Kindesmissbrauch: Prozess endet mit Freispruch

Wegen schweren sexuellen Missbrauchs musste sich am Dienstag ein 37-jähriger Kärntner vor Gericht verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, vor Jahren die zehnjährige Tochter seiner Ex-Lebensgefährtin missbraucht zu haben. Der Prozess endete nach neunstündiger Verhandlung mit einem Freispruch.

Der Angeklagte bestritt schon zu Prozessbeginn die Vorwürfe und erklärte, das Mädchen wolle wohl Aufmerksamkeit bekommen. Staatsanwältin und Verteidigerin gingen beide darauf ein, dass der Angeklagte bereits von der Zwillingsschwester des Mädchens des sexuellen Missbrauchs beschuldigt worden war. Dieses Verfahren wurde eingestellt. Erst später erhob auch das zweite Kind Vorwürfe, hier kam es nun zur Anklage. Wie im Prozess herauskam, dürfte es zwischen den Zwillingsschwestern eine große Rivalität und gegenseitiges Misstrauen geben.

Etwas mehr als ein Jahr hatte die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Mutter der Mädchen gedauert, bevor sie sich trennten. Das Thema sexueller Missbrauch kam erst mehrere Jahre später zutage, als der Aufklärungsunterricht in der Schule stattfand. Der psychische Zustand der Mädchen verschlechterte sich über die Zeit, beide waren auch immer wieder wegen selbstverletzenden Verhaltens bis hin zu Suizidversuchen in stationärer Behandlung.

Anwältin: Suche nach Aufmerksamkeit

Die Anwältin des Angeklagten erklärte, dass das erste Mädchen die Vorwürfe aus Rache wegen der Trennung erfunden habe. Das zweite Mädchen wolle Aufmerksamkeit und habe ihren Mandanten deshalb falsch beschuldigt. Außerdem habe es eine Hausdurchsuchung beim Angeklagten gegeben, bei der kein belastendes Material - etwa Kinderpornografie - gefunden wurde. Der schlechte Zustand der Mädchen sei auf andere Probleme der Familie zurückzuführen. Der Angeklagte selbst erzählte von einem gesunden Familienleben, von gemeinsamen Ausflügen, Festen und Messebesuchen.

Belastende Aussage der Mutter

Die Mutter der Mädchen sagte vor Gericht aus, dass die Beziehung an der Unzuverlässigkeit des Angeklagten gescheitert sei. Er habe Tabletten und Alkohol konsumiert, als er auf die Kinder aufpassen sollte. Ihre Töchter seien froh gewesen, als sie sich vom Angeklagten trennte. „Es sind beiden die Tränen gekommen. Sie haben gesagt, endlich ist es wieder ruhig.“ Die Mutter führt die Probleme ihrer Töchter auf das zurück, was dem Angeklagten vorgeworfen wurde und wird.

Psychologin: Posttraumatische Belastungsstörung

Nach der Befragung des Angeklagten, der Mutter der Mädchen und mehrerer Zeugen war in der Verhandlung am Dienstagnachmittag die Gutachterin am Wort. Die Psychologin attestierte der heute 17-Jährigen eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Borderline-Persönlichkeit mit massivem selbstverletzenden Verhalten. Ursache sei ein sehr traumatisierendes Erlebnis, so die Expertin. Das könne Missbrauch sein, aber auch andere Möglichkeiten seien denkbar.

Die Jugendliche und ihre Zwillingsschwester hatten nach ihrer Geburt bei der damals selbst erst jugendlichen Mutter nicht ausreichend Geborgenheit erfahren, daher litten sie auch darunter, die Bindung zur Mutter sei nicht gut. „Das ist auch ein Trauma“, erklärte die Psychologin. Hinweise, dass die Aussagen über den Missbrauch durch Beeinflussung oder aus Aufmerksamkeitsstreben gemacht wurden, fand die Expertin nicht.

Die Sachverständige führte auch eine Analyse der Vernehmung des Mädchens durch. Anhand eines Schemas könne man sagen, ob Aussagen eher auf realen Erlebnissen beruhen oder nicht. Die Psychologin fand Hinweise, wonach die Aussagen der Jugendlichen „von hoher inhaltlicher Qualität“ seien. Nach der Befragung der Sachverständigen wurde im Gericht die Aufzeichnung der mehrstündigen Vernehmung der 17-Jährigen vorgespielt.

Freispruch nach Verhandlungsmarathon

Neun Stunden dauerte die Verhandlung am Dienstag. Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Dietmar Wassertheurer fällte schließlich den Freispruch. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, der Freispruch ist somit noch nicht rechtskräftig.