Expertin für filmische „Schokoladenseiten“

Seit gut 20 Jahren ist die Kärntnerin Annemarie Komposch in der Filmwirtschaft tätig. Seit fünf Jahren bringt sie als Locationscout Filmteams aus aller Welt nach Kärnten und sucht für sie die schönsten Drehorte in ihrer Heimat aus.

Es sind Filme wie „Iceman“, der „Tatort Eisenkappel“, der Hollywood-Blockbuster „Point Break“ oder zuletzt „Erik-Erika“, bei denen Annemarie Komposch mitgewirkt hat. Das Showgeschäft in all seinen Facetten faszinierte die 45 Jahre alte Kärntnerin schon immer. Nach Stationen beim Radio und Fernsehen und als Schauspielerin in Kleinrollen sammelte sie erste Erfahrungen beim Film. Als Regieassistentin war sie zum Beispiel bei „Ein Arzt vom Wörthersee“ von Klaus Graf mit dabei. Für einige Filme leitete sie auch Castings, bei denen Schauspieler für die unterschiedlichen Rollen gesucht werden. Dabei konnte sie - wie sie selbst sagt - eine gute Menschenkenntnis entwickeln.

Locationscout Otto Schenk Annemarie Komposch Otto Retzer

Annemarie Komposch

Mit Stars aus Film und Fernsehen auf „du und du“: Annemarie Komposch zwischen Schauspieler Otto Schenk und Regisseur Otto Retzer

Auf besondere Orte spezialisierte sie sich erst vor einigen Jahren. Geografie sei nicht unbedingt ihr Lieblingsfach in der Schule gewesen, allerdings komme es ihr bei ihrem Beruf als „Locationscout“ zu Gute, dass sie sich gut in ihrer Heimatregion auskenne und Plätze fernab vom Schuss, also durchaus auch in abgelegeneren Regionen, zu empfehlen weiß, sagt sie.

„Gutes Gefühl“ für Drehbuch entscheidend

Viel entscheidender sei aber ein „gutes Gefühl" für das Drehbuch. Nachdem sie sich eingehend ein Bild davon gemacht und mit den Zuständigen für Regie, Kamera und Szenenbild abgesprochen hat geht es für sie ans Werk: „Ich glaube das kennt jeder von uns: Wenn wir lesen, dann entstehen Bilder. Mir geht es mittlerweile so mit Ortschaften oder Berglandschaften oder mit Gebäuden. Ich weiß dann oft schon automatisch, wo ich hin muss, weil dort das vorfinde, was die Produktion braucht.“

Dreharbeiten Locationscout Annemarie Komposch

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Im Film „Iceman“ wurde die Geschichte des Neandertalers Ötzi am Mölltaler Gletscher nachgestellt

Annemarie Komposch sieht sich als Bindeglied und Vermittlerin zwischen der Filmcrew und den Leuen, die ihren Grund und Boden für die Dreharbeiten zur Verfügung stellen. Im Laufe der Jahre baute sie - dank ihrer aufgeschlossenen und unbefangenen Art, auf Menschen zuzugehen - ein gut ausgebildetes Netzwerk an Kontakten in ganz Kärnten auf. So fällt es ihr meist leicht, für jede Anfrage das passende Angebot zusammenzustellen. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den Tourismusbüros der jeweiligen Regionen, wo gedreht werden soll.

Iceman Dreh Mölltaler Gletscher

Martin Rattini

Knallharte Arbeitsbedingungen bei bitterer Kälte - davon sollen die Zuschauer später nichts mitbekommen

Sie bringt zur Not auch Plastik-WCs auf den Gletscher

Fällt seitens der Filmcrew die Wahl auf ein Tal oder einen Ort werden die Gegebenheiten dort genau unter die Lupe genommen. Dass ein Drehort einfach nur „schön“ sei, reiche meistens nicht aus. Auch die Logistik für die Dreharbeiten müsse berücksichtigt werden: „Wenn wir dann auf 2.000 Meter drehen, brauchen wir nicht nur Allrad-Autos, sondern dann brauchen wir womöglich Skidoos, wir brauchen ein Basislager. Beim Iceman zum Beispiel haben wir dann in der Nähe vom Mölltaler Gletscher unsere Base aufgebaut. Da musste ich dann auch Dixie-Klos und ein Zelt, wo das Mittagessen für die Crew serviert wird, auf den Gletscher bringen lassen."

