Schwarzenberg: Politiker zur Arbeit „treten“

Bei einem Vortrag zur EU und den Nationalstaaten nahm sich Aristokrat und Politiker Karl Schwarzenberg kein Blatt vor den Mund. Er übte heftige Kritik an der Reformunfähigkeit der EU, faulen Eliten und Politikern. Letztere müssten vom Volk zu Arbeit und Reformen getreten werden.

Die Volkswirtschaftliche Gesellschaft Kärnten hatte Karl Schwarzenberg in Klagenfurt zum Vortrag geladen. Der langjährige tscheschische Außenminister ging in „EU versus Nationalstaaten“ hart mit Politikern, EU und den sogenanten Eliten ins Gericht. Daneben war der Vortrag jedoch auch ein leidenschaftliches Plädoyer für die Europäische Union als - so Karl Schwarzenberg - grundsätzlich „großartigste Konstruktion“ unserer Zeit.

Krieg als „Normalzustand“ beim Menschen

„Unsere Eltern und Großeltern“ hätten in großer Armut gelebt. Das, was gemeinsam erreicht worden sei, sei einzigartig und eine Art „Friedenswunder“, das von vielen als zu selbstverständlich genommmen wird. „Die Leute glauben immer, dass das von selber kommt. Das stimmt nicht, Normalzustand bei den Menschen sind immer wieder Kriege. Der Wohlstand, wie wir in jetzt hier in Europa erleben, ist eine historische Einmaligkeit. Wir machen es uns nur nicht bewusst, dass es eine Ausnahmesituation ist.“

Vita Karl Schwarzenberg

Der Aristokrat und Politiker wuchs in der Nähe von Murau auf und ist eigentlich tschechischer und schweizerischer Staatsbürger, wird aber auch als Österreicher wahrgenommen. Viele Jahre war er in der Politik tätig - hinter der Bühne genauso wie in der ersten Reihe etwa als langjähriger tschechischer Außenminister. Am Donnerstag sprach er über das Thema „EU versus Nationalstaaten“.

Wahl Le Pens für Europa „Katastrophe“

In dieser angenommenen „Selbstverständlichkeit“ liege die Gefahr, so Schwarzenberg. Ein Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union sei im Interesse aller. Er warnte davor, momentane Ereignisse wie die Wahl in Frankreich hierzulande auf die leichte Schulter zu nehmen, nach dem Motto „Das betrifft mich eh nicht“. Nicht nur im Sinne des Wohlstands, sondern auch des Friedens betreffe die Wahl dort letztendlich alle.

Schwarzenberg: „Wir sollten uns alle Sorgen machen, denn Frankreich ist einer der wesentlichsten – die zweitwesentlichste - Macht in der europäischen Union. Wenn dort Madame Le Pen gewinnen würde, dann würde Frankreich vollkommen unberechenbare Politik machen und nicht mehr die bewährte Zusammenarbeit mit Deutschland pflegen. Das wäre für die Europäischen Union eine Katastrophe.“

Schwarzenberg erinnerte zudem daran, dass Frankreich nicht nur über Kernwaffen verfüge, sondern auch über eine der modernsten Armeen Europas und beste Netzwerke weltweit.

Anti-EU-Stimmungsmache des Machterhalts wegen

Am Brexit oder dem schlechten Ruf der EU seien „unsere Politiker mit schuld“, so Schwarzenberg: "Wenn sie etwas Gutes zu verkünden wissen, dann beanspruchen sie es für die nationale Politik. Wenn etwas schlecht ist, schieben sie es auf Brüssel.“

Und: „Die EU ist eine viel zu ernste Angelegenheit, um sie unseren Politikern zu überlassen“ - das sei keine Provokation sondern „eine Erfahrung, eine Tatsachensachenfeststellung“, so Karl Schwarzenberg durchaus nicht unernst. Welche Reformen wären also aus seiner Sicht dringend nötig? „Als erstes, das Subsidiaritätsprinzip wirklich ehrlich und vollständig durchzuführen.“

Kompetenzen „nach unten“ zu Regionen verlagern

Das Subsidiarätsprinzip ist für die Arbeitsweise der EU und die europäische Entscheidungsfindung von zentraler Bedeutung. Auf der Grundlage dieses Prinzips wird entschieden, wann die EU für Vorschriften oder Gesetze zuständig sein soll und wann die Nationalstaaten oder zum Beispiel ein Bundesland. Hier sollten Bereiche systematisch durchleuchtet und neu geordnet werden. Schwarzenberg dazu: „Dass wir tatsächlich die Kompetenzen nach unten hin zu den Regionen verlegen, für Probleme, die man auf dieser Ebene lösen kann. Wogegen auch die Staaten sich entschließen müssen, Probleme, die man nur gesamteuropäisch lösen kann, wie die Verteidigung, die Sicherheit, die Energiepolitik und Außenpolitik in gemeinsame Institutionen nach Brüssel zu verlegen.“

Für Reformen: Bürger müssen Politiker „nerven“

Die Initiative dafür müsse von „unten“, also vom Volk kommen. Das heißt, so Schwarzenberg, „dass wir unseren Politikern so auf die Nerven gehen müssen, dass sie Reformen durchführen. Solange wir sie in Ruhe lassen, machen sie nie etwas. Kein Politiker wird freiwillig aktiv, man muss ihn treten, dass er was macht.“

Sendungshinweis:

Einen Radiobeitrag über den Vortrag Karl Schwarzenbergs „EU versus Nationalstaaten“ - gestaltet von Christine Pleschberger - ist am 5.Mai in Radio Kärnten in der Sendung „Servus, Srečno, Ciao“ ab 16.00 Uhr zu hören.

„Elite“ oft zu faul zum Arbeiten

Doch was ist mit der Elite, wie sie Schwarzenberg selbst repräsentiert? Tut diese nicht auch zu wenig, damit der Wohlstand und Friede weiter erhalten bleibt? Schwarzenbergs Antwort: "Ja. Wobei die Frage ist, ob es noch eine Elite gibt, das würde ich leicht bezweifeln wollen. Dass aber diejenigen, die heute wohlhabend sind, zu wenig tun, das ist gar nicht zu bezweifeln. Ich sehe sie ja oft, die machen zu wenig. Der Mensch genießt das Wohlbehagen und sieht nicht ein, warum er etwas arbeiten soll.“