Politische Sprache als Manipulation

Sprache kann direkt auf unser Denken wirken, unsere Wahrnehmung und unser Handeln entscheidend mitbestimmen. Politiker wissen und nutzen das, sagt Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling. Sie sieht eine zunehmende Verrohung der Sprache.

Worte transportieren Wertvorstellungen, die in unserem Unterbewusstsein wirken. Eine Wirkung, die sich Politiker immer häufiger zu Nutze machen, sagt die deutsche Sprachwissenschaftlerin und Kommunikationspsychologin Elisabeth Wehling, die kürzlich in Klagenfurt war.

Viele Bilder schwingen in einem Wort mit

In ihren Forschungsarbeiten zeigt sie auf, wie Wörter von Politikern eingesetzt werden, um politisches Denken und Entscheidungen zu beeinflussen. In ihren Büchern spricht Wehling dabei vom Begriff des „Frames“. Das ist ein bestimmter Rahmen, innerhalb dessen die Wörter gesehen und interpretiert werden.

„Wenn wir ein Wort hören, wie zum Beispiel ‚Kind‘, denken wir eine ganze Reihe anderer Dinge mit, wie Eltern, Familie, in einem Haus leben, Miteinander, das ist ein Frame.“ Durch ein Wort werde im Kopf viel mehr aktiviert, als man sich selbst bewusst sei. Dieses aktivierte Wissen habe einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung.

Sendungshinweis:

Frühjournal, 11. Juni 2016

„Flüchtling“ oder „Schutzsuchender“

So nimmt etwa das Wort „Flüchtling“ im politischen Diskurs einen ganz besonderen Stellenwert ein: „Die Menschen, die auf der Flucht sind, wurden von irgendwo vertrieben und suchen bei uns Schutz. Wir könnten auch von den ‚Vertriebenen‘ sprechen. Damit würde man profilieren, dass es eine Ursache gibt, dass all diese Menschen sich in die Boote setzen.“

Man könnte auch von „Schutzsuchenden“ sprechen, damit würde man ausdrücken, dass es ein moralischer Auftrag sei, den Menschen Schutz zu bieten. Je nachdem, wie jemand politisch über dieses Thema denke, müsse er sicherstellen ob es ihm um die Ursache, die Lösung oder um Flüchtlinge bzw. sogar als Bedrohung durch Flüchtlinge gehe. Ein „Flüchtlingstsunami“, eine „Flüchtlingswelle“, eine „Flüchtlingsflut“ seien bedrohliche Bilder, so Wehling.

Medien übernehmen Worte oft unbewusst

Medien hätten dein Auftrag, zu beleuchten, zu hinterfragen, aber sie verwenden oft selbst Worte, ohne es zu merken, die bereits ideologisch geprägt seien. Zum Beispiel bei der Überschrift „Flüchtlingsstrom bricht nicht ab“ - da sei man sofort in einem Bedrohungsszenario, so Wehling und Europa das Opfer der Situation.

„Endlich spricht mal jemand Tacheles...“

Wehling nimmt in dem Zusammenhang eine zunehmende Verrohung der Sprache im politischen Diskurs wahr. In ganz Europa aber auch in den USA mit Donald Trump gebe es populistische Strömungen. Der raue Ton werde von vielen aber nicht als negativ wahrgenommen, denn er wirke echt, er wirke ehrlich. „Wenn man in der Familie Zuhause über Themen streitet, geht es auch oft härter zu“.

Die Idee, dass diese Sprache von der gesamten Bevölkerung als negativ wahrgenommen werde und sie sagen, wie reden die denn jetzt, das sei falsch. Es gebe viele, bei denen gehe dies direkt in den Bauch, sie sagen, „endlich spricht mal jemand Tacheles“. Sie appelliert in dem Zusammenhang an einen bewussten und sensiblen Umgang mit den Worten.

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