„Bundespräsidenten-Wahlkrampf“

Fast ein Jahr dauerte die Wahl des Bundespräsidenten. Unter dem Motto „Bundespräsidenten-Wahlkrampf“ diskutierten am Abend in der Sendung Streitkultur Journalisten und Experten unter der Leitung von Chefredakteur Bernhard Bieche.

Alexander Van der Bellen ist mit 53,79 Prozent der Stimmen zum neuen Bundespräsidenten gewählt worden. Das geht aus dem vorläufigen Endergebnis hervor, das nach dem Auszählen aller Wahlkarten seit Dienstagmittag bekannt ist. Van der Bellen erzielte mit Ausnahme von Burgenland, Kärnten und Steiermark in allen Bundesländern die Mehrheit. In Kärnten erreichte Norbert Hofer 54,6 Prozent der Stimmen inklusive Wahlkarten, Alexander Van der Bellen 45,4 Prozent.

Die Bundespräsidentenwahl und ihre Folgen waren am Montagabend auch Thema in der Radio Kärnten Sendung „Streitkultur“. Die Deutlichkeit des Wahlausgangs überrascht die Kärntner Medienvertreter. Ein so klarer Sieg von Van der Bellen sei nicht zu erwarten gewesen.

Aggressivität von Hofer hat Wähler verschreckt

Mehrere mögliche Ursachen für die Niederlage Hofers wurden angesprochen: Zum einen habe Hofer kurz vor der Wahl noch seine Strategie geändert, sagte Antonia Gössinger, die Chefredakteurin der Kleinen Zeitung. „Vor allem in der ORF-Konfrontation am Donnerstag war Hofer nicht mehr der freundliche Kandidat, da war die Aggressivität nicht mehr zu überbieten. Ich meine, dass das viele Menschen mobilisiert haben könnte, noch zur Wahl zu gehen und ich glaube, dass es auch viele verschreckt hat.“

Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sagte, Hofer habe gegen Schluss des Wahlkampfes genau jenes Bild von sich gezeigt, das seine Gegner von ihm verbreiteten, nämlich jenes des Wolfs im Schafspelz. Van der Bellen habe zuletzt zwar an Glaubwürdigkeit verloren, Hofer allerdings habe bei den Sympathiewerten verloren. Ein weiteres Indiz für das Aufholen von Van der Bellen habe es im Internet gegeben. In den Social Media Plattformen, wie Facebook, Instagramm oder Twitter, lag Van der Bellen lange hinten. Zuletzt aber habe er Hofer überholt, eine regelrechte Bewegung sei entstanden, sagte Stainer-Hämmerle.

Bundespräsident sollte staatsmännisch auftreten

Den Wählern sei offenbar auch wichtig gewesen, dass der künftige Bundespräsident staatsmännisch und souverän auftritt, sagte Gerd Leitner, der Chefredakteur der Kärntner Woche. Ähnlich sah das auch Hannes Mösslacher, der Chefredakteur der Kärntner Kronen Zeitung. Diese Souveränität habe Hofer bei seinem letzten Fernsehauftritt vermissen lassen: „Ich glaube, dass die Österreicher ein Staatsoberhaupt haben wollen, das verbindend ist, das auf die Menschen zugeht und sich die Sorgen und Nöte anhört und das vor allem auch im Ausland repräsentativ ist. Aber die Österreicher wollten vermutlich kein Staatsoberhaupt, das eine Über-Regierung spielt und droht, die Regierung zu entlassen, falls sie nicht so regiert, wie er es will“, sagte Mösslacher.

