Armutsberichte jenseits des Voyeurismus

Jeder zehnte Kärntner gilt als einkommensarm oder armutsgefährdet: 50.000 Menschen, deren Armut im Alltag nicht immer sichtbar ist. Wie respektvoll über Armut berichtet werden kann, war Thema einer Konferenz über den Umgang mit Sprache und Bildern in den Medien.

Wer über Armut berichtet, hat mit Menschen zu tun, die aufgrund ihrer Lebenssituation von Diskriminierung und Beschämung betroffen sind. Wer arm ist fürchtet die soziale Ausgrenzung, obwohl „arm sein mit Garantie keine eigene Spezies“ ist, wie ein von Armut Betroffener es gegenüber den Organisatoren beschreibt. Respekt und Würde im Umgang mit Armuts-Betroffenen standen im Mittelpunkt der Konferenz des Kärntner Netzwerkes gegen Armut, dem mittlerweile 40 Sozialorganisationen angehören.

Plattform für 40 Organisationen

Das Kärntner Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung fungiert als Plattform für über 40 Mitgliedsorganisationen, um Missstände und eklatante Ungerechtigkeiten in Kärnten aufzudecken, in die öffentliche Diskussion einzubringen und somit politische Veränderungsprozesse anzuregen.

Ihr Ziel: Eine respektvolle Armutsberichterstattung und damit Armut so zu beschreiben, wie Betroffene sie erleben. Häufig werden jedoch mit Bildern und Geschichten Klischees bedient und Einzelschicksale zur Allgemeinheit erhoben. Damit geraten Armutsbetroffene und Bezieher von Sozialleistungen häufig in die Rolle als Bittsteller oder erscheinen als finanzielle Belastung für die Gemeinschaft.

Leb: „Schwierige Gratwanderung“

Welche Herausforderungen es hier im Arbeitsalltag von Medienmachern gibt, erläuterte Sozialjournalistin Gudrun Maria Leb vom ORF Kärnten: „Für Journalisten stellt die Berichterstattung häufig eine schwierige Gratwanderung zwischen dem Erzeugen von Betroffenheit und Voyeurismus dar. Recherchen, Sozialgeschichten und Randgruppenthemen sollen wieder mehr Berücksichtigung in der journalistischen Tätigkeit finden, anstatt Einschaltquoten, Klicks und Verkaufszahlen zu fokussieren.“

Armut Symbolbilder

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Ein Lokalaugenschein im Caritas-Bekleidungsladen zeigt es ganz deutlich: Niemand will erkannt werden. Zu groß ist die Sorge der Betroffenen, als Mensch mit wenig Einkommen sozial ausgegrenzt zu werden. Ladenleiterin Jaqueline Murn: „Es sind auch sehr viele Inländerfamilien mit Mindesteinkommen, die gerne bei uns einkaufen, weil sie hier ein Schnäppchen finden.“

Immer mehr Menschen suchen Hilfe

Wenn kein Geld mehr für die gestiegenen Heizkosten in diesem kalten Winter bleibt, wenn die nötige neue Waschmaschine unfinanzierbar ist - als armutsgefährdet gilt, wer pro Monat weniger als 1.163 Euro für Wohnen, Essen und notwendige Ausgaben zur Verfügung hat. Laut Statistik ist die Zahl der Betroffenen in Kärnten in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen, bei den sozialen Organisationen macht sich dieser Umstand aber kaum bemerkbar, wie am Donnerstag bei der Tagung zu hören war. Monika Skazedonig vom Netzwerk gegen Armut: „Es zeigt sich in der Praxis, dass es viel mehr Menschen gibt, die Hilfe in Anspruch nehmen müssen und schnelle Hilfe brauchen, bzw. in diesem kalten Winter auf Unterstützung angewiesen sind, die auch schnell ausbezahlt wird.“

Armut Symbolbilder

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Mindestlohn von 1.500 Euro gefordert

780 Millionen Euro gibt das Land Kärnten heuer für Soziales und Gesundheit aus, ein Drittel des gesamten Budgets. Landessozialreferentin Beate Prettner (SPö): „Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Umsetzen des Mindestlohns, d.h. für Arbeit auch entsprechend viel Geld zu bekommen. 1.500 Euro ist hier als Grenze angesetzt.“

Armut kann jeden treffen

Die vielleicht wichtigste Botschaft der Konferenz: Armut kann jeden treffen. Sozialforscherein Michaela Moser: „Man lebt vielleicht in üblichen Lebensumständen, durch Jobverlust, Tod und Krankheit passiert etwas, dass Menschen in eine Armutssituation bringt. Sie sind auch danach noch die gleichen Menschen, haben aber ein anderes Einkommen. Das merkt man oft nicht sofort“.

Zu Respekt und Würde beitragen soll ein neuer Leitfaden für Berichte über die Armut, der jetzt erschienen ist.