„Aufgezeigt“: Lungenkrebs-Befund blieb liegen

Franz Friedl aus Kraig leidet an Lungenkrebs. Obwohl er wegen zähen Hustens sofort zum Arzt ging, erhielt er die Diagnose erst Monate später. Der entscheidende Befund blieb in der Ordination unbeachtet, wirft Herr Friedl seinem Hausarzt vor.

Muss ein Hausarzt alle Befunde seiner Patientinnen und Patienten lesen? Und muss er im Ernstfall Alarm schlagen? - Darum geht es in der aktuellen, sehr ernsten Folge der Sendung „Aufgezeigt“ von Gudrun Maria Leb.

Irreführende Beratung durch Arzthelferin

Franz Friedl aus Kraig raucht schon 18 Jahre nicht mehr. Dennoch leidet er an Lungenkrebs: „Ich war Ende Oktober beim Hausarzt wegen meines Hustens. Er hörte mich ab und meinte, es sei alles in Ordnung, aber wir sollten dennoch ein Lungenröntgen machen. Ich ging zum Radiologen und sagte zur Assistentin, ich hätte ein seltsames Gefühl. Sie sagte mir, sollte wirklich etwas Ernstes vorliegen, würde ich vom Doktor hereingeholt. Wenn nichts sei, bekäme ich die Bilder mit“.

Lungenkrebs Befund blieb liegen, Patient nicht vom Hausarzt informiert

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Eine irreführende Beratung durch die Sprechstundenhilfe, wie sich später herausstellt. „Als ich die Bilder bekommen habe, dachte ich mir: Ok, die Lunge ist in Ordnung“, so Herr Friedl.

Hausarzt bekam Befund und reagierte nicht

Er habe nicht mehr nachgefragt und sei auch nicht zum Hausarzt gegangen. Dass der Befund auch dorthin geschickt wurde, habe er nicht gewusst, sagt Franz Friedl. Dieser Befund sei in der Ordination unbeachtet geblieben, wirft Herr Friedl seinem Hausarzt vor: „Er hat mir nicht Bescheid gegeben.“ Dadurch habe er drei Monate kostbare Behandlungszeit versäumt. „In dem Befund stand damals schon, dass es einen 17 Millimeter großer Rundherd gab und der Radiologe hatte dazugeschrieben, das ein CT erforderlich sei. Der Hausarzt hat nicht reagiert.“

Sendungshinweis:

„Aufgezeigt“, 13. März 2018 in „Guten Morgen Kärnten“, Mittagszeit, „Family Cabrio“

Franz Friedl erfährt also gar nichts. Weil er die Röntgenbilder gleich mitbekommt, glaubt er, alles sei in Ordnung. Der Hausarzt, dem er seit 24 Jahren vertraut, meldete sich nicht. „Er hat den Befund bekommen, sagte mir damals, er hätte diesen ‚flüchtig‘ durchgesehen aber gewartet, bis ich komme.“ Erwartet hätte sich Herr Friedl, „dass er mich anruft und sagt ‚Komm herein, da steht: CT erforderlich, das muss abgeklärt werden‘. Ich wäre noch am selben Tag hingegangen.“

Tumor wuchert drei Monate unbehandelt weiter

Zur Aussprache mit dem Hausarzt kommt es erst im Jänner, als Herr Friedl die Diagnose Lungenkrebs bereits erhalten hat. Sein Tumor ist während dieser Monate unbehandelt gewuchert und inzwischen viereinhalb Zentimeter groß. „Ich bekomme bald die zweite Chemotherapie und habe solche Rückenschmerzen, dass ich nicht ohne Schmerzmittel sein kann.“

Lungenkrebs Befund blieb liegen, Patient nicht vom Hausarzt informiert

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Maria Friedl, seine Frau, ist völlig verzweifelt. „Das so etwas passiert ist vollkommen unverständlich - und das in der heutigen Zeit.“

Hausarzt lehnt Interview mit „Aufgezeigt“ ab

„Aufgezeigt“ ersucht den Hausarzt um Stellungnahme. Er lehnt ein Interview ab. Am Telefon bestätigt er Herrn Friedls Geschichte, sagt aber auch, dass Herr Friedl nicht mehr gekommen und daher keine Befundbesprechung möglich gewesen sei. Wir wollen wissen, wie Hausärzte generell mit Befunden umgehen und fragen Maria Korak-Leiter, sie ist Hausarztsprecherin der Ärztekammer. „Es ist immer die Frage: Ist dieser Befund wirklich liegengeblieben in der Flut der täglichen Befunde - es können mehrere hundert am Tag sein - und natürlich ist es so, dass es da schon eine große Herausforderung ist. Auch wir Ärztinnen und Ärzte sind Menschen bei der Arbeit.“