Anzumerken sei allerdings, sagte Michael Walcher, der Leiter der Austria Presse Agentur (APA) in Klagenfurt, dass es den Wählern wohl nicht nur darum gegangen sei, Norbert Hofer zu verhindern, sondern dass es bei diesem Wahlkampf auch um ein Bekenntnis zur EU ging. „Das hätte man doch nicht geglaubt, dass sich mit einem Bekenntnis zur EU noch Wahlen gewinnen lassen.“

Neuwahlen auf Bundesebene vom Tisch

Das Thema Neuwahlen auf Bundesebene dürfte nun vom Tisch sein. Dass alles beim Alten bleiben dürfe, sei aber ein Trugschluss, warnte Gerd Leitner: „Es ist höchst an der Zeit, dass die Regierung zeigt, dass sie die Sorgen der Menschen kennt, ernst nimmt und auch wirklich handelt.“ Die SPÖ werde sich für die nächsten Wahlen aus taktischen Gründen eine Koalitionsmöglichkeit mit der FPÖ frei halten, schätzten die Experten.

Der Rechtspopulismus ist mit der Niederlage von Hofer nicht gestoppt, sagte Stainer-Hämmerle, aber zumindest ist er nicht salonfähiger geworden. Die FPÖ werde mit ihrer Politik weiter für Verunsicherung sorgen, schätzte die Politologin. In den Städten würden die Horrorszenarien der FPÖ allerdings nicht so stark angenommen.

Es sei allerdings generell eine Spaltung zu beobachten, sagte Stainer-Hämmerle: „Das sind die Optimisten und die Pessimisten. Die blicken pessimistisch in die Zukunft und haben Angst davor ihren Status zu verlieren, haben Angst vor den Veränderungsprozessen in den modernen Gesellschaften. Wenn diese Stimmung Oberhand bekommt, dann wird der Populismus weiter auf fruchtbaren Boden fallen. Das können eigentlich in allen Ländern nur die regierenden Parteien verhindern. Mit einem Bekenntnis zur EU und konkreten Taten, wie man den Ängsten und Sogen der Menschen begegnen kann.“

Direkte Auswirkungen auf Kärnten bezweifelt

Kärnten hat mehrheitlich Norbert Hofer gewählt. Hannes Mösslacher räumte ein, dass mit der FPÖ wohl wieder stärker zu rechnen sein werde. Dass es aber der FPÖ bei den nächsten Landtagswahlen im März 2018 schon gelingen könnte stärkste Kraft zu werden, wurde trotzdem angezweifelt. Die Stimmen für Hofer könnten nicht direkt auf die FPÖ umgelegt werden, sagte Antonia Gössinger. Zudem liefere die FPÖ derzeit gemeinsam mit dem Team Kärnten nur Total-Opposition. Die FPÖ halte sich damit völlig aus ihrer Mitverantwortung heraus. Ehe die FPÖ wieder den Landeshauptmann stellen könne, müsse sie wohl erst Verantwortung für das Land zeigen „Und etwas liefern“, sagte Gössinger.

Michael Walcher: "Ich glaube nicht, dass es gleich bei der nächsten Landtagswahl ein Kopf an Kopf Rennen von SPÖ und FPÖ geben wird. Die SPÖ verfügt über den Amtsbonus, und das Thema Hypo - obwohl das schon niemand mehr hören mag - ist noch nicht gegessen. Auch Gerd Leitner sagte, er sehe noch keinen Freiheitlichen Landeshauptmann für Kärnten.

Aufgabe für Koalition: Vertrauen zurück gewinnen

Nach diesem Wahlsieg von Van der Bellen dürfe die Koalition von SPÖ, ÖVP und Grünen in Kärnten keinesfalls wieder zur Tagesordnung übergehen, warnte Gössinger. Sie orte bereits vermehrten Streit in der Koalition, auch beim zentralen Thema, der Abschaffung des Proporz, gebe es schon Reibereien. "Ich glaube, die Regierung ist gut beraten noch ein Jahr zu arbeiten, sonst könnte sie gleich wählen lassen. Auch Stainer-Hämmerle sagte, für die Koalition in Kärnten sei es das Beste, zu arbeiten, Erfolge zu erzielen und zu kommunizieren. Ziel müsse es sein, das Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen.