Ortstafelstreit spielt keine Rolle mehr
1955 wurden im Staatsvertrag die Minderheitenrechte geregelt. Ab welchem Bevölkerungsanteil zweisprachige Ortstafeln aufzustellen sind, wurde aber nicht festgelegt. An dieser Frage scheitern Politiker der letzten fast 60 Jahre, der Ortstafelstreit sorgte in Kärnten jahrzehntelang für Unfrieden.
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Ringen um zweisprachigen Bevölkerungsanteil
Die Regierung Kreisky definierte den zweisprachigen Bevölkerungsanteil mit 20 Prozent. Das hätte 205 zweisprachig beschilderte Ortschaften bedeutet. Der Versuch, diese zweisprachigen Ortstafeln aufzustellen, führte 1972 direkt zum Ortstafelsturm. Ein 1977 in der Topografieverordnung festgelegter Anteil von 25 Prozent bedeutete noch immer für 91 Orte zweisprachige Ortstafeln. Auch dieses Gesetz wurde nie ganz umgesetzt.
Ein rasender Rechtsanwalt brachte 2001 neue Bewegung in die Ortstafelfrage. Rudi Vouk fuhr im Ortsgebiet von St. Kanzian absichtlich zu schnell, erstattete Selbstanzeige und beeinspruchte dann den Strafbescheid. Sein Argument: Weil die Ortstafel von St. Kanzian - ohne zweisprachige Aufschrift - nicht ordnungsgemäß kundgemacht sei, gelte auch das für das Ortsgebiet herrschende Tempo 50 nicht. Den Tipp zu dieser Vorgangsweise hat Vouk vom damaligen Abgeordneten der ÖVP im Nationalrat, Andreas Kohl, erhalten. Nach der Lösung der Ortstafelfrage sagte Khol, er habe sich als Jurist verpflichtet gesehen, diesen Rat zu erteilen - mehr dazu in Khol: Ortstafellösung brauchte Zeit.
LH Haider verweigerte Umsetzung jahrelang
Tatsächlich befasste sich das Höchstgericht mit dem Fall. Das Ergebnis: Vouk musste die Strafe für die Geschwindigkeitsübertretung zahlen. Doch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) stellte in seinem Spruch fest, dass schon ein slowenischsprachiger Bevölkerungsanteil von zehn Prozent für das Aufstellen zweisprachiger Ortstafeln ausreiche.
Landeshauptmann Jörg Haider verhinderte die Umsetzung des Urteils jahrelang mit Hinweis auf die „Interessen der Mehrheit“. Um zweisprachige Ortstafeln nicht aufstellen zu müssen, wurden Ortstafeln um einige Meter verrückt und einsprachige Ortstafeln mit Zusatztafeln mit slowenischer Bezeichnung versehen. Beide Vorgehensweisen wurden vom VfGH als verfassungswidrig erkannt.
Anfang Februar 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Vorermittlungen gegen den Kärntner Haider und den damaligen Straßenbaureferenten Gerhard Dörfler wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ein. Das Verfahren gegen Dörfler wurde im Juli 2009 eingestellt. Die Entscheidung sorgte für heftige Diskussionen. Immerhin argumentierte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, es werde kein Verfahren eingeleitet, weil Dörfler beim Verrücken der Ortstafeln „über keine juristische Ausbildung“ verfüge. Das Verfahren gegen Haider wurde durch sein Ableben im Jahr 2008 hinfällig.
Einigung auf Anteil von 17,5 Prozent
Eine Einigung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel scheiterte. 2011, drei Jahre nach dem Tod Haiders, gelang Staatssekretär Josef Ostermayer, Landeshauptmann Gerhard Dörfler und den Slowenenvertretern ein Kompromiss: Ein Anteil von 17,5 Prozent begründet nun in 164 Ortschaften den Anspruch auf zweisprachige Ortsbezeichnungen. Das Gesetz wurde im Nationalrat fast einstimmig - gegen drei Stimmen der Grünen - beschlossen.
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Bgm. Sadovnik: Stimmung hat sich geändert
Nun - fünf Jahre später - sind die Ortstafeln aufgestellt und kein Thema mehr. „Das über 56 Jahre Kärnten sehr oft lähmende und viel zu oft politisch missbrauchte Joch wurde mit der Ortstafellösung vor fünf Jahren abgeworfen“, sagte Landeshauptmann Kaiser im April. Endlich könne man sich wieder anderen Themen widmen, sagte Bernard Sadovnik, der Obmann der Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Bürgermeister von Globasnitz, in einem Interview mit dem ORF-Kärnten: „Nach fünf Jahren muss man sagen, dass sich die Stimmung im Land geändert hat, dass das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit ein sehr positives ist. Es ist zwar nur ein zartes Pflänzchen, aber dieses Pflänzchen wächst, und das geht nur, wenn wir gemeinsam arbeiten.“
Bgm. Strauss: Miteinander im Vordergrund
Das Pflänzchen ist „gar nicht so klein“ und hat schon viele Wurzeln, sagte der Bürgermeister von Sittersdorf, Jakob Strauss (SPÖ), in einem ORF-Interview. Die neuen Ortstafeln seien akzeptiert: „So kann ich das sagen. Würden wir wieder über Ortstafeln diskutieren, das wollen die Leute nicht mehr haben, die würden sagen, erledigt ist erledigt, wir sind zufrieden und stellen das Miteinander und nicht das Gegeneinander in den Vordergrund. Und wenn wirklich was sein sollte, dann haben wir ja ohnehin die Politik, die die Entscheidungen treffen soll.“ Für das Wechseln von politischem Kleingeld scheint sich die Ortstafelfrage erledigt zu haben.