Straub-Roman über ein schiefgelaufenes Leben

Die Wahl-Klagenfurterin Isabella Straub beschreibt in ihrem neuen Roman „Wer hier schlief“ mit Hauptfigur Philipp Kuhn einen Mann, der alles auf eine Karte setzt und verliert. Keine Wohnung, kein Job und dann verschwindet auch noch seine große Liebe spurlos.

„Myriam Kobalt, Watzlawickgasse 53/5. Farbabweichung.“ Diese Notiz wird Philipp Kuhn, die Hauptfigur von Isabella Straubs neuen Roman, später als den Kipppunkt seiner Existenz bezeichnen. Eine ganz einfache Reklamation bei einer Sicherheitstüre führt ihn zu Myriam, in die er sich verliebt. Er ist bereit, für sie seine wohlhabende Frau und ihre Firma für Sicherheitstüren hinter sich zu lassen.

Ein Mann verlässt seine Lebensgefährtin, um mit einer Jüngeren zusammenzuleben. Die Wahl-Klagenfurterin Isabella Straub weiß, dass diese Grundkonstellation nicht überraschend ist. Sie war jedoch interessiert, was mit einem Menschen passiert, dessen altes leichtes Leben im Überfluss plötzlich nicht mehr da ist – und ihren neuesten Roman „Wer hier schlief“ darüber geschrieben.

„There’s so much to be learned about pain”

„There’s so much to be learned about pain.“ Dieses Zitat des Chirurgen Norman Rupert Barrett stellte die Schriftstellerin dem Buch voran. Die Hauptfigur Philipp Kuhn muss viele schmerzhafte Erfahrungen machen, bis er am Ende einiges über sich herausgefunden hat. Das Zitat bezieht sich aber auch auf Kuhns permanente Magenschmerzen. Diese Mehrdeutigkeit zieht sich durch das ganze Buch hindurch.

Cover Roman Isabella Straub Wer hier schlief

Verlag Blumenbar Aufbau

Das Buch soll am 15. September erscheinen.

Als Kuhn in die Watzlawickgasse fährt, um bei Myriam zu leben, wohnt sie dort gar nicht. Ironisch und typisch für Isabella Straub ist, dass die Gasse in der keine Kommunikation mehr möglich ist nach einem berühmten Kommunikationswissenschaftler benannt ist.

Nichts außer „Adam“

Die Hauptfigur besitzt so gut wie nichts mehr. Ihm ist nur ein Gemälde geblieben, das ihn auf seinen Streifzügen durch Wien überall hin begleitet. „Adam“ heißt dieses Bild vom österreichischen Maler Rudolf Hausner, der jahrzehntelang Selbstporträts malte.

„Adam“ sieht Kuhn sehr ähnlich. „Natürlich kann man sagen, dass das eine komische Situation ist. Wieso trägt der sich selbst herum? Aber wir haben alle Selfies auf unserem Handy und wir tragen alle uns selbst herum“, sagte Straub. Dieses Spiegelbild sei das einzige was Philipp Kuhn bliebe und reagiere auf seine eigene Art und Weise auf die Handlung. "Einmal hat dieser Adam die Augen zu und einmal schaut er woanders hin. Er reagiert auf seine Weise auf die Ereignisse“, erklärt Straub.

Buch spielt in „Parallelwien“

Wichtig war der Schriftstellerin, dass alles was in ihrem Buch steht, auch wahr sein könnte. Für „Wer hier schlief" hat Straub ein komplettes Universum erfunden, das nach ganz eigenen Regeln funktioniert. „Die Stadt, in der alles spielt, ist Wien, aber es ist ein Parallelwien. Keine einzige Straße gibt es wirklich. Die Stadt reagiert flexibel auf die Ereignisse der Hauptperson. Wenn Kuhn im Park eine Taube sieht, dann ist der Park nach einer Taubenforscherin benannt“, sagt Straub.

In der Stadt leben viele Menschen wie Philipp Kuhn. Sie sind nicht offiziell arbeitslos, sondern sogenannte „Arbeitsnomaden“. Sie renovieren Wohnungen, leben dort und ziehen dann weiter. Es seien „SUHOs“ („suddenly homeless“), eine Gruppe an Aussteigern, denen sich Philipp Kuhn anschließt. „Wenn man so will, sind es kreative Obdachlose, die ihre Obdachlosigkeit in etwas anderes verwandeln. Es ist keine klassisch realistische Obdachlosenstory. Es geht einen Schritt neben die Realität. Sozusagen was wäre wenn es diese Pop up-WGs in den Pflegeheimen wirklich gäbe?“, sagt die Schriftstellerin.

„Muss man wirklich alles besitzen?“

Straubs Roman spielt in der nahen Zukunft. Zum Beispiel zeigt eine App den Obdachlosen welche Buffets von Kulturveranstaltungen gerade was zu bieten haben. Dass sich auch die Gesellschaft verändert, zeigt sich daran, dass Kuhn nicht einfach in sein altes Kinderzimmer einziehen kann. Das ist längst untervermietet. „Ich glaube, dass ein „Downgrading“, was die Ansprüche des Wohnens betrifft, bald an der Zeit ist. Die Frage ist: Was sind die Werte die daran hängen? Warum ist uns Wohnen so wichtig? Muss man wirklich alles besitzen? Oder können wir Wohnraum teilen, was für Möglichkeiten gibt es da? Das hat mich interessiert“, sagt die Wahl-Klagenfurterin.

Vergangenes in die Gegenwart

Auf der Suche nach Myriam, seiner verschwundenen großen Liebe, trifft Philipp Kuhn auf Friedrich Solak. Die beiden trinken ein geheimnisvolles Elixier und plötzlich verändert sich die Wohnung, in der sie sind. Mithilfe einer Apparatur sieht Kuhn Myriam wieder. Nach Straub ginge es auch darum, Vergangenes in die Gegenwart zu transportieren. „Das ist eines der Themen die immer wieder vorkommen. Ist diese Chronologie des Lebens endgültig oder haben wir eine Chance gewisse Dinge noch einmal zu erleben?“, fragt sich Straub.

Keine Moral von der Geschichte

Straub ginge es auch in ihrem dritten Roman darum, gute Geschichten zu erzählen. „Die Frage ist immer, warum lesen wir? Was sagt uns Literatur, was gibt sie uns mit?“, fragt sich Straub. Sie habe sich für ihr Buch auf eine „innere Reise“ begeben, aber auf eine Moral verzichtet. Der Titel des Romans, „Wer hier schlief“, ist eine Anspielung auf die Online-Verkaufsplattform „Amazon“. Wenn man einen Artikel anklickt wird einem vorgeschlagen: „Wer das kaufte, hat auch das gekauft.“