Warum Frau und Mann unterschiedlich leiden

Dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, wenn sie krank sind, ist wissenschaftlich bewiesen. Auch Medikamente wirken anders. Neue Erkenntnisse aus der „Gendermedizin“ werden in Pörtschach präsentiert.

Im Volksmund ist scherzhaft von einem „Männerschnupfen“ die Rede, wenn jemand zum Ausdruck bringen will, dass Männer unter den Symptomen dieser Erkrankung offenbar mehr leiden als Frauen. Dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, wenn sie krank sind, ist wissenschaftlich bewiesen. Seit zehn Jahren werden in Österreich biologische und psychosoziale Unterschiede zwischen Frauen und Männern erforscht.

Beim Apothekerkongress in Pörtschach präsentieren Experten aus dem Bereich der Gendermedizin und Genderpharmazie bis einschließlich Sonntag neue Erkenntnisse dazu. Apotheker und Tagungspräsident Heinz Haberfeld: „Da geht es um Herz-Kreislauf-Erkrankungen, unterschiedliches Suchtverhalten von Mann und Frau bis hin zu Allergie und Schmerzempfinden, rheumatroide Arthritis, Ostheoporose. Das sind alles Themen, bei denen die Betroffenheit bei Mann und Frau sehr unterschiedlich ist. Krankheiten können später auftreten, sich anders äußern und müssen dementsprechend auch anders therapiert werden.“

Herzinfarkt: Frauen haben andere Warnsignale

Beim Herzinfarkt gebe es zum Beispiel bei Männer und Frauen unterschiedliche Warnsignale, sagte Haberfeld: „Männern fühlen ein Druckgefühl auf der Brust, haben Atemnot. Bei Frauen sind andere Symptome zu beobachten, wie zum Beispiel Abgeschlagenheit, Müdigkeit, eine Abnahme der Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen - sodass man bei den Frauen mitunter gar nicht an eine Herzerkrankung und einen Herzinfarkt denken würde.“

Nicht nur Ärzte, auch Betroffene sollten sensibilisiert werden, und sich bei auffallenden Symptomen an einen Arzt wenden. „Wenn man bei der Frau aufgrund der unterschiedlichen Symptome nicht an Herzinfarkt denkt, kommt die Erste Hilfe meist viel später. Aber es zählt jede Stunde.“

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Auf die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau muss bei der Diagnostik und Behandlung eingangen werden

Medikamente wirken unterschiedlich

Apotheker müssen sich regelmäßig fortbilden, denn auch Medikamente können bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken und auch Nebenwirkungen auslösen. Haberfeld: „Acetylsalicylsäure, besser bekannt unter dem Handelsnamen Aspirin, wirkt vorbeugend. Männer profitieren, bei ihnen sinkt das Risiko für einen Herzinfarkt, bei Frauen das Risiko für einen Schlaganfall.“ Auch Nebenwirkungen können unterschiedlich ausfallen, bzw. ist die Verträglichkeit bei Mann und Frau unterschiedlich.

Früher galten in Studien meist Männer als „Prototypen“, sagte Haberfeld: „Im Mittelpunkt stand primär der gesunde Mann, 30 Jahre alt, 85 Kilogramm. Man hat überhaupt nicht berücksichtigt, dass Frauen durch die Hormone zum Teil einen anderen Stoffwechsel haben und eine andere Muskulatur, Fett- und Wasserverteilung. Das ist natürlich auch wichtig für die Verteilung des Arzneistoffes im Organismus.“ Da meist keine frauenspezifischen Ergebnisse vorlagen, behandelte man Frauen so, als hätten sie die selbe Konstitution wie Männer. In den vergangenen zehn Jahren habe sich viel verändert und mittlerweile werden Frauen in gleichem Maße in klinischen Studien berücksichtigt.

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Medikamente können bei Frauen und Männern unterschiedliche (Neben-)Wirkungen haben

Ziel: Maßgeschneiderte Behandlung

Ziel soll sein, Männern und Frauen eine maßgeschneiderte Beratung und Behandlung zu ermöglichen. Das ist laut Haberfeld zum Beispiel beim Thema Brustkrebs wichtig: „Früher hat man alle Brutkrebspatientinnen mehr oder weniger gleich behandelt. Heute weiß man, dass es viele unterschiedliche Arten von Brustkrebs gibt - in Abhängigkeit davon, welche Rezeptoren in dem Tumor vorhanden sind.“ In die Behandlung können so spezifische Antikörper einfließen.

Gerade in der Diagnostik und Tumortherapie gebe es laut Haberfeld wesentliche Fortschritte: „Man hat maßgeschneiderte Substanzen zur Verfügung. Sie kommen nur dann zum Einsatz, wenn bestimmte Oberflächenstrukturen vorhanden sind. Bei den anderen würden die gar nicht wirken bzw. hätten Nebenwirkungen.“