Die Pogromnacht der Verwüstung 1938

In der Nacht zum 10. November 1938 regierte auch in Kärnten der Nazi-Terror. Häuser und Geschäfte von jüdischen Familien wurden gestürmt. Die Täter seien nur in den seltensten Fällen belangt worden, sagt der Historiker Werner Koroschitz. Und er warnt: „Die Geschichte kann sich wiederholen.“

Stoßtrupps der Sturmabteilung (SA) suchten auch in Kärnten ganz gezielt die Häuser jüdischer Familien heim. Vorgegangen wurde laut Historiker Werner Koroschitz nach „Judenerfassungslisten“. Auch Kärntner in Mischehen wurden nicht verschont. Kein Ferienhaus am Ossiacher See oder am Wörthersee wurde dabei übersehen. Koroschitz verweist auf ein Foto, wo der Mob die Wohnung des jüdischen Kärntners Egon Weissberger demolierte, unten stehe eine Menschenmenge, die die Täter noch anfeuerte und sich über die Gegenstände hermachen.

Geschäft Jude Villach

ORF

Weissbergers Wohnung in Villach wird gestürmt

Blinder Hass und Zerstörung

Vertreibung, Enteignung und Vernichtung, auch in Villach regierten reine Zerstörungswut und Hass gegen die jüdischen Mitbürger. Es war ein von der NSDAP gelenkter Mob, so Koroschitz. Die Synagoge in der Platzgasse in Klagenfurt wurde in der Nacht zum 10. November 1938 gestürmt, die Einrichtung zerstört, alle Wertgegenstände gestohlen und die Bücher verbrannt. Nach 1945 gab es in Kärnten keine jüdische Gemeinde mehr.

Pogrom

Gewaltsame Ausschreitung gegen Menschen, die entweder einer abgrenzbaren gesellschaftlichen Gruppe angehören oder von den Tätern einer realen bzw. vermeintlichen gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet werden. Häufig sind es politische Gruppen oder Angehörige von Religionsgemeinschaften (Quelle: Wikipedia). Der Begriff „Reichskristallnacht“ war eine zynische Verniedlichung durch das Nazi-Regime für die „Nacht der Scherben“.

Jene, die im November 1938 beim Pogrom dabei waren, wurden nur in den seltensten Fällen belangt, so Koroschitz. Fand doch ein Gerichtsverfahren statt, war man wie der Villacher SA-Mann Johann Mießbichler oder der Kreispropagandaleiter Kurt Ludwig kaum um eine Ausrede verlegen, so Koroschitz: „Es hat ihnen nachgewiesen werden müssen, dass sie an den Zerstörungen teilgenommen haben. Hatten sie ein Buch oder ein Radio an diesem Tag in der Hand, sagten sie, sie hätten das vor der Zerstörung retten wollen.“

Bekannter Fußballer unter Tätern

Einige gestanden aber auch, so Koroschitz, das müsse man ihnen fast anrechnen. Die meisten waren feige und hätten sich vor Strafe gedrückt. Einer der gestanden hatte, in die Wohnung eingedrungen zu sein, war Ernst Melchior. 1920 in Villach geboren, war der Fußballer Mitglied der österreichischen Fußballnationalmannschaft und einer der erfolgreichsten Spieler nach dem Zweiten Weltkrieg.

Jüdisches Bethaus Klagenfurt innen

ORF

Jüdisches Bethaus Klagenfurt

Mutiger evangelischer Superintendent

Immer wieder ist zu hören, man solle die Vergangenheit doch endlich ruhen lassen. Koroschitz ist hier anderer Meinung: „Ich glaube, die Geschichte kann sich unter bestimmten Voraussetzungen immer wieder wiederholen.“ Die Kärntner Bevölkerung dürfte die Gewaltaktionen laut Koroschitz nicht durchwegs gut gefunden haben, Mitleid oder Empörung beschränkten sich aber auf den privaten Bereich. Nur wenige äußerten sich öffentlich. Der damalige evangelische Superintendent Johannes Heinzelmann war einer der Mutigen, er besuchte während des Pogroms einen bekannten Juden und sprach auch darüber.

Jüdisches Haus Klagenfurt außen

ORF

Jüdisches Haus in Klagenfurt

Am 10. November findet in Villach um 19.00 Uhr eine Gedenkveranstaltung statt: In der Evangelischen Kirche im Stadtpark werden Yulia Ismaylowa und Felix Strasser lesen. Das Kaddisch, das jüdische Gebet zum Totengedenken, wird Kornelia Rebeka Zucha singen.