Premiere für Europäische Toleranzgespräche

Politiker, Philosophen und Literaten haben sich am Freitag in Fresach bei den ersten Europäischen Toleranzgesprächen mit dem Thema „Toleranz und ihre Grenzen“ auseinandergesetzt. Zu Gast war auch Bundespräsident Heinz Fischer.

Die Europäischen Toleranzgespräche in Fresach, die erstmals vom 21. bis 23. Mai stattfinden, sollen auch jenseits der Kärntner Landesgrenzen wahrgenommen werden. Es soll um Themen gehen, die ganz Europa betreffen, wie Toleranz im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik, keineswegs abstrakte Themen in einem Europa, in dem Ängste vor Flüchtlingsströmen und radikalem Islamismus herrschen – mehr dazu in Erste „Europäische Toleranzgespräche“ in Fresach.

Umso wichtiger ist es für den langjährigen Europa-Abgeordneten und Iniatiator der Toleranzgespräche, Hannes Swoboda, über Toleranz zu sprechen. Schließlich gebe es Regierungen, die sich in ihrer Flüchtlingspolitik gar nicht tolerant verhalten würden. Swoboda appellierte auch, Ideen und Religionen nie an jenen messen, die diese missbrauchen würden, „man muss immer auf den Kern schauen." Zum aktuellen Flüchtlingsproblem sagte er, dass illegale Migration zurückgehen würde, wenn legale Wege geöffnet werden würden.

Fischer: Man braucht Kraft zur Selbstkritik

Fischer begann seine Rede mit einem Exkurs zur Entwicklung des Begriffs Toleranz bis zurück zu Sokrates und meinte: „Man braucht Kraft zur Selbstkritik und muss sich selbst infrage stellen, die Meinung des Gegenübers ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen.“ Sokrates habe damit eine eindeutige Gegenposition zum Despotismus formuliert. „Die Akzeptanz des Prinzips weltanschaulicher Toleranz ist ohne Demokratie und pluralistischer Gesellschaft nicht möglich.“ Toleranz sei ein Lebensprinzip, andere Lebensentwürfe müssten akzeptiert werden. Fischer: "Das Zusammenleben wird erleichtert mit Rücksicht auf den Nächsten, den Übernächsten und den noch weiter weg Befindlichen.“

Kaiser: Akzeptanz des Anderen

Als „mutiges Zeichen“ bezeichnete Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) den „Denk.Raum.Fresach“, eine Initiative, welche die Toleranzgespräche veranstaltet. Für Kaiser ist Toleranz die Akzeptanz des Anderen. „Es muss ein Verstehen, eine rationelle Akzeptanz dessen sein, dass etwas anders sein darf, sein kann und sein muss.“ Toleranz sei untrennbar mit dem Begriff Freiheit verbunden, denn Intoleranz sei Unfreiheit.

„Toleranz ist Menschlichkeit überhaupt“, sagte Superintendent Manfred Sauer, Mitbegründer der Toleranzgespräche, in seiner Begrüßungsrede. Der Denk.Raum.Fresach wolle Toleranz in den Mittelpunkt zeitgenössischer Überlegungen stellen und habe die ersten europäischen Toleranzgespräche auf den Weg gebracht. „Die Anwesenheit so vieler Ehrengäste gibt Anerkennung, Motivation und Ermutigung, dieses faszinierende Projekt weiterzubetreiben.“

Viele Plädoyers für die Toleranz

Der Präsident des Autorenverbandes PEN, Helmuth Niederle, meinte, eine Demokratie, die ihren Namen zu Recht trage, müsse von Toleranz „durchtränkt“ sein. Der Philosoph Pravu Mazumdar wiederum wies auf die zunehmenden Spannungen und Konflikte hin. Was als „Kampf der Kulturen“ wahrgenommen werde, könne auch als fortgesetzter Prozess einer „globalen Säkularisierung“ gesehen werden, sagte der deutsch-indische Denker.

Schriftsteller Fabjan Hafner stellte fest, Toleranz sei eine „unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren einer aufgeklärten Gesellschaft“, sie sei aber nur eine Etappe. Toleranz sei von Natur aus passiv, bequem und fordere nicht viel Aufwand, so Hafner. Zugleich sei sie ein „Privileg der Starken“, das man erst einmal erlangen müsse.

Nahostexpertin: Der Territorialstaat erodiert

Die Nahostexpertin Karin Kneissl beleuchtete das Thema mit Fokus auf die Gewalt im Nahen Osten. Angesichts der Entwicklung des Islamischen Staats müsse man die Frage stellen, ob der Territorialstaat in seiner bisherigen Form überhaupt noch haltbar sei oder nicht ohnehin bereits erodiere. Sie warnte aber davor, die Welt wieder in „Gläubige und Ungläubige“ einzuteilen.

Die Migrationsforscherin Christa Markom wies darauf hin, dass Rassismus als das legitimiert erscheinende Herstellen von Differenz und Zuschreibung negativer Eigenschaften an eine Gruppe keine Randerscheinung sei, sondern sich auch in der Mitte der Gesellschaft zeige.

Abschluss mit Erklärung zur Toleranz

Nach den Vorträgen und Diskussionen war für den Abend die Verabschiedung der „Fresacher Erklärung zur Toleranz 2015“ vorgesehen. Die Erklärung ist in drei Themenkomplexe gegliedert, Toleranz, Meinungsvielfalt und Religionsfreiheit. Da heißt es unter anderem: „Toleranz wird dort Wirklichkeit, wo die Werte der Gleichheit und Gerechtigkeit umgesetzt werden“.

Im zweiten Bereich „Toleranz und das neue Europa“ wird die EU aufgerufen, die universellen Werte der Toleranz nie infrage zu stellen. Im dritten Themenbereich "Europa, Kriege und globale Armut“ wird ein Ende des Kolonialismus und Neo-Kolonialismus gefordert. Es müsse eine neue Partnerschaft mit den ärmeren Nachbarländern geben und ein glaubwürdiges Engagement gegen Armut und Klimawandel statt militärischer Interventionen.

Prominente Gästeliste

Weitere Gäste waren die Sozialwissenschaftlerin Claudia Brunner, die Wernberger Ordensschwester Maria-Andreas Weißbacher, die Bürgerrechtlerin Philo Ikonya aus Kenia, die algerische Sprachwissenschaftlerin Zora Bouchentouf-Siagh, Danica Purg von der Bled School of Management, der iranisch-stämmige Sama Maani, Landtagspräsident Reinhart Rohr, Bischof Alois Schwarz, Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich, und Superintendentialkuratorin Helli Thelesklaf, weiters EU-Abgeordneter Eugen Freund und Hubert Stotter, Rektor der Diakonie de LaTour.

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