Wie entkommt man dem Weihnachtsblues?

Weihnachten, das Fest der Liebe, ist vor allem für alleinstehende Menschen die traurigste Zeit im Jahr. Psychologen raten, sich von idealisierten Klischees zu lösen. Hilfe bietet auch die Telefonseelsorge.

Einsamkeit ist das andere Gesicht des „Festes der Liebe.“ „Die Weihnachtszeit teilt die Gesellschaft in zwei Gruppen – die Glücklichen und eine große Gruppe Menschen, für die Weihnachten ein ganz großes Problem ist“, sagt Psychologin Heidemarie Smolka. Sie hat sich auf positive Psychologie bzw. Glücksforschung spezialisiert. Zu keiner anderen Zeit schmerzt die Einsamkeit mehr, zu keiner anderen Zeit gibt es mehr Familienkrisen.

Kerzen Weihnachten

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Nicht für alle ist Weihnachten das Fest der Liebe und Familie, viele sind einsam

Viele Sehnen Ende der Weihnachtszeit herbei

Zu Weihnachten haben Gefühle, Hoffnungen und Erwartungen Hochsaison. Das idealisierte Bild des Festes sehe vor, dass die Menschen das „Fest der Liebe“ in glücklicher Eintracht mit der Familie unter dem Christbaum verbringen wollen. Enttäuschungen sind vorprogrammiert.

Schon die gesamte Adventszeit ist für alleinstehende Menschen schwierig. Das „ideale Weihnachtsfest“ ist weit von ihrer Realität entfernt. Sie fühlen sich - in den Wochen und Tagen vor Weihnachten - wie ein Fremdkörper. „Ich weiß von vielen Klienten, dass sie wirklich froh sind, wenn diese Zeit vorbei ist“, so die Psychologin.

Weihnachten ohne Klischees und Scheinharmonie

Der „Weihnachtsblues“ müsse aber nicht sein, meint Smolka. Sie rät, sich vorab zu überlegen, „wie denn mein Weihnachten abseits von Klischees und Scheinharmonie sein soll.“ Ein netter Abend mit einer Freundin, ein Weihnachtsspaziergang, aber auch ein Abend, an dem man sich selbst verwöhnt – das müsse jeder für sich entscheiden. Wichtig sei vor allem, sich von den idealisierten Klischees und hohen Erwartungen zu lösen: „Wenn du haben willst, was du noch nie gehabt hast, dann tue, was du noch nie getan hast.“

Hilfe per Telefon, Chat und Online

Wenn die Einsamkeit zu den Feiertagen zu sehr schmerzt, bietet die Telefon-Seelsorge der Kärntner Caritas unter der kostenlosen Telefonnummer 142 Hilfe. Auch per Mail und Chat sind die Seelsorger erreichbar.

Was macht denn überhaupt glücklich?

Aber auch für den Rest des Jahres könne man das Glücklichsein eindeutig lernen, sagt die Psychologin. Zu Beginn sollte man sich fragen, was denn Glück für einen selbst bedeute. Das sei eine Frage, die mitunter nicht leicht zu beantworten sei. Vor allem, weil viele Menschen einem gesellschaftlich vorgegebenen „Scheinglück hinterher hecheln.“ Findet man die Antwort, ist man der Lösung bzw. der persönlichen Zufriedenheit schon viel näher gekommen.

Viele Menschen seien generell zu sehr problemorientiert. „Die Menschen sind immer mehr überfordert. Der Druck steigt aus vielerlei Gründen“, meint Heidemarie Smolka. Auch damit stehe man dem eigenen Glück im Wege.

Hochsaison für Telefonseelsorger

„Probleme wiegen zu einem Zeitpunkt, der für Geschenke, Freude und Harmonie steht, doppelt“, sagt auch Silvana Fischer, Leiterin der Telefonseelsorge Kärnten. Weihnachten sei auch die Hochsaison der Einsamkeit: „Jene, die unter Einsamkeit leiden, haben noch weniger Kontaktmöglichkeiten als sonst und können dadurch noch weniger Anteil am sozialen Leben nehmen.“

Zu Weihnachten sieht man rundherum glückliche Menschen, sagt auch die stellvertretende Leiterin der Telefonseelsorge, Gudrun Rochla: „Man sieht glückliche Menschen in der Werbung, man sieht sie auf der Straße und wenn man einsam ist glaubt man, das Glück ist nur bei den anderen zu Hause. Das macht natürlich doppelt einsam.“

Die Bandbreite der Sorgen ist groß und reicht von Schicksalsschlägen, Trennungen, unglücklichen Partnerschaften bis zu finanziellen Problemen. Den oder die typische Anruferin gibt es nicht, sagt Rochla: „Es betrifft alle Altersschichten. Kein Problem ist zu gering oder zu groß, dass man nicht anrufen kann und ein Gegenüber findet, mit dem man das besprechen kann.“

65 Mitarbeiter rund um die Uhr im Dienst

65 Mitarbeiter sind heuer rund um die Uhr im Dienst. Im Jahr 2016 verzeichnete die Telefon-Seelsorge 13.518 Anrufe, davon war in 3.334 Fällen akute Einsamkeit der Anlass zur Kontaktaufnahme. Besonders in den letzten beiden Monaten des Jahres sei das Thema Einsamkeit ein Problem, fast 900 einsame Menschen suchten im letzten Jahr im November und Dezember Hilfe.