Chirurg: Patient darf nicht zur Nummer werden
Die Frage, wie man zu einem guten Chirurg wird, lässt sich von Schlapper, Chirurg und Abteilungsvorstand der Chirurgie am LKH Wolfsberg zwar leicht erklären, der Weg dorthin ist aber alles andere als leicht und vor allem sehr lang: „Man benötigt Geduld, Aufmerksamkeit, Blickvermögen, Einfühlungsvermögen und natürlich die gesamte technische Ausbildung, die für diesen Beruf notwendig ist. Deshalb ist es gut, wenn man immer wieder an anderen Kliniken war und hospitiert hat, um sich Wissen anzueignen.“
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„Demut vor den Handlungen, die man setzt“
Fehler, die von einem Chirurgen gemacht werden, lassen sich leichter auf eine Behandlung und somit auf einen Arzt zurückführen, als dies bei Allgemeinmedizinern der Fall ist. Doch das gehört auch für Schlapper zum Berufsalltag: „Selbstverständlich ist jede Arbeit eines Arztes sehr verantwortungsvoll, immerhin begibt sich der Patient in dessen Hände. Der Chirurg muss die Patienten so operieren, dass er sie wieder in die Beschwerdefreiheit bringt. Das wichtigste ist die Demut vor den Handlungen, die man setzt. Die Eingriffe sind nicht nur chirurgisch-technischer Natur, es sind auch ethische Verantwortungen, die man als Chirurg mittragen muss.“
Auch Fälle von Komplikationen lassen sich oft nicht vermeiden, doch dem ist sich jeder Chirurg bewusst. „Jeder Chirurg, der ehrlich zu sich selbst ist weiß, dass es keine Chirurgen gibt, die ohne Komplikationen operieren. Aber auch der Operierende kann in gefährliche Situationen kommen, diese muss er während der Operation abschätzen und Maßnahmen setzen, die dem Patienten nicht schaden“, so Schlapper.
„Es ist auch für uns nicht immer leicht“
Seit Jahren ist der Chirurg mit Krankheit und Leid konfrontiert. Und gibt auch zu, dass manche Situationen nicht immer leicht sind: „Wir sind auf die Krebschirurgie im Bauch- und Brustbereich spezialisiert. Man kann den Patienten eigentlich nur Erfahrungswerte sowie statistische Werte anbieten. Das ist für den Patienten natürlich schwer und auch für uns ist es nicht immer leicht, die Erkrankten in diese Richtung zu führen. Man muss zwar alles erklären, was vor der Operation wichtig ist, doch oft tut man sich schwer, jenen Patienten die einen langen Leidensweg hinter sich haben, die weitere Ausbreitung von Tumoren beizubringen.“
Manche Situationen lassen den erfahrenen Chirurgen aber auch nicht gleich los. „Große Operationen können den Chirurgen auch in der Nacht verfolgen. Man braucht unbedingt einen Ausgleich. Einige bevorzugen Sport, ich das Lesen von philosophischen Schriften, die mich zum Nachdenken über diese Themen bringen und so von meiner Arbeit ablenken. Dieses Nachdenken bringt einen auch zum differenzierten Denken, das mir auch bei der Diagnostik weiterhilft“, so Schlapper, der auch bestätigt, dass man im Laufe der Zeit ein gewisses Bauchgefühl entwickelt, welches man aber immer durch die modernen, technologischen Mittel bestätigen müsse.
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„Schachspiel-Denken“ als Schlüssel zum Erfolg
Auch mental muss ein Chirurg immer voll und ganz bei der Sache sein, wie der Experte über seinen Beruf erklärt: „Man spricht hier vom ‚Schachspiel-Denken‘, wo während der Operation schon zwei bis drei Schritte voraus gedacht wird, auch wenn beim Patienten noch nichts passiert ist. Dies ist wichtig um Komplikationen vorzubeugen. Wenn man gut und sorgfältig operiert, sind diese Bedenken jedoch überflüssig.“
Sollte es dennoch zu schwierigen Situationen kommen, befinden sich auch Chirurgen in einem so genannten „Flow“. „In komplizierten Situationen, die es oft gibt, schaltet man oft den Kopf ab und konzentriert sich wirklich nur noch auf die Operation und auf die Lösung des Problems“, so der selbst ernannte Choleriker und Perfektionist. „In ernsten Situationen verlange ich absolute Ruhe, wenn es zu Komplikationen kommt. Damit ich die Operation gut zu Ende bringen kann.“
Patienten nur noch eine Nummer
Auf die Frage, ob der Umgang mit Patienten heute immer unpersönlicher werde, sagt der Spezialist: „Es geht hier um Zentralisation, um Optimierung und Effizienz. Ob das für den Patienten immer gut ist, dass er zu einer Nummer wird, wage ich zu bezweifeln. Bei uns im LKH Wolfsberg, das österreichweit einen guten Ruf besitzt, kennen die leitenden Oberärzte die Patienten in- und auswendig. Wenn der Chirurg ein ethisches Bewusstsein hat, denkt er über den Patient nach und macht sich Sorgen um ihn. Außerdem ist es das gute Recht des Patienten, laufend Informationen von seinem behandelnden Arzt zu bekommen.“
Im Zuge dieser Optimierung komme es auch oft dazu, dass Technokraten über den Verlauf eines Patienten bestimmen, so Schlapper. „Sie fordern eine kurze Aufenthaltsdauer, egal ob der Patient zu Hause jemanden hat, der ihn betreut oder nicht.“
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Arbeitsplatz als Auslöser für Krebs
„Wenn es um die Erkennung von Krebs geht, müssen wir heute auf die Arbeitsmedizin zurückgreifen. Gewisse Belastungen am Arbeitsplatz können bestimmte Krebsarten hervorrufen - wie der Lungenkrebs bei Straßenarbeitern, aber auch ungesunde und falsche Ernährung, die in modernen Großstädten häufig zu Darmkrebs führen“, so der erfahrene Chirurg.
Trotz Traumberuf: „Froh wenn ich in Pension bin“
„Chirurg - das war schon meine Vorstellung von meinem beruflichen Werdegang. Ich war eigentlich mental immer analytisch unterwegs. Analytik ist auch während der Operation ständig notwendig, was tue ich mit dem Patienten, wie beherrsche ich Komplikationen. Das geht dem Chirurgen ständig im Kopf herum“, so Schlapper.
Trotzdem kritisiert Schlapper den Druck, der in den letzten Jahren immer mehr auf den Schultern von Medizinern lastet: „Das wird immer mehr und das wird immer grauslicher, ich bin froh, dass ich in eineinhalb Jahren in Pension bin.“ In seiner Pension möchte sich der passionierte Philosoph dann seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Lesen, widmen.