Klagenfurts Stadtschreiber auf „Crashkurs“

Die Berliner Autoren Karsten Krampitz und Peter Wawerzinek haben ihr Stadtschreiber-Dasein in einem gemeinsamen Buchprojekt verarbeitet. Ihr „Crashkurs Klagenfurt“, eine Art „Fremdenführer für Einheimische“, liegt nun auf.

Mittlerweile wissen nicht mehr nur eingefleischte Literatur-Afficionados, dass wer beim Bachmann-Wettbewerb zum Publikumsliebling gewählt wird, im Folgejahr die Berufung zum „Klagenfurter Stadtschreiber“ erhält. Die eben beiden letzten Inhaber dieses hochliterarischen Amtes ließen die Gelegenheit zur Reflexion nicht ungenützt wie einige ihrer Vorgänger, sondern halten ihre Stadtschreiber-Zeit (die mehr oder weniger „gemeinsam“ mit dem Völkchen im südlichsten österreichischen Bundesland verbracht wurde) ohne Aussparung der wahrgenommenen Abgründe und Untiefen nun literarisch fest. Ganz nach dem Motto: „Komme von außen, gehöre dazu“ sind Texte entstanden, die einen genauen - weil fremden? - Blick auf den „Modus operandi“ der „Kärntner Seele“ werfen.

Briefe im „Schuss-Gegenschuss“-Verfahren

Denselben auf die „Machart“ des Buches anzulegen heißt: Wawerzinek schreibt, Ex-Stadtschreiber Krampitz antwortet - wobei selbiges natürlich auch in Gegenrichtung bestens funktioniert. Auf diese Weise entstanden ist ein schmales Büchlein von kaum hundert Seiten, dessen Inhalte dem einen oder anderen „Kärnten-Geübten“ schon bekannt vorkommen könnten. Ein Risiko, das die beiden Berliner Autoren allem Anschein nach aber gern in Kauf zu nehmen bereit sind - heißt es im Buch doch quasi sich selbst erklärend: „Für den Stadtschreiber gibt es keine räumlichen Tabus. Er muss sich zwischen Gitterstäbe zwängen, verbotenes Terrain erobern, Spuren folgen, Spuren sichern, um eine Stadt wie Klagenfurt erzählbar zu machen. Nur die Literatur kann aus feinfasriger Beobachtung das Tuch weben, auf dem wir eine Region aufgetischt bekommen. Mit den Leuten reden. Darüber schreiben, was angesprochen worden ist. Zustände benennen. Plätze, Haltungen, Peinlichkeiten markieren. Ins Tageslicht stellen, was sonst im Dunklen wirkt“. (Auszug aus: Crashkurs Klagenfurt. Poesie und Propaganda / Klagenfurt 2011, Edition Meerauge)

„Wollen den Ball flachhalten“

Vor Karsten Krampitz hatte Klagenfurt ja schon vier Stadtschreiber. Aber erst nach 15 Jahren Pause (oder sollte man treffender sagen Ruhe?) zog mit dem Berliner wieder ein Vertreter dieser Zunft in das für schreibende Tätigkeiten fast schon wieder etwas zu dunkle Kämmerchen im Klagenfurter Europahaus ein. Noch während Krampitz’ Stadtschreiber-Zeit begann dessen Aussage nach die Idee zum „Crashkurs Kärnten“ (sic!) zu fruchten. Schließlich sei man gemeinsam mit Kollege Wawerzinek aber darin übereingekommen, „den Ball diesbezüglich flachzuhalten“ und den Titel auf Klagenfurt „einzuengen“, so Krampitz.

Sein fünfmonatiger Aufenthalt war medial nicht unbemerkt geblieben: Man erinnere sich nur an die Sache mit dem geklauten, bzw. „ausgeborgten“ Gästebuch aus der Haiderausstellung im Bergbaumuseum. Oder Krampitz’ „Rauswurf“ aus dem Zelt beim Ulrichsbergtreffen.

In Kärnten zu Hause

Unübersehbar bleibt bei Krampiz auch die „erworbene“ und vielzitierte Kärntner Schwermut („Kärnten positiv“), die sich im Buch wie folgt liest:

Als ich vergangenes Jahr in Klagenfurt meinen Abschied nahm, waren die Nächte schon kühl, aber das Wasser war noch warm. Um die zwanzig Grad hatte die Sattnitz Ende September. Also bin ich noch mal rein in den Fluss am Wörthersee, dessen Wasser frühmorgens tief-blau daherkommt, sich bis zum Mittag türkis färbt und gegen Abend grün scheint, je nachdem, wie hoch die Sonne steht. Im Wasser spiegeln sich Berge und Himmel, und die Berge haben alle Namen. (Auszug aus: Crashkurs Klagenfurt. Poesie und Propaganda / Klagenfurt 2011, Edition Meerauge)

„Liebeserklärung an Land und Leute“: Der „Crashkurs“ sei als „Liebeserklärung an Land und Leute“ zu verstehen meint Krampitz und sagt dazu: „Also meine Entdeckung ist, dass Kärnten ein ganz wunderbares Land mit wunderbaren Menschen ist. Ich habe mich hier in Kärnten gewissermaßen zu Hause gefühlt - weil mich hier vieles an die DDR erinnert“.

Nach der Lektüre des Buches wird klarer: Klagenfurt und Berlin trennen mehr als 660 Kilometer. Nicht zuletzt durch den Bachmann-Preis verbindet die beiden ungleichen Städte durch die Literatur nun aber auch so einiges. Wobei für letztere natürlich zu hoffen bleibt, dass noch viele Bücher durch die Klagenfurter Stadtschreiberei entstehen werden.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten - Servus, Srecno, Ciao, 30. September 2011