Ortstafeln: Eine Chronologie

Im Staatsvertrag von 1955 wurden den Kärntner Slowenen unter anderem zweisprachige Ortstafeln zugesichert. Nach jahrzehntelangem Ringen um eine Lösung wurde diese 56 Jahre später endlich erreicht. Ein historischer Kompromiss im Jahr 2011.

1955: Im Staatsvertrag sichert Österreich den Slowenen und Kroaten in Kärnten, Burgenland und der Steiermark besondere Minderheitenrechte zu. Der Artikel 7 sieht zweisprachige topografische Aufschriften im gemischtsprachigen Gebiet vor, ohne dieses jedoch genauer zu definieren.

Juli 1972: Die Regierung Kreisky beschließt die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in 205 Kärntner Ortschaften mit zumindest 20 Prozent Anteil slowenischsprachiger Bevölkerung.

September 1972: Die ersten Tafeln werden in Südkärnten aufgestellt. Es folgt der „Ortstafelsturm“, bei dem „Deutsch-Kärntner“ die Schilder demontieren. Die Aufstellung weiterer Tafeln wird gestoppt.

Juli 1976: Im Volksgruppengesetz wird ein Slowenen-Anteil von 25 Prozent als Voraussetzung für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln festgelegt.

Mai 1977: Die Topografieverordnung sieht 91 zweisprachige Ortstafeln vor. Sie werden allerdings nie vollständig errichtet.

Ende 2000: Mit der Aufstellung der ersten deutsch-kroatischen Ortstafeln im Burgenland entflammt auch in Kärnten die Debatte neu. Kärntner Slowenen fordern eine Novellierung des als zu restriktiv empfundenen Volksgruppengesetzes, der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider lehnt das ab.

Dezember 2001: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bezeichnet die 25 Prozent-Quote als zu hoch und hebt Teile des Volksgruppengesetzes 1976 und der Topografieverordnung 1977 auf. Ermöglicht hatte das der Slowenenfunktionär Rudi Vouk, der ein Strafmandat im einsprachig beschilderten Ortsgebiet von St. Kanzian beim VfGH bekämpft hatte. Haider reitet wütende Attacken auf VfGH-Präsident Ludwig Adamovich.

September 2002: Kanzler Schüssel beruft drei „Konsenskonferenzen“ unter Beteiligung des Bundes, der Kärntner Parteien sowie der Slowenenorganisationen und der Heimatverbände ein. Die Gespräche scheitern letztlich am Nein der Slowenenvertreter, die den Kompromissvorschlag (insgesamt 148 zweisprachige Ortstafeln) für unzureichend halten.

April 2005: Der von Schüssel beauftragte Historiker Stefan Karner präsentiert einen neuen Kompromissvorschlag. Das „Karner-Papier“ sieht 158 zweisprachige Ortstafeln vor.

Mai 2005: Als Ergebnis der „Kärntner Konsenskonferenz“ werden erstmals seit 1977 neue zweisprachige Ortstafeln errichtet. Zuvor waren mehrere Konsenskonferenzen in Wien ohne Ergebnis geblieben, eine Einigung scheiterte am Veto des Kärntner Abwehrkämpferbundes und Haiders.

Damit stehen 77 der 91 vorgesehenen Schilder. Allerdings lässt Haider die gemeinsam mit Schüssel errichteten Tafeln knapp eineinhalb Jahre später teilweise wieder abmontieren.

Dezember 2005: Der Verfassungsgerichtshof gibt einer neuerlichen Beschwerde des Slowenenvertreters Vouk Recht und fordert die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln in Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf bis Ende Juni 2006.

Februar 2006: Haider will die VfGH-Entscheidung umgehen, indem er die Ortstafeln von Bleiburg verrücken lässt. Der VfGH beurteilt das später als unzulässig.

Mai 2006: Eine geplante Volksbefragung Haiders wird von der Kärntner Landeswahlbehörde abgelehnt. Bundeskanzler Schüssel (V) schickt eine Verordnung in Begutachtung, die bis Ende 2009 in Kärnten insgesamt 158 zweisprachige Ortstafeln vorsieht.