Auch Licht-Lkws und die Teambusse müssen möglichst nahe an den Drehort herankommen, was oft die eigentliche Herausforderung darstelle: „Man organisiert Straßendienste oder Alternativen. Es ist eigentlich mein Job, dass die Produktion so gut wie möglich sich zurechtfindet und eigentlich keinen Zeitverlust hat. Filmemachen kostet Geld und jede Minute zählt.“

Dreharbeiten Locationscout Annemarie Komposch Point Break

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Dreharbeiten zu dem Hollywood-Film „Point Break“

Was nicht passt wird passend gemacht

Oft greift die Filmcrew in das Dorfleben ein und macht Gegebenheiten für das Filmset passend - zur Überraschung der Dorfbewohner, wie zuletzt bei den Dreharbeiten zum Film „Erik und Erika“, der dieser Tage Kinopremiere hatte:

„Da hat man den idealen Bauernhof dann endlich gefunden, aber noch nicht so ideal, dass man sagt, man kann sofort anfangen zu drehen. Da kommt ein Bautrupp, der dann tapeziert oder aufspachtelt oder dergleichen. Da wird tatsächlich Hand angelegt und da brauchen wir gute Leute, die vor Ort dann sehr schnell das herstellen können, was wir für den Film brauchen.“

Dreharbeiten Locationscout Annemarie Komposch

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Annemarie Komposch bei der Arbeit am Set

Motivgeber sehen mitunter Haus „davonfliegen“

Es wird dafür eigens ein Motivvertrag und eine Motivgebühr fixiert - wie hoch sie ist richtet sich danach, wo sich der jeweilige Drehort befindet und wie lange die Dreharbeiten dauern. Zwischen 50 und mehreren tausend Euro werden dafür bezahlt. Annemarie Komposch erinnert sich in diesem Zusammenhang an die Dreharbeiten zu dem Kinofilm „Mein Fleisch und Blut“ am Weissensee. In den Hauptrollen waren damals Andreas Kindler und Ursula Strauß zu sehen.

Das Drehbuch sah eine besonders actionreichen Szene vor, erzählt Komposch: "Da musste dann das Sommerhaus, wo wir gedreht haben, zum Teil in die Luft fliegen. Wir haben natürlich Versicherungen und es werden auch mit der Feuerwehr Vorkehrungen getroffen, damit die Sicherheit vor Ort gewährleistet ist. Aber natürlich muss man da dann auch den Motivgeber davon überzeugen, dass seine Hütte nicht in die Luft fliegt, sondern dass unsere Spezialisten wissen, was sie tun. Da kann es dann schon passieren, dass eine Motivgebühr etwas teurer ist, was auch verständlich ist.“

Wettergott oft gnadenlos mit Filmcrew

Die Projekte, an denen sie arbeitet, sind unterschiedlich lang. Bei einem Kinofilm dauert es etwa ein Jahr von der ersten Sichtung des Drehorts bis zur technischen Begehung mit Kameramännern und Tontechnikern. Sie sagt, man lerne nie aus und muss immer flexibel sein - vor allem, wenn es der Wettergott einmal nicht so gut mit dem Filmteam meint.

Komposch: "Wir haben oft Regentage oder Schlechtwettertage, wo es vielleicht nicht zum Buch dazupasst. Man muss sich vorstellen: es ist dann schon alles irgendwie organisiert und am Abend wird die Wetterentscheidung getroffen. Es wird alles abgesagt und man muss wieder von vorne beginnen.

Dreharbeiten Locationscout Mölltaler Gletscher Iceman

Annemarie Komposch

Der Mölltaler Gletscher als Filmset

Die Dreharbeiten zum Film „Iceman“ am Mölltaler Gletscher waren von Minusgraden und starkem Wind geprägt. „Es war einfach für das Team wahnsinnig anstrengend zehn Stunden in der Kälte draußen zu stehen. Dann fing es auch noch angefangen zu schneien. Wir mussten dann auch noch die Schneeräumungen und Splitstreuung organisieren, damit die Licht-Lkw wider unbeschadet ins Tal kommen.“

Harte Bedingungen bringen Crew oft ans Limit

Dieser Tage kehrte Annemarie Komposch von einer Begehung in luftigen Höhen zurück, die bei eisigen Temperaturen stattfand - für eine Koproduktion zwischen Deutschland und Österreich, an der die Kärntnerin derzeit arbeitet. „Herzerwärmend“ waren dafür für sie die anerkennenden Worte der Filmcrew, die sich selbst ein Bild von der Kärntner Bergwelt machte. Schon im Vorfeld hatte sie sozusagen „den richtigen Riecher“ bewiesen und ihre Vorschläge fanden Anklang bei den Produzenten und Regisseuren.

