17-Jähriger als Entwicklungshelfer im Senegal

Reisen bildet, heißt es, und für junge Leute ist ein Auslandsaufenthalt eine unschätzbare Erfahrung. Der 17-jährige Klagenfurter Michael Bürger arbeitete ein halbes Jahr im Senegal in einer Kindertagesstätte und erlebte Afrika von seiner ärmsten Seite.

Mit 17 wollte Michael Bürger etwas Neues ausprobieren, auch wenn ein längerer Aufenthalt in Senegal eigentlich nicht sein ursprüngliches Ziel war: „Es war für mich Plan B. Eigentlich wollte ich Eishockeyspieler werden, habe nach einer Verletzung aber aufhören müssen. Ich habe mir überlegt, was kann ich im Jahr nach der Schule machen und bin auf Unterstützungshilfe im Senegal gekommen.“

Senegal Karte

ORF

Schock bei der Ankunft

Der Senegal mit der Hauptstadt Dakar liegt an der afrikanischen Westküste: „Es ist eines der wichtigsten Länder in Westafrika. Es war eine französische Kolonie. Die zehn Prozent gebildetere Menschen sprechen französisch, der Rest spricht die Stammessprache Wolof.“ Der erste Eindruck bei der Ankunft sei gewesen, es gebe keine Organisation. Am Flughafen habe er zwei Stunden auf sein Gepäck gewartet, denn von den beiden einzigen Bändern sei eines kaputt gewesen.

Es hatte 45 Grad im Schatten ohne Klimaanlage. Viele versuchten, ihm die Taschen aus der Hand zu reißen, ihn in ein Auto zu zerren und Geld zu kassieren. „Es war ein großer Schock am ersten Tag.“ Er habe sich schon gedacht, „was hab ich getan“. Das Glück war, dass er von seiner Organisation abgeholt wurde, sonst hätte er den Flughafen nicht verlassen.

Er sei dann in ein Hotel gebracht worden, denn die Fahrt ins 270 Kilometer entfernte Saint Louis im Norden an der mauretanischen Grenze dauerte fünf Stunden. Das liege an den afrikanischen Straßen, so Bürger.

Kinder aus den ärmsten Slums

Er arbeitete zunächst in einem Tagesheim für Talibe, das sind Straßenkinder. Die Talibe sollen den Koran lernen und werden unterrichtet von Marabouts - Koranlehrern. Die lehren in Daraas (Religionsschulen), in den ärmsten Slums, die man sich vorstellen könne. Die Kinder können im Heim duschen, spielen und auch ein bisschen fernsehen. „Die Älteren werden in Englisch, Mathematik und Französisch unterrichtet.“

Michael Bürger Senegal

Michael Bürger

Michael mit seinen Schützlingen

So fand sich der 17-Jährige in der Rolle des Lehrers wieder: „Ich hab vor allem Englisch und Mathe unterrichtet. In Französisch habe ich selber Unterricht gebraucht. Sonst habe ich mit den Kindern Fußball gespielt, gemalt und gezeichnet.“

Buben werden von Familien weggeschickt

Die Familienstruktur im Senegal ist eine völlig andere. Die Kinder werden häufig weggeschickt, da sich die Eltern die Nahrung für die Kinder nicht leisten können, sagte Michael Bürger. Ein Mann dürfe bis zu vier Frauen haben und da kämen viele Kinder zusammen. Wenn man sowieso kein Geld habe, werden die Burschen zu den Marabouts geschickt, die Mädchen müssen Zuhause arbeiten.

Michael Bürger Senegal

Michael Bürger

Armut und Schmutz

Aus Gesprächen mit Senegalesen habe er gelernt, dass die meisten die Mehrfrauenehen gar nicht mehr wollen. Die Jüngeren haben alle nur mehr eine Frau. Bei der ersten Hochzeit müsse der Mann angeben, ob er monogam oder polygam leben möchte. Wenn man monogam angebe und dann eine Geliebte habe, sei das verboten und sehr riskant.

„Eher lockerer Umgang mit Islam“

Die Mehrheit der Senegalesen ist muslimisch: „Es gibt keine Verschleierung, Ausländer können sich locker anziehen. Sie beten fünfmal am Tag, aber sie sind eher locker.“ Gegessen wird dreimal am Tag, vor allem Reis und Fisch. Reichere essen auch Fleisch. In der Früh gebe es Baguette mit Aufstrich. Er habe zwar bei einer wohlhabenderen Familie gewohnt, dennoch habe es weder fließendes Wasser noch ein Waschbecken oder WC gegeben. Er habe Mäuse im Zimmer gehabt, Kakerlaken waren überall. „Mama und Papa waren mich besuchen und haben gesagt, ich wohne in einem Loch. Ich habe gesagt, ich habe aber noch ein schönes Zimmer erwischt.“ Wenn man sehe, wie die Armen in Sandhäusern mit Plastikdach leben, das sein ein Wahnsinn.

Vergabe von Mikrokrediten als Starthilfe

Nach drei Monaten wandte er sich neuen Aufgaben zu, der micro finance, der Vergabe von Mikrokrediten. Damit will man der armen afrikanischen Bevölkerung eine Zukunftsperspektive bieten. Das Budget betrug pro Benefiz 220 Euro, die Bewerber hätten sich aber qualifizieren müssen und Unterricht in Mathematik und Buchhaltung nehmen müssen. „Wenn sie den Test bestanden haben, hatten sie die Möglichkeit, von uns einen Kredit zu bekommen. Wir haben einen Businessplan ausgearbeitet, wie man Geld verdienen und zurückzahlen kann, wo sie einkaufen und ihr Geschäft am besten aufziehen. Dieselbe Aufgaben, die auch eine Bank hat.“

Wer keine Geschäftsidee hatte, dem wurden Inputs geliefert. Es sei nötig, dass es viele Schneider oder auch Kioske gebe, auch Schuhverkäufer seien gefragt. Das durchschnittliche Monatseinkommen beläuft sich auf etwa 80 Euro. Trotz all der Armut ist die Mentalität der Senegalesen heiter. Alle sagen immer, es gehe ihnen gut, auch wenn es anders aussehe. Sie können mit fast nichts leben, das haben sie gelernt.

„Man schätzt, was man hat“

Mit 17 kam Michael Bürger in Senegal an. Mittlerweile ist er 18 und gereift, außerdem dankbar. Er schätze allein das gute Wasser in Kärnten. Man lebe in Europa sehr privilegiert mit grünen Wiesen und Ackerbau. Im Senegal gebe es Sand und Busch. Aus der Leitung zu trinken hat für Europäer unangenehme Folgen: „Man liegt die nächsten Tage mit Durchfall und Erbrechen im Bett. Von der Organisation haben wir alle 14 Tage Wasser bekommen. Da dort aber alles länger dauert, musste man oft 16 oder 17 Tage warten und da wird es schon eng. In den Geschäften gibt es teures Wasser zu kaufen, die Händler muss man von fünf Euro pro Flasche auf einen Euro herunterhandeln.“

Innere Gelassenheit kann man immer brauchen. Positiv sei gewesen, dass es keinerlei Stress gebe. Wenn etwas an einem Tag nicht funktioniere, kommen die Menschen halt am nächsten Tag oder noch später wieder. Und alles was unter eine Stunde zu spät sei, gelte als pünktlich. Ab Herbst wird Michael Bürger in Innsbruck Wirtschaftswissenschaft studieren. Aber den Ruf Afrikas hört er immer noch: „Ich werde auf jeden Fall runterzufahren und im Projekt Mikrofinanz mitzumachen und zu helfen.“