Juni 2006: ÖVP, BZÖ und SPÖ streben eine verfassungsrechtliche Lösung der Ortstafelfrage an. ÖVP und BZÖ beschließen die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in insgesamt 93 Kärntner Ortschaften, darunter Bleiburg und Ebersdorf.

Bis 2009 ist eine Aufstockung auf 141 geplant, die aber erst gemeinsam mit einer verfassungsrechtlichen Lösung der Ortstafelfrage beginnen soll.

Juli 2006: Die Verfassungsänderung scheitert an der „Öffnungsklausel“. Sie soll ab 2009 weitere zweisprachige Ortstafeln ermöglichen, wird jedoch von zwei der drei Slowenenorganisationen als unzureichend empfunden. Daraufhin entzieht auch die SPÖ dem Kompromiss ihre Zustimmung. Eine Lösung ohne Verfassungsänderung lehnen wiederum ÖVP und BZÖ ab.

August 2006: Im anlaufenden Nationalratswahlkampf setzt Haider in der Ortstafelfrage wieder auf Härte und erfindet eine neue Umgehungsmöglichkeit für die Ortstafelreglung: Unter dem Motto „Kärnten wird einsprachig“ lässt er zweisprachige Ortstafeln entfernen und durch deutsche Ortsschilder mit kleiner slowenischer Zusatztafel ersetzen.

Dezember 2006: Der Verfassungsgerichtshof prüft diese Umgehungsvariante.

Jänner 2007: Das BZÖ verstärkt seinen politischen Druck: Man kündigt eine Unterschriftenaktion für den Südkärntner Raum und eine Resolution zur Minderheitenfeststellung an das Parlament in Wien an.

Im Regierungsprogramm der großen Koalition findet auch die Ortstafelfrage Beachtung. Eine Lösung bis zum Sommer wird angepeilt. Die frisch angelobte Justizministerin Maria Berger (SPÖ) kritisiert Haiders Vorgehen in der Frage als „nicht demokratisch“ und nennt eine Amtsenthebung einen „möglichen Weg“. Haider lädt in Kärnten zu einem runden Tisch, der noch am Tag seines Bekanntwerdens scheitert.

Februar 2007: Eine Minderheitenfeststellung zur Lösung der Ortstafelfrage wird immer mehr zur fixen Idee Haiders. Die Ortstafeln von Bleiburg und Ebersdorf werden wieder einmal umgestaltet, die slowenischen Zusatzschildchen innerhalb des blauen Feldes der Tafel angebracht.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt leitet Erhebungen wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen Haider und seinen Stellvertreter Gerhard Dörfler ein. Sie stehen im Zusammenhang mit dem Verrücken der Ortstafeln von Bleiburg und Ebersdorf.

März 2007: Haider und Dörfler sagen vor dem Untersuchungsrichter aus.

Juli 2009: Das Verfahren gegen Dörfler wird eingestellt, er habe den Amtsmissbrauch „nicht wissentlich“ begangen, hieß es in der Begründung.

9. Juli 2010 Der VfGH befindet auch die hineinmontierten Zusatztafeln in Bleiburg für verfassungswidrig. Drei gesetzeswidrige Ortstafeln wurden ausgetauscht.

2010/2011: Es beginnen neue Verhandlungen, diesmal unter der Führung von Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ). Miteingebunden werden die Slowenenverbände Rat, die Gemeinschaft und der Zentralverband.

April 2011: Man einigt sich auf einen vorläufigen Kompromiss. Dieser sieht vor, dass eine zweisprachige Ortstafel ab einem Prozentsatz von 17,5 Prozent slowenischsprachiger Bevölkerung aufgestellt werden soll. Vom Rat gibt es dazu keine Zustimmung, man rückte von einer fixen Prozentzahl ab.

26. April 2011: Die fixierte Lösung sieht eine Anzahl von 164 zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten vor.

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