Aufgezeigt: Kampf um den Schrebergarten

Sechs Schrebergärtner aus Lieseregg fürchten um ihr Paradies. Denn die Gärten sollen weg, die Gemeinde Seeboden erlässt einen Abbruchbescheid nach 15 Jahren Kampf. Für die Schrebergärtner bricht eine Welt zusammen, doch die Hütten seien illegal.

Das kleine Paradies von Beate und Gottfried Zimmermann liegt neben der Lieser in der Gemeinde Seeboden auf Kelag-Pachtgrund. Das Ehepaar bewirtschaftet den kleinen Schrebergarten, der unter einem alten Personalhaus liegt, schon in dritter Generation. Die kleine Gartensiedlung hat eine lange Tradition. „1930 zog meine Großmutter in das Personalhaus ein, damals wurden auch die Schrebergärten angelegt“, sagt der 62-jährige Gottfried Zimmermann. 1956 kam Gottfried Zimmermann hier auch zur Welt.

Aufgezeigt Schrebergärten

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Das Personalhaus gehört zum Besitz der adeligen Familie Rainer-Harbach, es steht nun leer und ist baufällig. Früher wohnten darin Arbeiter und alle hatten einen Garten: „Sie haben viel angebaut, damals konnte man nicht alles so einfach kaufen“, so Zimmermann. 1960 wurden dann die ersten Hütten gebaut, erinnert sich Zimmermann. Von der Lieser wurde für den Bau der Hütten angeschwemmtes Holz gesammelt.

Schockierende Nachricht für die Gärtner

Jetzt soll das alles weg. 15 Jahre dauert der Kampf um die Schrebergärten nun schon. Mitte Jänner kündigte nun die Kelag an, dass die Schrebergärten wohl nicht zu halten sind. Die Gemeinde verlangt, die Gärten zu räumen. Ein Schock für das Ehepaar. „Unser Garten gehört zu unserem Leben, seit 40 Jahren sind wir hier“, sagt Beate Zimmermann.

Auch Gartennachbar Alois Naschenweng ist empört: „Von der Gemeinde war nie jemand da, jetzt soll plötzlich alles weg.“ Seit 1986 hat Naschenweng seine „Hacienda“, wie er den Garten liebevoll getauft hat. Das hier nicht gebaut werden darf, das habe ihnen nie jemand gesagt.

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Hütten laut Gemeinde Schwarzbauten

Die Gemeinde argumentiert, dass die Hütten ohne ordentliche Zufahrt, ohne Wasser und Kanal im gewidmeten Grünland entstanden – und damit Schwarzbauten sind. Stein des Anstoßes sind - abgesehen von Wohnwägen und Pools - die „Hacienda“ von Alois Naschenweng. Er überbaute die Grundstücksgrenze, die Hütte ist zu groß. Die Gärtner sind gerne bereit, zurückzubauen und die Auflagen zu erfüllen - wenn sie nur bleiben dürfen.

Die Kelag versuchte schon zwei Mal, den Streifen Grünland in Schrebergarten umzuwidmen. „Das hat leider nicht funktioniert“, sagt Kelag-Sprecher Josef Stocker. Auch der Versuch, die Gründe den Pächtern zu verkaufen, sei gescheitert. Wenn die Gemeinde den Abbruchbescheid erlässt, „dann müssten wir das an die Pächter weitergeben.“ Dann bleibe nur noch die Hoffnung, dass die Pächter eine Einigung mit der Gemeinde finden. Eine Lösung könnte sein, dass die Gärten ohne Hütten erhalten bleiben, denn dies wäre auch mit der Grünlandwidmung erlaubt. „Wir brauchen diese Flächen nicht und könnten sie weiter verpachten.“

Die Pächter haben allerdings viel Geld in ihre Schrebergärten und Hütten gesteckt. „In den letzten fünf Jahren habe ich 10.000 Euro investiert“, sagt zum Beispiel Schrebergärtner Paul Kreiner.

Seit Jahrzehnten keine Umwidmung

Obwohl die Hütten teils seit 80 Jahren stehen, gibt es noch keine Schrebergarten-Widmung. Als Grünland-Landwirtschaft ist der Schrebergartengrund noch immer im Flächenwidmungsplan der Gemeinde gewidmet. Bei dieser Widmung darf nur mit strengen Auflagen gebaut werden. Die Widmung „Grünland-Schrebergarten“ würde auch eine Gartenhütte rechtlich möglich machen.

Die Gemeinde Seeboden verlangt außerdem eine Zufahrt. Dass die Gärtner ein Wegerecht vom Wasseramt gepachtet haben, reicht ihr nicht. Die Gemeinde verlangt außerdem die Wasserversorgung und -entsorgung für jede einzelne Gartenhütte, egal, wie lange sie schon steht.

