100 Richter protestieren gegen Sparpläne

Mit einer ungewöhnlichen Protestaktion haben Richter aus ganz Österreich am Mittwoch gegen die Sparpläne des Bundes protestiert. Mehr als 100 Richter, die gerade an einer Tagung in Kärnten teilnehmen, unterbrachen einen Prozess im großen Schwurgerichtssaal.

Insgesamt sollen bundesweit 40 Richter eingespart werden, rund zehn Prozent aller österreichischen Richter - mehr dazu in Gerichtspräsident warnt vor Sparplänen. Am Mittwoch um 11.30 Uhr unterbrach Richter Alfred Pasterk einen Geschworenenprozess wegen versuchten Mordes gegen vier Iraker. Sie wurden von Justizwachebeamten aus dem Saal gebracht, dann zogen über 100 Richter aus ganz Österreich in den Saal ein. Sie brachten Tafeln und Transparente mit, auf denen steht: „So nicht“, „Justiz wird totgespart“ und „Rechtsstaat in Gefahr“.

Richter Protest Sparmaßnahmen

APA/Gert Eggenberger

Der Gerichtssaal konnte die über 100 Richter kaum fassen

Der Schwurgerichtssaal war dann bis auf den letzten Platz mit Richtern, Staatsanwälten und Justizpersonal gefüllt. Erstmals protestierten sie lautstark gegen die Sparpläne der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung. Weil die Richtervereinigung derzeit am Hafnersee tagt, fand die Kundgebung in Klagenfurt stattgefunden. Mit einer klaren Aussage der Teilnehmer: Die Justiz dürfe nicht totgespart werden. Der Preis für die Sparpläne der Regierung sei hoch, das Funktionieren des Rechtsstaates, einer Säule der Demokratie, stehe auf dem Spiel.

Protestreden vor vollem Haus

Auf dem Podium der Richter saß Sabine Matejka, die Vorsitzende der Richtervereinigung. Mit dem größten Transparent „Ihr Recht wird totgespart“ richtete sie sich an die Bevölkerung. Trotz der Einsparungen wünsche sich die Bundesregierung schnellere Verfahren, so Matejka. Und weiter: „Glaubt wirklich irgendjemand, dass weniger Richter mehr Urteile schreiben?“

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Die Protestreden wurden mit langem Applaus von den zahlreichen Anwesenden bedacht.

In den weiteren Protestreden hieß es, die Einsparungen würden monatelange Verzögerungen bringen. Die Protestreden wurden mit langem Applaus von den zahlreichen Anwesenden bedacht. Diskutiert wurde auch die Marschrichtung, wenn die Verhandlungen mit der Politik am Donnerstag nicht das gewünschte Ergebnis bringen sollten. Medienvertreter wurden von den Richtern informiert, danach konnte der Gerichtsalltag weitergehen.

Landesgericht befürchtet Einschränkungen

Auch das Landesgericht Klagenfurt könnte die Auswirkungen des Sparpakets bald zu spüren bekommen. Gleich vier Richter gehen in diesem Jahr in Pension und sollen nicht nachbesetzt werden, dazu kommen noch Richteramtsanwärter, die nicht übernommen werden können. Seit zwei Jahren würden manche Anwärter in Klagenfurt schon auf einen Posten warten, diese Richteramtsanwärter würden langfristig fehlen, sagte Richter Christian Liebhauser-Karl.

Richter Protest Sparmaßnahmen

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Die vier Planstellen, die eingespart werden soll, würden ein großes Loch hinterlassen, sagte Gerhard Kanduth, Klagenfurter Vizepräsident der Richtervereinigung: „in den betroffenen Abteilungen würde es teilweise zu Stillständen kommen. Insgesamt könnte die Dauer der Verfahren in sämtlichen Bereichen weit länger werden.“ Probleme gebe es bereits jetzt. Wegen der Karenz einer Kollegin sei die Zivilabteilung seit vier Monaten unbesetzt. Eine Abteilung, die einen Streitwert von etwa 40 Millionen Euro behandelt. Allein der Zinsschaden würde heuer 300.000 Euro betragen. Eine Nachbesetzung gebe es, es scheitere aber am Geld, sagte Kanduth.

Teure Polizeipferde, günstige Staatsanwälte

Die Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Cornelia Koller, warnte vor einem „justizpolitischen Flaschenhals“. Tausende zusätzliche Polizisten würden mit Sicherheit zu viel mehr Anzeigen führen, diese müssten dann von der Staatsanwaltschaft bearbeitet werden.

Sie habe außerdem gelesen, dass der Innenminister für zwölf Polizeipferde 900.000 Euro jährlich bewilligt bekommen habe. Koller: „Zwölf Pferde würden 36 Staatsanwälte pro Jahr finanzieren, da frage ich Sie schon: Wem wollen Sie die Sicherheit Österreichs anvertrauen, Pferden oder Staatsanwälten?“ Matejka merkte zum Thema Polizeipferde an, dass sich die Justiz „schon längst vom Amtsschimmel verabschiedet hat“.

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„Die Justiz finanziert sich selbst“

Generell würde sich die Justiz in Österreich selbst finanzieren, hieß es. Denn die Kosten von einer Milliarde Euro pro Jahr stehen Einnahmen von 1,2 Milliarden gegenüber. Die Justiz würde also für einen Budgetüberschuss sorgen, heißt es von den Standesvertretern.

Haider: Sicherheit funktioniert nicht ohne Justiz

Richter-Gewerkschaftschef Christian Haider betonte, die österreichische Justiz liege bei allen internationalen Rankings im Spitzenfeld; das werde man dann nicht mehr schaffen. Zum Sicherheitspaket des Innenministers meinte Haider: „Glaubt er, dass die Sicherheit ohne Justiz funktioniert?“ Man hoffe immer noch auf ein Einlenken der Politik, habe vorsichtshalber aber bereits eine Reihe von weiteren Maßnahmen beschlossen, um den Protest zu artikulieren.