauchbar machte, gemeldet, sagte Obmann Haritzer: „Im Herbst ist er zu mir gekommen und hat gesagt, dass der Weg knapp vor dem abrutschen ist. Aber das betrifft ja auch nicht die Almgemeinschaft.“

Sanierung wäre aufwendig

Bürgermeister Schachner: „Man muss ja auch fragen, wer den Weg benutzt. Am wenigsten - nämlich überhaupt nicht - benutzt ihn die Gemeinde.“ Die Sanierung des alten Viehweges ist ja auch aufwendig und kostet in etwa 10.000 Euro. Schachner: „Der Weg wird gerichtet. Allerdings müssen auch die Begünstigten, die ihn wirklich nutzen, Farbe bekennen.“ Wenn es um die Finanzierung geht, werde es einen Schulterschluss geben müssen, sagte der Bürgermeister.

„Einen Schulterschluss derer, die den Weg brauchen und die Gemeinde wird Fördermöglichkeiten auskundschaften und wird auch dazu beitragen. Vorauseilend muss es aber sein, dass die Betroffenen sagen, wer den Weg überhaupt braucht.“ Ob es den Schulterschluss zwischen Bauern, Gemeinde und Engelbert Gassner doch noch geben wird, muss sich noch zeigen. Das Aufgezeigt-Team bleibt jedenfalls dran.

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