Bachmann: Zwei Favoritinnen an Tag zwei

Am zweiten Lesetag der 40. Tage der deutschsprachigen Literatur kristallisierten sich Julia Wolf und Isabelle Lehn als Favoritinnen heraus, die restlichen Autoren mussten großteils Kritik einstecken. Der Text von Sylvie Schenk erhielt wohlwollendes Feedback.

Als letzte Autorin, die am zweiten Lesetag antrat, brachte Sylvie Schenk (D) ihren Text „Schnell, dein Leben“ mit nach Klagenfurt. Die gebürtige Französin war der Einladung von Hubert Winkels nach Klagenfurt gefolgt. Der Auszug aus einem Roman beleuchtet in kurzen Kapiteln Zwänge und Konventionen, die eine Frau in einer konservativen Gesellschaft während des Erwachsenwerdens kennenlernt - mehr dazu in Jurydiskussion Sylvie Schenk

Sylvie Schenk

Johannes Puch

Sylvie Schenk

Gardi sorgte für Erheiterung

Vor ihr präsentierte Tomer Gardi (ISR) seinen Text, der keinen Namen trägt. Der Autor wurde 1974 im Kibbuz Dan in Galiläa geboren und lebt in Tel Aviv. Er las auf Einladung von Klaus Kastberger und brachte das Publikum ab und an zum Lachen. Es geht um den Erzähler und seine Mutter. Der Texte verzichtete auf Grammatik und Rechtschreibung - mehr dazu in Jurydiskussion Tomer Gardi.

Tomer Gardi

Johannes Puch

Tomer Gardi

Vormittag: Alte Männer, Schakale und Aladdin

Bei den Lesungen am Freitagvormittag zeichnete sich noch kein Favorit ab. Gleich zu Beginn gab es Jury-Lob für Julia Wolf. Die Berlinerin las auf Einladung von Hubert Winkels den Romanauszug „Walter Nowak bleibt liegen“. Im Mittelpunkt steht dabei ein 70 Jahre alter Mann in der Midlife-Crisis, der nach einem Sturz im Badezimmer hilflos liegen bleibt und auf seine Frau wartet. Wolfs Text wurde von den Juroren durchwegs gut bewertet - mehr dazu in Jurydiskussion Julia Wolf.

Für Jurorin Sandra Kegel handelt es sich um einen „großartig gearbeiteten“ Text, er begeisterte auch Stefan Gmünder, Juri Steiner und Hubert Winkels. Zweifel formulierten Hildegard Keller, für die der Text vor allem als Hörtext funktioniert, und Meike Feßmann, die die Textwirkung vom zuvor gezeigten Video überlagert und die Erzählperspektive nicht einleuchtend fand. Klaus Kastberger nannte ihn etwas sarkastisch „wohltuend altmodisch“.

TDDL 2016 Julia Wolf

ORF/Johannes Puch

Julia Wolf

Kastberger ärgerte sich bei „Araber und Schakale“

Nach Julia Wolf ging der Deutsche Jan Snela an den Start. Der 26-Jährige wurde von Jurorin Meike Feßmann nach Klagenfurt geholt und präsentierte seinen Text „Araber und Schakale“. Es wimmelt darin von Wasserpfeifen, Turbanen und Pluderhosen, es gibt ein „Amt für Wüstenangelegenheiten“, ein „Selamlück“ (Herrenzimmer), einen „Zeltaufschläger“ Halef, zwei Schakale namens Kalila und Dimna, einen Supermarkt mit Kamel-Konserven, Falafeln und Datteln sowie einen „schweren Fall von wandernder Desertifizierung mit Fatamorganenwahnsinn“.

Der Text entzweite die Jury wie keiner vor ihm und führte, ausgehend von Hubert Winkels Befund, das angestrebte Spiel mit Ängsten gehe in der Verrappung von Orientalismen nach hinten los zu einem heftigen Streit zwischen Feßmann und Kastberger, der sich darüber ärgerte, dass er manche im Text verwendete Begriffe googeln musste - mehr dazu in Jurydiskussion Jan Snela.

TDDL 2016 Jan Snela Lesung

ORF/Johannes Puch

Jan Snela

Lehn präsentierte Realitäts-Wirrwarr

Meike Feßmann lud auch die promovierte Rhetorikerin Isabelle Lehn ein, die ihren Text „Binde zwei Vögel zusammen“ mit nach Klagenfurt brachte. In einem der beiden Erzählstränge ist der Ich-Erzähler zu Hause, wo er versucht, wieder in sein Leben mit seiner Freundin zurückzufinden. Die Realitäten aus der Handlung im zweiten Erzählstrang kann er jedoch nicht so einfach abstreifen. Da ist er nämlich einer von vielen im Dorf.

TDDL 2016 Isabelle Lehn

ORF/Johannes Puch

Dieses Dorf erschließt sich als Trainingsplatz für eine militarisierte Gruppe, die mit portioniertem Essen, der Gefahr von verminten Wiesen und den Taliban konfrontiert ist. In dieser Umgebung verbringt der Erzähler viel Zeit mit Aladdin, beziehungsweise sich selber, wie sich schließlich herausstellt. Die Ähnlichkeit mit dem vorangegangen Text von Jan Snela sei frappant, fand die Jury, die allerdings weitgehend zu konträren Urteilen kam - mehr dazu in Jurydiskussion Isabelle Lehn.

14 Autoren aus acht Nationen am Start

Insgesamt treten heuer sieben Autorinnen und sieben Autoren aus acht Nationen bei der Veranstaltung an, die am Sonntag mit der Preisverleihung abgeschlossen wird.

Lesungen und Diskussionen „on demand“

Die Lesungen und Jurydiskussionen sind „on demand“ abrufbar.

Den Abschluss machen am Samstag, dem letzten Lesetag Ada Dorian (D), die in London geborene Sharon Dodua Otoo (GB), Astrid Sozio (D), sowie als Letzter der Schweizer Dieter Zwicky.

Alle Lesungen finden im ORF-Theater, Sponheimerstraße 13, 9010 Klagenfurt statt - mehr dazu in Die Lesereihenfolge. 3sat überträgt erstmals in HD.

TDDL 2016

ORF/Johannes Puch

Preisverleihung am Sonntag

Der erste Lesetag regte die Autoren zu teils heftigen Diskussionen an: Die Texte von Stefanie Sargnagel (AUT), Marko Dinić (SBR) und Selim Özdogan (TUR) stachen besonders hervor - mehr dazu in TDDL: Nudeln, Hasen und Kriegserinnerungen. Sargnagel, die einzige Österreicherin im heurigen Bewerb, präsentierte ihren Text „Penne vom Kika“, er begleitet die Ich-Erzählerin durch einen Wintertag, den sie unter anderem am Eislaufplatz, in einem Beisl und beim Bachmann-Text-Schreiben verbringt. Der Bachmann-Preis und die anderen Preise werden am Sonntag vergeben.