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Aufgezeigt, 27.2.2018

Historiker: Ein kurioser Fall

Wir fragen Wilhelm Wadl vom Kärntner Landesarchiv. „Die Parzelle entstand 1935 durch einen Verkauf, sie war zuvor Bestandteil einer Fabrik“, erläutert Wadl. Als die Fabrik in Finanznöte geriet, wurde ein Teil des Grundes an die Mühldorfer Wasserkraft AG verkauft. „Im Kaufvertrag wird erstmals erwähnt, dass sich auf diesem Grund eine Schrebergartenanlage befindet und das diese Teil des Kaufvertrages ist.“

Die Schrebergartenanlage sei also erstmals 1935 urkundlich erwähnt worden und gilt daher seit damals auch als solche, sagt Wilhelm Wadl vom Landesarchiv: „Aus historischer Sicht ist das so. Dass es rechtlich nie zu einer Widmung kam ist irgendwie kurios. Das zu bereinigen wäre Sache der Behörden.“ Diese Kuriositäten würden sich fortsetzen, auch die Zufahrtswege seien nicht als solche gewidmet. Generell gibt es in Kärnten viele „solcher ungeklärter Rechtsverhältnisse, deswegen ist das historische Grundbuch so wichtig“, sagt Wadl.

Anwalt: Säumnis der Gemeinde

Ist die Widmung also einfach übersehen worden? „Aufgezeigt“-Anwalt Paolo Caneppele hat eine klare Antwort: „Bei der Anlegung der Flächenwidmungs-Kategorien wurde es verabsäumt, die Sonderwidmung Schrebergarten auszusprechen.“

Die Gemeinde Seeboden bekam ihren ersten Flächenwidmungsplan1965 bekommen, da gab es die Schrebergärten schon seit 30 Jahre. Die Schrebergärten aus 1935 hätten laut Anwalt schon im ersten Flächenwidmungsplan der Gemeinde 1965 als Schrebergärten gewidmet werden müssen, damit hätte man sich viele Probleme erspart. „Die Schrebergärten gab es vor dem ersten Widmungsplan der Gemeinde, da würde die Rechtslage die Faktenlage überholen und das ist nicht rechtens.“

Gemeinde verlangt neue Zufahrt

„Aufgezeigt“ fragte natürlich bei der Gemeinde nach. Niemand habe etwas gegen die Schrebergärtner, sagt Vizebürgermeister Christian Tribelnig (ÖVP). Rechtlich seien die Hütten aber nicht legal und damit dürfe die Gemeinde das nicht dulden. Versäumnisse ortet der Vizebürgermeister wiederum bei der Kelag, etwa bei der Zufahrt. Die Zufahrt über den Weg des Wasseramtes wird nicht akzeptiert, die zweite Zufahrt über das Kraftwerksgelände ist aus Sicherheitsgründen geschlossen. Tribelnig: „Für die Umwidmung muss die Kelag erst die Voraussetzungen erfüllen.“ Erst wenn die Zufahrt ordnungsgemäß sei, könne man den Grund umwidmen.

Schrebergarten-Hütten im rechtsleeren Raum

Außerdem besteht die Gemeinde darauf, dass es für die Gartenhütten eine Wasserver- und entsorgung gibt. Darüber werde seit zehn Jahren diskutiert, sagt Tribelnig: „Die Kosten sind für die Kelag aber nicht tragbar.“ Warum die Gemeinde das fordert, bleibt für die Aufgezeigt-Redaktion offen.

In Kärntens Gesetzen finden sich die Begriffe „Schrebergartenhütte“ oder „Gartenhaus“ überhaupt nicht. Es gibt damit auch keine Vorgaben, wie Zufahrt, Wasser- und Kanalanschluss einer Gartenhütte auszusehen haben. Eine Regelung für Zufahrt, Wasserver- und entsorgung findet sich in der Bauordnung lediglich für Wohnhäuser. Ein Glück für Hunderte Gartenhäuser im Land, die keinen Wasseranschluss haben und bei denen, wie in Lieseregg, ein Camping-WC reicht.

Kelag zog Widmungsansuchen zurück

Wegen all dieser Auflagen zog die Kelag ihr Widmungsansuchen zurück. Damit sei ein Abrissbescheid wohl unumgänglich, sagt Vizebürgermeister Tribelnig. Die Gemeinde sei aber bereit, die Frist bis zum Ende des Jahres zu verlängern. „Sollte aber noch ein Rettungsanker auftauchen, um diese Schrebergärten zu erhalten, ist uns das natürlich recht.“

Dass die Gemeinde beim ersten Flächenwidmungsplan vor über 50 Jahren die Widmung offenbar vergessen hat, davon weiß der Vizebürgermeister nichts: „Das ist interessant, das kann ich nicht überprüfen. Aber für die Kelag kann das von Interesse sein, wenn sie die Umwidmung doch wieder aufgreifen will.“ Für die Gemeinde habe das aber keine Bedeutung: „Wir müssen uns an den gültigen Flächenwidmungsplan halten.“

Der Kampf geht weiter...

Eine Lösung gibt es wohl nur, wenn die Kelag erneut um die Umwidmung ansucht. „Wir werden das intern noch einmal prüfen und erneut mit Pächtern und Gemeinde reden“, sagt Kelag-Sprecher Josef Stocker dazu. Noch ist der Kampf um die Schrebergärten also nicht beendet, „Aufgezeigt“ wird den Fall weiter verfolgen.

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