Hausarztsprecherin: Müssen Prioritäten setzen

Bedeutet das, dass es viele Ärzte gibt, die infolge dieser Flut an Befunden nicht mehr in der Lage sind, alle zu lesen, will Gudrun Maria Leb von Hausarztsprecherin Korak-Leiter wissen: „Ich würde nicht sagen, dass wir nicht in der Lage sind, alle Befunde zu lesen, sondern dass wir einfach unsere Prioritäten setzen müssen.“ Und: Man verlasse sich darauf, dass der Patient komme, das Gespräch suche und seine Befunde durchbesprechen möchte.

Lungenkrebs Befund blieb liegen, Patient nicht vom Hausarzt informiert

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Aber wozu schickt einen der Hausarzt dann zu einem Facharzt, wenn der Befund drei Monate liegen bleibt? Die Antwort: „Ich kann nicht sagen, warum der Befund liegengeblieben ist. Wir sind mit unseren Patienten gemeinsam Partner und Verbündete in der Behandlung einer Erkrankung. Wenn man Befunde nachfragt, und sagt: ‚Mir geht es nicht besser‘ - diese Zusammenarbeit ist sicher ganz besonders wichtig.“

Herr Friedl ist leider kein Einzelfall

Franz Friedl ist also kein Einzelfall. Seine Frau, Maria versteht die Welt nicht mehr. „Es sind Leute über Leute bei den Ärzten, sie haben keine Zeit mehr für die Patienten. Das kann nicht sein, wenn Ärzte nicht die Zeit haben, Befunde zu lesen, dann sollen sie noch jemanden anstellen, der hilft und sagt: Hallo, diesen Patienten müssen wir aber schnell anrufen - es ist ein CT erbeten. Dann würde so etwas nicht passieren.“

Lungenkrebs Befund blieb liegen, Patient nicht vom Hausarzt informiert

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„Aufzeigen“ will Franz Friedl seine Geschichte, um andere Patienten zu schützen. „Das darf nicht mehr passieren. Man muss nachfragen - ich verlasse mich auf keinen Fall mehr auf einen Arzt. Mir passiert das sicher nicht mehr.“

Anwalt: Erste Arztpflicht ist es Diagnose zu stellen

Herr Friedl hat vor, seinen Hausarzt zu klagen. Der Fall wird also erst vor Gericht entschieden. Fr hat den Anwalt Paul Wolf beauftragt, der in Ärztekreisen kein Unbekannter ist. „Aus meiner Sicht durchaus kritikwürdig, weil ich ja in der Sekunde in der ich einen Arzt aufsuche ein Behandlungsvertrag entsteht. In diesem Behandlungsvertrag entstehen Rechte und Pflichten.“

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Die erste Pflicht des Arztes sei es, eine Diagnose zu stellen, so Wolf, und dann mit der Behandlung zu beginnen. „Der Allgemeinmediziner hat den Mandanten an einen Radiologen zugewiesen. Von diesem wurde offensichtlich am 25. Oktober 2017 auch ein Befund erstellt, der besorgniserregend ist und eine ganz klare Anweisung letztlich in sich trug: Nämlich den radiologischen Befund durch einen weiteren CT-Befund abzuklären. Dann muss ich mich im Rahmen meiner Hauptpflicht mit dem Patienten beraten und besprechen. Ich habe ihn zu informieren und zu beraten.“

Anwalt: Arzt muss von sich aus tätig werden

Dass es diese Pflicht für den Arzt gibt, sei im Ärztegesetz klar geregelt, sagt Rechtsanwalt Wolf. Er hat etliche ähnliche Fälle vor Gericht verhandelt. „Der Fall hat mir gezeigt, dass der Arzt von sich aus tätig werden muss - nicht soll, sondern muss. Das schulde ich in der Diagnosesicherung dem Patienten“.

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Herr Friedl hat nun zwei Kämpfe zu führen

Lässt sich also feststellen, dass ein fahrlässiges Verhalten des Arztes vorliegt? „Aus meiner Sicht ein fahrlässiges, haftungsbegründendes Verhalten“, so also die Einschätzung des „Aufgezeigt“-Anwaltes Paul Wolf, der Franz Friedl auch vertreten wird. Der Arzt verweist darauf, dass auch er inzwischen einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt hat. Es wird also einen Prozess geben, während Franz Friedl weiter gegen den Tumor kämpft. Wir drücken ihm die Daumen, dass er diesen Kampf gewinnt.

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