Kammerlichtspiele zeigen „Empfänger unbekannt“

„Adressat unbekannt“, ein Briefroman aus dem Jahr 1938 ist Grundlage für das Stück „Empfänger unbekannt“ in den Kammerlichtspielen Klagenfurt. Die Geschichte einer Freundschaft vor und während der NS-Zeit, von Radikalisierung, Verrat und Rache ist heute noch hoch aktuell.

Die Literaturkritikerin Elke Heidenreich schrieb über den Roman der Amerikanerin Kressmann Taylor aus dem Jahr 1938: „Ich habe nie auf wenigen Seiten ein größeres Drama gelesen. Diese Geschichte ist meisterhaft, sie ist mit unübertrefflicher Spannung gebaut, in irritierender Kürze, kein Wort zuviel, keines fehlt. Ohne Umschweife werden exemplarische Lebensgeschichten erzählt, wird Zeitgeschichte dokumentiert.“

Frank Braunert-Saak und Jens Ihnen bringen diesen Text mit leicht geändertem Titel „Empfänger unbekannt“ in Klagenfurt als szenische Lesung auf die Bühne. Es ist die Geschichte der beiden Freunde Max und Martin, die in San Francisco eine Kunstgalerie betreiben. Max ist Jude und bleibt in Amerika, als Martin zurück nach Deutschland geht. Dort gerät er in den Bannkreis der Nationalsozialisten, wird radikaler und distanziert sich schließlich von seinem jüdischen Freund Max.

Entwicklung der Charaktere

Dargestellt wird die Entwicklung als Briefwechsel zwischen Max und Martin. Braunert-Saak über „Empfänger unbekannt": Da ist kein Wort zuviel, keines zuwenig, da darf man nichts verändern. Wichtig ist, wie sich die Charaktere entwickeln. Dass gerade der Martin nicht als Monster sondern als Mensch dasteht, sonst haben wir jede Indentifikationsmöglichkeit verloren. Das ist genau das, was Zweck des Buches ist. Man muss nachdenken, ob es einem auch so gehen könnte.“

Martin verweigert seine Hilfe

Als Max’ Schwester Giselle, mit der Martin einmal eine Beziehung hatte, sich nicht mehr beim Bruder meldet, ahnt dieser Schreckliches und bittet Martin, ihr zu helfen. Denn ein Brief an die Schwester sei retourniert worden mit dem Vermerk: „Adressat unbekannt“. Martin verweigert die Hilfe, will sich nicht mit der Jüdin in Verbindung bringen lassen. Als sich Giselle in ihrer Not zu Martin flüchtet, verweigert er ihr die Hilfe. Giselle wird von SA-Männern auf Martins Anwesen tot geschlagen. Daraufhin beginnt Max, seinem ehemaligen Freund verfängliche Briefe zu schreiben, die nahelegen, dass dieser Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe sei. Die Behörden werden auf den Briefwechsel aufmerksam und verdächtigen Martin. Am Ende kommt Max’ letzter Brief zurück mit dem Vermerk „Adressat unbekannt“. Marins Schicksal bleib offen, es erscheint aber klar, dass er aus dem Verkehr gezogen wurde. Max’ Rache für den Tod der Schwester ging offenbar auf.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Mittagszeit; 31. Oktober 2014

Publikum erlebt Entwicklungen mit

Jens Ihnen steht nicht nur als Jude Max auf der Bühne, er ist auch Sozialpsychologe: „Die Nationalsozialisten haben den Menschen etwas zur Verfügung gestellt, was sie teilen konnten. Eine Vision, die schrecklich und menschenverachtend war, die Hass weckte und Ressentiments schürte. Das ist sehr realistisch geschrieben. Wir kommen hinter das Denken und Handeln der Hauptfiguren.“

Laut Ihnen könne man besonders die Person von Max gut nachvollziehen: „Er steht mit derselben Fassungslosigkeit davor, mit der ich auch davor stehen würde, wenn ein Freund von mir sich einer Neonazistischen Partei nähert und seine Ziele und Wünsche an diese Bewegung aufzeichnen würde und ich daneben sitzen und zuhören würde.“ Frank Braunert-Saak ist es wichtig, den Roman gerade heute auf die Bühne zu bringen. Der Text sei hoch aktuell. Es ändern sich vielleicht Verfolger und Verfolgte, die Handlungsabläufe seien aber weltweit immer noch dieselben.

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