Stierhoden: Verrufener Faschingsschmaus

Stierhoden, die sogenannten „weißen Nieren“, galten lange als verboten und auch kulinarisch als fragwürdiges Gericht. Ein Kärntner Gastwirt lädt alljährlich zur Faschingszeit zum Stierhodenschmaus ein und hat so sein Geschäft angekurbelt.

Wenn eine Kundschaft früher bei einem Fleischhauer „weiße Nieren“ kaufen wollte, war klar: Das Verlangte darf nur unter der Ladentheke verkauft werden. Denn Stierhoden, die ominösen „weißen Nieren“, dürfen nicht in die Wurst oder andere Nahrungsmittel gelangen. Das dazugehörige „Gegenstück“, der sogenannte Ochsenziemer, taugt ebenfalls gerade einmal zur Tiernahrung.

Stierhoden Rakuschek Zell Freibach

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Gäste schwören auf speziellen Faschingsschmaus

Bei einem Lokalaugenschein in der Küche des Terklbauers in Zell-Freibach zeigt sich: Hier erwartete einen nicht das kulinarische Grauen, sondern erst einmal ganz normaler Krapfenduft. Und dann liegen sie plötzlich da, die Stierhoden - sauber aufgeblättert und bereit, paniert zu werden. Maximilian Rakuschek vulgo „Terklbauer“ verwendet in seinem Gasthaus für den speziellen Faschingsschmaus nur küchenfertige Stierhoden.

Stierhoden als Faschingsspezialität in einem Gasthaus in Zell-Freibach

Seit zwölf Jahren kommen sie hier beim Terklbauer sowohl am Rosenmontag als auch am Faschingdienstag auf den Tisch - gratis. Denn noch immer haftet dem traditionellen Gericht das Verbotene an. Der Terklbauer kommt eigenen Angaben zufolge trotzdem auf seine Rechnung: „Die Gäste konsumieren nicht nur die Stierhoden, sondern weit mehr, zum Beispiel an Spirituosen. Sie sagen, man muss nach dem Verzehr einen ‚Umrührer‘ trinken, um sie zu verdauen.“

Stierhoden Rakuschek Zell Freibach

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Mythos um gestärkte Manneskraft

Es wird ja gemunkelt, dass Stierhoden die Manneskraft stärken sollen. Überraschend zu hören, dass viele Anwälte und Steuerberater zum Stierhodenschmaus des Terklbauers kommen und auch der eine oder andere Prominente wurde schon gesichtet. Das Endergebnis sieht - ob paniert oder Geschnetzelt - relativ harmlos aus. Aber wie schmeckts?

Herwig Haupt, ein Gast des Terklbauers, fühlt sich dabei an gebackenes Kalbsbries erinnert. Auch Anton Petschnig ist vom besonderen Geschmack überzeugt. Für ihn gehört der Stierhoden-Schmaus jedes Jahr dazu.

Stierhoden Rakuschek Zell Freibach

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Geschmacks-Nostalgie oder Mutprobe?

In der Vitrine der Fleischerei Plautz in Klagenfurt sucht man Stierhoden vergebens. Trotzdem verfügt sogar der Innungsmeister der Kärntner Fleischer über einschlägiges kulinarisches Wissen. Er erinnert sich an das zarte, mürbe Fleisch, das paniert war, wie ein Wienerschnitzel. „Wenn mir jemand nicht gesagt hätte, dass es sich um Stierhoden handelt, hätte ich das nicht unterscheiden können.“

Plautz geht davon aus, dass Viele die Stierhoden aus Neugier kosten, oder weil sie diese aus ihrer Jugend kennen. „Vielleicht ist es auch eine Art Mutprobe?“, mutmaßt Plautz.

Verkauf per Gesetz zulässig

Doch zurück zum angeblichen Verbot: Dürfen Stierhoden nun verkauft werden oder nicht? Ein Anruf beim Gesundheitsministerium zeigt: Der Verkauf von Stierhoden ist durch ein entsprechendes EU-Gesetz legal, aber „die Produkte dürfen nicht weiterverarbeitet werden - zum Beispiel als Fleischprodukte oder sonstiges“, so Landesveterinär Holger Remer.

Der Terkelbauer könnte seine Stierhoden also nicht nur verschenken, er dürfte sie auch verkaufen. Ob es jeden freut, darf aber bezweifelt werden. Er selbst hat jedenfalls sein Geschäft mit dem Angebot an Stierhoden belebt. Es kommen Gäste aus dem Ausland und aus allen österreichischen Bundesländern nach Zell-Freibach. Alleine heuer mussten für den speziellen Faschingsschmaus 70 Stiere ihr Leben lassen, wobei natürlich auch ihr Fleisch verarbeitet wird.