"Wir brauchen viel Eis und Schnee und wir werden sicherlich auf einer guten Höhe sein. Das Projekt wird im Februar realisiert. Im Idealfall haben wir dann eine Location mit Schnee und Eis. Das sind dann schon manchmal harte Bedingungen mit 2.000 Meter Höhe, Schneeschuhwanderung, mit -16 Grad, wo dann der Wind auch noch ordentlich pfeift. Ich glaube jeder kann sich vorstellen, dass es durchaus auch anstrengend ist, aber natürlich auch gewaltig schön.“

Location Scout  Schneeschuhwandern Wurthenspeicher

Annemarie Komposch

Begehung für das aktuelle - derzeit noch geheime - Filmprojekt in Kärntens Bergen

Location Scout Schneeschuhwandern Wurthenspeicher

Annemarie Komposch

Beeindruckender Dreh mit trainierten Wölfe

Besonders gerne denkt Annemarie Komposch auch an einen Dreh mit Wölfen zurück. Er hat ebenfalls etwas unter dem Mölltaler Gletscher stattgefunden - für eine Fernsehdokumentation für das ZDF unter dem Titel „Die Reise des einsamen Wolfes“. Im Mittelpunkt stand dabei die Geschichte eines Wolfes, der sich von Rumänien ausgehend über Kärnten nach Italien aufgemacht hat. Das Drehbuch beruhte auf einer wahren Begebenheit und der Weg der Tiere wurde per GPS-Ortung rekonstruiert. Gedreht wurde mit einem Wolfstrainer und speziell geschulten Wölfen.

Für Komposch war es eine neue Erfahrung, sich auf das „Kommando“ der Tiere einzulassen: „Die Tiere geben den Ton an. Das kenne ich sonst nicht, weil ich bin ja sonst eher im fiktiven Bereich unterwegs - also Spielfilm. Da hast du den großen Pulk an Schauspielern, Maske und Kostüm. In diesem Fall bin ich das erste Mal von einem Dreh weggegangen, der mich zwar körperlich total fertig gemacht hat, aber die Zufriedenheit und das Glücksgefühl, das ich verspürte, werde ich nie vergessen.“

Dreharbeiten Wolf Locationscout

Annemarie Komposch

Annemarie Komposch auf „Tuchfühlung“ mit einem Wolf

Vieles ergibt sich oft wie von selbst

Gerade erst lief der Film „Erik und Erika - die wahre Geschichte der Weltmeisterin, die ein Mann war" in den Kinos an. Annemarie Komposch fungierte auch bei diesem Film als „Locationscout“ und begab sich gut einen Monat lang auf die Suche nach dem passenden Skigebiet: „Ich habe geschaut: Wo kann man was machen, wo ist ein Filmteam tatsächlich willkommen. Man möchte nicht meinen dass es durchaus auch Regionen gibt, die sagen: Bei uns lieber nicht, wir sind mitten in der Saison und das würde eher stören.“ Die Wahl für den Hauptdrehort viel auf die Gerlitzen, da sie gut erreichbar war.

Schinegger Casting

ORF

Dreharbeiten zum Film Erik. Weltmeisterin

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Nach dem passenden Bauernhaus für die Aufnahmen wurde die Drehort-Sucherin allerdings nicht in St. Urban, der Heimat von Erik Schinegger, fündig - sondern - eher durch Zufall - in Neuhaus: "Hätte ich mir nicht die Skigebiete angeschaut wäre ich dort nie vorbeigefahren, weil ich bin von der Petzen auf die Koralm und direkt dort vorüber und da habe ich eigentlich schon von Anfang an gewusst, wo ich die Fotos an den Szenenbildner, den Bertram Reiter geschickt habe: da sind wir richtig. Vom Gefühl her weiß man es halt dann wirklich mit der Zeit.“

Treffen mit Jugendidol Bilgeri besonders einprägend

Als besonders faszinierend empfand sie die Begegnung mit einem Idol aus ihrer Jugend: „Ich bin ja ein Kind aus den 70ern und habe dann eigentlich mein Jugendidol Reinhold Bilgeri als Regisseur dazugekriegt. Ich muss schon sagen, da war ich kurz aufgeregt bei der ersten Begehung, wie er sich tatsächlich dann auch noch in mein Auto gesetzt hat. Ich habe mich permanent verfahren, vorlauter mit ihm quatschen, weil es einfach total spannend ist. Mein Zimmer war voll mit Bildern und Postern von Bilgeri. Das war schon ein wunderschönes Projekt.“

Dreharbeiten Locationscout Annemarie Komposch Andrea Leitner

Kärnten Werbung

Annemarie Komposch und Andrea Leitner von der „Carinthia Film Commission“

„Kärntner Filmszene hat großes Potenzial“

Für die Filmszene in Kärnten insgesamt sieht Annemarie Komposch spannende Zeiten vorher. Sie ist überzeugt, dass mit mehr Förderungen für die Filmschaffenden letztendlich auch mehr Geld nach Kärnten kommen würde, da die Crews die Förderungen großteils in der Region wieder ausgeben: „Wir brauchen ja nicht nur Filmleute, sondern wir brauchen ja auch Handwerker, die wir mit einfließen lassen können. Wir bringen natürlich auch einen ganz großen Marketingwert und Tourismus mit uns und auch Nächtigungen usw.“

Auch wenn viele ihrer Branchenkollegen ins Ausland streben würden, für sie ist ihre Heimat Kärnten „das gelobte Filmland“. Sie würde sich wünschen, dass davon mehr im Film und Fernsehen zu sehen wäre. Dazu will als Locationscout weiterhin ihren Teil beitragen.

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