Kärntner öffnete Tür zur Geschichte

Vor 25 Jahren hat der Völkermarkter Historiker Stefan Karner Zugang zu einem Sonderarchiv in Moskau erhalten. Dort sind Akten von Österreichern gelagert, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg in sowjetischer Kriegsgefangenschaft waren. Bis heute ergeben sich daraus neue Erkenntnisse.

Der Unterkärntner Historiker Stefan Karner arbeitet am Grazer Institut für Kriegsfolgenforschung. Tausende Akten aus dem Moskauer Sonderarchiv haben er und seine Mitarbeiter in den vergangen 25 Jahren untersucht.

Stefan Karner Archive Dokumente Kriegsgefangenschaft Russland Moskau

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Anfang der 1990 er Jahre stieß Karner teils durch Zufall, teils mit dem richtigen Gespür auf dieses unscheinbare Haus. In den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion machte er mit dem Sonderarchiv auch einen Vertrag. Die Daten aller Österreichischen Kriegsgefangenen und Zivilverschleppten wurden in österreichische Computer eingegeben.

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„90 Prozent der Gefangenen sind zurückgekehrt“

„Von den etwa 5500 Kärntner Kriegsgefangenen, die in den Lagern der Sowjets registriert wurden, sind 90 Prozent wieder nachhause gekommen, weil die meisten erst ab Herbst 1944 gefangen genommen wurden“, so Karner. Zu diesem Zeitpunkt sei laut dem Historiker die Überlebensrate weit höher gewesen als wenn jemand 1941 oder 1942 gefangen genommen wurde.

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Falsche Berufe angegeben

Das Schicksal von 135.000 Österreichern wurde nach und nach klar. Tausende sind in den Lagern gestorben, an Hunger, Ruhr, Typhus und anderen Seuchen. Jeden Gefangenen verfolgt ein bürokratisch minutiös geführter Personalakt. „Es war so, dass die Gefangenen, wenn sie bei der Registrierung waren, normalerweise ihren Namen angegeben haben, aber beim Beruf haben sie meistens geschwindelt“, so Karner. Laut ihm habe man gedacht, dass man im Paradies der Arbeiter sei, also müsse man auch Arbeiter angeben. Viele hätten sich laut dem Historiker auch als Kleinbauern ausgegeben.

Dolmetschertätigkeit oft tödlich

Nicht registriert wurden jene, die die Märsche dorthin nicht überlebten. Im Lager selbst war es nicht immer Vorteil etwas gut zu können. So hätten laut Karner zum Beispiel einige Gefangene gesagt, dass sie slowenisch können, was aber sehr gefährlich gewesen sei. „Die wurden dann als Übersetzer eingesetzt. Viele Dolmetscher wurden aber umgebracht, weil man am Ende seiner Tätigkeit gesagt hat, der weiß zu viel.“

Nächstes Kapitel: Jugoslawien

Nach 25 Jahren Forschung in Moskau untersucht Stefan Karner ein weiteres Kapitel der Geschichte. Der Verbleib der österreichischen Soldaten die im ehemaligen Jugoslawien in Kriegsgefangenschaft kamen. „Jetzt werden wir diese vielen Datensätze mit den Angaben aus den Akten und Archiven aus Belgrad ergänzen und es wird hoffentlich 25 Jahre nach Beginn der Tätigkeit in Russland eine nächste Etappe für die Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien geben“, so Karner.

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Laut ihm betreffe dieses Kapitel vor allem Südkärntner. Karner schätzt, dass es an die 10.000 Fälle gibt. Auch im Belgrad könnte vergilbtes Papier helfen, das Schicksal von Menschen zu klären.