Tschernobyl: Ratlosigkeit und Verunsicherung

In der Nacht auf 26. April jährt sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl (Ukraine) zum 30. Mal. Die radioaktive Wolke zog über ganz Europa, auch über Kärnten. Behörden und Bevölkerung waren ratlos und verunsichert.

Der Supergau im Reaktor 4 in Tschernobyl fiel zunächst unter russische Geheimhaltung. Zwei Tage nach dem Atomunfall gab es nur Vermutungen in den Medien. Erst drei Tage nach der Katastrophe sprachen die Sowjets von einer „Havarie“. Kein Wort aber über die radioaktiven Wolke, die längst über Europa zieht und die tausendfache Intensität der Atombombe von Hiroshima hatte.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Thementag; 25.4.2016

Radioaktiver Regen in Kärnten

Am 30. April regnete es in Kärnten radioaktiv, das zeigen die Messstellen deutlich, erinnert sich Sigi Meissnitzer. Als Nachrichtenredakteur von Radio Kärnten warnte er auf Ersuchen der Landesamtsdirektion die Bevölkerung. Kleine Kinder und Schwangere sollten nicht aus dem Haus gehen. Am Vormittag sah Messnitzer die Übersichtstafel der Strahlenmessstellen in der Landesregierung: „Die waren sonst immer auf Null, da waren sei dann auf vier oder fünf“, so Meissnitzer. Der damalige Landesrat Rudolf Gallob habe auf die Tafel gestarrt und als Journalisten fragen, was passiere, wenn die Werte noch höher steigen, habe Gallob gesagt: „Dann helfe uns Gott.“

„Wussten nicht was Radioaktivität bedeutet“

Sieghard Hasler gehörte 1986 als Feuerwehrchef von Klagenfurt zum Krisenstab. Am Jahrestag der Katastrophe im Jahr 2011 sagte er: „Wir waren alle perplex. Damit hat kein Mensch gerechnet. Es hat keiner gewusst, was zu tun ist. Jeder hat sich bemüht, aus seinem Wissensstand heraus, die Lage zu beurteilen. Nur, das war nicht möglich, weil wir einfach überhaupt nicht gewusst haben, was Radioaktivität bedeutet.“

In den ersten Maitagen spitzte sich die Lage zu. Landwirte, die ihr Vieh mit Grünfutter versorgen, wurde verboten, die Milch ab Hof zu verkaufen. Tiere durften nicht aus Zisternen getränkt werden. Verboten war auch der Verkauf von Frischgemüse aus Freilandkulturen.

Verunsicherung und Ratlosigkeit

Völlig verunsichert und ratlos, so war die Grundstimmung der Kärntnerinnen und Kärntner in diesen Tagen, erinnert sich der Umweltmediziner Dieter Schmidt damals. Er habe sich gefragt, ob die Politiker wirklich die Wahrheit sagen. Er habe festgestellt, dass man über Medikamente sprach, die es in den Apotheken gar nicht gab.

Monatelang blieben Milch und Lebensmittel in Kärnten belastet, Pilze und Wild sogar jahrelang. Pilze aus Osteuropa werden heute noch untersucht, bevor sie nach Österreich importiert werden dürfen. Welche Spätfolgen der Supergau in Tschernobyl hat, darüber sind sich Wissenschaftler bis heute nicht einig. Auch heute noch Strahlen gewissen Waldfrüchte, aber nicht mehr gesundheitsgefährdend - mehr dazu in Tschernobyl: Heute noch erhöhte Werte.